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»Du musst den Daumen hinter deinen Fingern verstecken. So.« Spencer nimmt mir das Messer aus der Hand und schiebt mich zur Seite, sodass er sich vor dem Brettchen mit den Tomaten platzieren kann. Er hebt die Hände an und legt die linke auf ein halbiertes Tomatenstück. Die vier Finger baut er wie eine Mauer vor dem Daumen auf.

»Wenn du jetzt mit dem Messer abrutschen solltest, ist die Gefahr, dich zu verletzen, sehr minimal.« Er wirft mir einen kurzen Blick zu und macht sich anschließend an die anderen Stücke, ohne mir die Möglichkeit zu geben, seinen Tipp umzusetzen. Mir soll es recht sein.

Innerhalb weniger Sekunden hat er das restliche Gemüse geschnitten und kümmert sich wieder um die fast fertige Soße, die leise vor sich hinköchelt.

»Ich glaube, ich bin eine bessere Esserin als Köchin«, überlege ich laut. Ich wische meine nassen Finger an einem Küchentuch ab und lehne mich seitlich mit der Hüfte am Tresen an, um ihm zusehen zu können.
Es ist selten, dass Spencer und ich zusammen kochen – dass wir dabei allein sind, ist noch ungewöhnlicher.

Ich weiß wenig von ihm und seiner Familie, nur das, was Aspen hin und wieder erzählt. Und ich glaube, Spencer geht es genauso.
Aber es funktioniert. Wir respektieren den jeweils anderen, kommen zurecht. Aspen vereint uns und sorgt für einen regelmäßigen Austausch zwischen uns, der auf Oberflächlichkeiten basiert.

»Daran habe ich noch gar nicht gedacht«, schmunzelt er, während er die Nudeln umrührt und mit der Gabel eine zum Probieren herausfischt.

»Wann sagtest du, kommt Lila nach Hause?« Spencer schaltet den Herd aus und holt ein Sieb aus einer der Schubladen. Wegen der Befürchtung, im Weg zu stehen, mache ich einen Schritt zur Seite und trete schließlich auf die andere Seite der Kochinsel. Mit den Händen stütze ich mich auf dem gräulichen Marmor ab und beobachte, wie er die dampfenden Nudeln abschüttet. Dabei schieben sich dunkle Strähnen vor seine Augen, die darauf hindeuten, dass er seit geraumer Zeit keinen Friseursalon mehr von innen gesehen hat.

»In einer guten Stunde«, antworte ich verzögert. Spencer nickt und murmelt Undeutliches vor sich hin. Da ich bezweifle, dass mich seine Gedanken etwas angehen, hake ich nicht nach, sondern tauche meinen Löffeln noch einmal in die Soße, die als Hauptzutat Käse zu verzeichnen hat.

»Würdest du Aspen holen? Wir könnten gleich essen, wenn du bis dahin nicht schon die Soße ausgelöffelt hast.« Spencer nimmt mir das Besteck aus der Hand und legt den Löffel in die Spüle, dann deutet er mit dem Kopf auf die verschlossene Zimmertür. In seiner Jogginghose und dem Shirt mit den abgedruckten, tanzenden Lebensmitteln, das Delilah und ich ihm zum letzten Geburtstag geschenkt haben, sieht er nicht wie der ernstzunehmende Jungkoch aus, als welcher er sich einen Namen machen möchte.

Ich schiebe die Unterlippe vor und verschränke locker die Arme vor der Brust, während der Geschmack auf meiner Zunge langsam verebbt. Spencer dreht mir den Rücken zu, kümmert sich um die Nudeln und scheint meine Anwesenheit ausgeblendet zu haben, was mich dazu anstachelt, seinem Wunsch nachzukommen.
Seufzend wirble ich herum. Natürlich könnte ich auch einfach nach Aspen rufen, aber nicht nur einmal habe ich deswegen vielsagende Blicke von meinen Freunden geerntet, die nicht begeistert davon gewesen waren, meine Stimme durch die Flure hallen zu hören.

Ich steuere an dem bereits gedeckten Tisch vorbei und laufe blindlings auf die Zimmertür meines besten Freundes zu. Da ich weiß, welche Musik Spencer hört, wenn er allein in der Küche ist, kann ich es Aspen nicht verübeln, dass er seine Tür vorsichtshalber schließt, wenn er vorhat zu arbeiten.

Entschlossen hebe ich meine Hand und klopfe mit den Fingerknöcheln gegen das helle Holz. Ohne eine Antwort abzuwarten, drücke ich die Türklinke nach unten und trete in Aspens Zimmer.

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