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Aspens Brustkorb hebt und senkt sich in regelmäßigen Abständen unter meinen Fingern.

Vor einer Weile hat er die Augen geschlossen und ist kurze Zeit darauf eingeschlafen, was das schwache Schmunzeln auf seinen Lippen beweist.

Er liegt neben mir, den Kopf auf einem Kissen gebettet und mit dem Gesicht in meine Richtung. Seit einer Weile beobachtete ich ihn. Schwache Lichtstrahlen der Straßenlaternen fallen auf seine reine Haut und auch das Licht des Mondes findet sich in Ansätzen auf seinen Wangen wieder.

Er sieht friedlich aus – und das beruhigt mich.

Als ich mich auf dem Weg zu ihm gemacht habe, war ich unglaublich müde gewesen und hatte einfach einen entspannten Abend verbringen wollen. Eigentlich war mein Vorhaben gewesen, beizeiten ins Bett zu gehen und meine Gedanken abzuschalten, die mich immer wieder an die Vorlesungen und meine Aufgaben erinnern.

Ablenkung war das, was ich mir herbeigesehnt hatte.

Durch Aspen habe ich sie bekommen, allerdings anders, als es mir lieb gewesen wäre.

Ihn so aufgebracht zu sehen und zu hören, welche Gedanken ihn die vergangenen Jahre plagten, haben ein Loch in meine Seele gerissen, das auch die schwache Zuversicht in seinen Augen nicht schließen kann.

Ich fahre mit den Fingerspitzen vorsichtig über seine Brust. Als beste Freundin hätte ich merken müssen, dass etwas nicht stimmt. Und ich hätte mit ihm darüber sprechen sollen. Stattdessen hat er jahrelang gelitten und tut es noch.

Ich kann nur hoffen, dass ich meine Fehler wieder gutmachen kann. Dass ich ihm zur Seite stehen kann, wenn er versucht, die Dinge mit seiner Familie zu bereinigen. Ich möchte ihm eine Stütze sein und meinem Platz gerecht werden.

Mein Blick gleitet durch sein Zimmer und ich entdecke Scherben auf dem Boden, die das Licht des Mondes spiegeln. Vorsichtig stemme ich mich nach oben und krabble vom Bett, nicht, ohne einen prüfenden Blick in seine Richtung zu werfen.

Er dreht sich auf den Rücken, als ich mich nach den Scherben bücke. Vorsichtig lege ich die größeren in meine Hände. Die anderen werden warten müssen, bis Aspen aufgestanden ist und ich das Licht bedenkenlos anschalten kann. Es wäre vermutlich ratsamer, einen Staubsauger nach dem Rest suchen zu lassen, um zu vermeiden, dass sich einer von uns doch schneidet.

Kleine, geduckte Schritte wage ich, um so viele Scherben wie möglich entdecken und aufsammeln zu können. Erst ein leises Räuspern lässt mich innehalten und aufsehen.

Aspen hat sich aufgesetzt, reibt sich mit der Hand über die müden Augen und richtet den Blick dann auf die Matratze. Als er bemerkt, dass der Platz neben ihm leer ist und nur ein zerknittertes Lacken auf meine vorherige Anwesenheit hinweist, fällt ein deutlicher Schatten über sein Gesicht.

»Ich bin hier«, flüsterte ich in die Dunkelheit.

Das gebrochene Glas wiegt schwer in meiner Hand und gibt seine Kälte an meine Haut ab. Ein Schauer jagt über meinen Rücken und ich richte mich auf, sodass er mich zwischen den dunklen Möbeln wahrnehmen kann. Ich lege die Scherben provisorisch auf seinem Schreibtisch ab und laufe dann auf Zehnspitzen zu ihm. Gerne möchte ich verhindern, dass er aufsteht und sich womöglich verletzt. Es genügt, dass eine Person wie auf rohen Eiern durch das Zimmer laufen muss.

»Ich dachte, du wärst gegangen«, haucht er. Seine Stimme ist belegt, was mich in meiner Annahme bestätigt, dass er geschlafen hat.

Der Ansatz eines Lächelns wird auf meinen Lippen sichtbar und ich trete bis zum Rand des Bettes an ihn heran. »Du hast so friedlich geschlafen. Es war zu schön, dir dabei zuzusehen.« Erwidere ich scherzhaft, woraufhin er schmunzelnd die Augen verdreht. Ich könnte es gedanklich bei der Antwort, die mir viel zu schnell über die Lippen gekommen ist, belassen. Allerdings beschäftigt mich, wie ernst ich sie gemeint habe. Ich habe ihn nicht nur aufziehen wollen, sondern es ehrlich genossen, ihn ungeniert beobachten zu können.

Ich strecke blind die Hand aus und lege sie auf seine Wange, um mit dem Daumen über die empfindliche Haut zu streichen. Erst, als er sich unter meiner Berührung versteift und sein Atem nicht länger auf meinen Arm trifft merke ich, wie selbstverständlich ich diese Geste ausgeführt habe.

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