Chapter 2

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- Changbin -

Sobald ich meine Wohnung aufschloss, merkte ich sofort die Einsamkeit, die sich in Form meines schweren Herzens bemerkbar machte. Ich ließ meinen Rucksack achtlos im Flur neben meinen Schuhen fallen, die ich einfach in die Ecke geschleudert hatte. Ich schaltete das Licht im Wohnzimmer an und ließ mich auf dem Sofa fallen, fing an den schwarzen Bildschirm des Fernsehers anzustarren.

Ich wollte ihn anschalten und damit die Stille in meinem Kopf vergessen, aber je länger ich dort saß und starrte, desto weniger Kraft hatte ich um nach der Fernbedienung zu greifen. Meine Augen wollten Zufallen, aber ich hielt mich davon ab in den Schlaf zu fallen. Wooyoung würde sofort vor meinem geistigen Auge auftauchen und diesem Schmerz, der mir nochmal vor die Nase hielt, wie scheiße ich doch eigentlich war, wollte ich entgehen.

Also stand ich doch auf und öffnete den Kühlschrank, der seit Tagen nicht mehr richtig aufgefüllt wurde. Ich griff mir eine der Redbull Dosen, die in der Tür standen. Bis auf eine Butter- und eine schon hart gewordene Käsepackung, herrschte in dem Kühlschrank gähnende Leere. Jetzt schaffte ich es auch nach der Fernbedienung zu greifen, die auf dem Fernsehschrank lag.

Ich schaltete den Fernseher an, zappte durch die verschiedensten Sender und blieb bei einem stehen, den ich sonst nie schaute. Ich wollte Netflix nicht anschalten, meine Watchlist bestand aus Serien, die ich mit Wooyoung geschaut hatte und trotz der Tatsache, dass wir beide getrennt waren, fühlte ich mich so, als würde ich ihn hintergehen, sollte ich etwas ohne ihn weiter sehen.

Etwas neues wollte ich aber auch nicht anfangen, allein Netflix zu öffnen brach mir förmlich das Herz. Ich wollte diese Watchlist nicht sehen, nichts davon. Nichts, was mich an Wooyoung erinnerte und gleichzeitig wollte ich ihn nicht vergessen. Ich hasste mich dafür, nicht loslassen zu können. Ihn immer noch so zu lieben war eine Qual und jeden Tag hoffte ich, dass diese weniger wurde.

-

Als ich meine Augen wieder öffnete, griff ich nach meinem Handy welches sich irgendwie in die Ritze meines Sofas verkrochen hatte. Es war kurz nach Sechs Uhr morgens. Ich hatte wieder nur zwei Stunden geschlafen, dann hatten mich meine Träume aufgeweckt. Mich wieder glücklich neben meinen Ex zu sehen, war nicht gut für mich. Nicht, wenn ich noch nicht losgelassen hatte.

Ich stand auf und während die Kaffeemaschine lief, sprang ich schnell unter die Dusche. Das kalte Wasser fühlte sich so gut auf meiner Haut an, ließ mich wieder wacher werden und mich auch sauberer fühlen. Seit ich meinen Körper irgendwie in den Überlebensmodus gebracht hatte, fühlte ich mich permanent schwach und ungepflegt. Ich schaffte es trotzdem nicht, mich dieser Schwäche hinzugeben.

Mein erster Kurs war erst um Neun Uhr, weswegen ich noch ziemlich viel Zeit hatte. Trotzdem entschloss ich mich dazu, gegen Acht schonmal das Unigelände zu betreten. Das war viel besser, als in der Stille meiner Wohnung einzugehen. Ich betrat die Cafeteria und tatsächlich saßen dort alle meiner Freunde - ein selterner Anblick - und frühstückten gemeinsam. 

"Oh Binnie-Hyung, du bist schon hier?" grüßte mich Seungmin mit einer Frage. Er lächelte mich freundlich an, wirkte dabei wie ein Golden Retriever und nahm seine Tasche vom Stuhl neben ihn, damit ich mich da hinsetzen konnte. Ich nickte: "Hier habe ich wenigstens kein schlechtes gewissen nur rum zu sitzen."

Ich wollte scherzhaft wirken, merkte allerdings wie Kaputt die Worte eigentlich über meine Lippen kamen. Sobald ich mich hingesetzt hatte, schob mir Minho, der gegenüber von mir saß, wortlos sein Tablett entgegen. Er wollte das ich etwas zu mir nahm. "Ich habe tatsächlich heute morgen was beim Bäcker geholt." log ich, was wohl nicht wirklich auffiel, da ich meine Emotionen kaum noch verstellen konnte und immer Kaputt wirkte. Ich schob das Tablett wieder zurück. Jisung seufzte, dieser saß neben Minho und fuhr durch seine schwarz gefärbten Haare. Er wollte etwas neues ausprobieren, aber etwas was weniger auffallend war als Chans Veränderung, der hier mit blonden Haaren saß. Dies stand ihm aber ausgezeichnet gut.

"Sag mal Changbin, wollen wir am Wochenende eine Lern-Session starten? Du kannst da ja bei mir übernachten, dann können wir bis in die Nacht Lernen." fragte Hyunjin und auch wenn wir tatsächlich für unseren gemeinsamen Kurs lernen mussten, wusste ich, dass er mich nur zum Schlafen bringen wollte.

Ich verstand irgendwie die Sorge meiner Freunde, wenn es um meine Gesundheit ging, aber es nervte mich trotzdem, dass sie sich alle, trotz meiner bitte es nicht zu tun, einmischten - jetzt nur unauffälliger als sonst, es fiel mir trotzdem auf. "Lernen können wir gerne, aber über Nacht kann ich nicht bleiben. Ich treffe mich Samstag morgen mit jemanden aus meinem Literatur Kurs." antwortete ich, woraufhin wieder ein Seufzen von Jisung kam.

Ich griff nach meinem Handy, anstatt auf Jisungs offensichtlichen Gefühlsausbrüchen zu reagieren und öffnete Instagram um meine Gedanken darauf zu fokussieren. Jeongin lenkte das Thema auf sich. Er war der jüngste von uns und trotzdem nahm er am meisten Rücksicht auf meine bitte. Selbst Minho, der nicht viele Emotionen kannte, hatte sich schon eingemischt, dabei waren seine Katzen und Jisung meist die einzigen Wesen in seinem Leben, denen er Gefühle mitteilte.

"Hey Leute, kann ich mich dazu setzen?" Ich zuckte zusammen, sobald ich Felix tiefe Stimme hörte und schaute einmal auf. Er war etwas dunkler geworden, seine Sommersprossen die ihn immer so süß machten, hatten sich vermehrt und das Lächeln auf seinen Lippen erinnerte mich an die Tage in unserer Kindheit zurück. Er hatte seine Haare Lang wachsen lassen. Nicht so lang wie Hyunjins, aber die braunen Haare fielen schon auf seine Schultern. Er trug einen Hoodie, der etwas zu groß war. Ihn hier wieder in Person vor mir zu sehen, war schön und gleichzeitig schmerzlich. Sobald er seinen Blick zu mir drehte, schaute ich zurück auf mein Handy, ich mied den Blickkontakt.

"Na klar, es ist doch auch dein Tisch. Nur weil du im Ausland studiert hast, bist du hier nicht weniger willkommen." Chans freundliche Stimme hieß Felix willkommen. Ich hätte niemals gewollt, dass die anderen sich von ihm abwendeten, aber trotzdem verletzte mich das alles. Vielleicht lag es auch an meiner momentanen Situation, aber alles schien in letzter Zeit zu schmerzen.

"Ich beneide deinen Teint, wieso bist du so gebräunt?" Ohne meinen Blick zu heben, hörte ich Hyunjins Schmollen. Ich hatte sein Gesicht vor Augen, diese trüben Augen und seine untere Lippen die sich vor schob. Felix fing an zu lachen und mein Herz blieb kurzzeitig stehen.

Wie lange hatte ich dieses Lachen nicht mehr gehört?

GLOW // Changlix ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt