Chapter 39

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- Changbin -

Ich hatte das Gefühl seit ewigkeiten wieder atmen zu können, trotz des Scherbenhaufens, der mein Freundeskreis nun war. Ich bekam es auf die Reihe meine Wäsche auszusortieren und neue zu bestellen, damit ich nicht weiterhin mit Löchern in den Socken und ungemütlichen Hosen rumlaufen musste.

Selbst meinen Redbull-Konsum konnte ich runterschrauben und seit Monaten stand ich wieder in der Küche und kochte, bediente somit mehr als nur meinen Ofen.

"Wow, bist du Krank oder so?" Minho schaute mich fast schon angeekelt an. In der Hand hielt er einen Haustürschlüssel zu meiner Wohnung, den ich ihm vor einigen Tagen gegeben hatte und den er nun auch nutzte, um in meine Wohnung zu kommen.

Ich lachte und streckte ihm den Mittelfinger entgegen: "Ich habe ewigkeiten nicht mehr gekocht, wurde langsam wieder Zeit."

"Scheiße, ich heule gleich. Du Pisser bist wieder zurück, kann das sein?" Minho lächelte mich an. Nicht wirklich breit, aber seine Augen leuchteten tatsächlich etwas feucht. Ich lachte weiter, um keine emotionale Stimmung zwischen uns zuzulassen, die vielleicht die Heiterkeit nehmen könnte, die gerade in mir herrschte.

"Du kannst mal das Öl aus dem Schrank holen." Ich zeigte auf einen Schrank, der über der Arbeitsfläche hing und der nun tatsächlich mit mehr als einem abgelaufenen Apfelwein-Dressing gefüllt war. Minho reichte mir die Flasche: "Ich verhungere fast, das riecht wie im Paradies."

Während Minho in den Kochtopf reinlinste und den Geruch des Gemüses einatmete, schmiss ich die gewürzte Zucchini in die Pfanne und lies die einzelnen Stücke im Öl brutzeln. Weder Alkohol, noch Red Bull war in unseren Gläsern, sondern Wasser und Cola.

"Du musst die Frage nicht beantworten und kannst sie einfach ignorieren, aber wie läuft die Wohnungssuche." Ihm war bewusst, dass ich in den letzten Monaten nicht wirklich nach Wohnungen ausschau gehalten hatte und dies nur als Vorwand nahm, nicht vollkommen der Depression verfallen zu sein. Obwohl keiner von uns oder den anderen im Freundeskreis jemals das Wort ausgesprochen hatte.

Aber am Ende war ich wahrscheinlich genau das. Depressiv. Weil ich mich den negativen Gedanken nicht nur hingab, sondern mich gänzlich von ihnen fressen ließ. "Nein," sagte ich "aber ich hatte einen Termin bei einer Therapeutin." Ich konnte Minho nicht anschauen, während ich diese Worte von mir ließ. Diesen Schritt hätte ich wahrscheinlich niemals getätigt, wenn mir nicht bewusst gewesen wurde, wie sehr ich unter der Beziehung zu Felix litt.

Ich hörte den Löffel auf die Arbeitsplatte fallen, mit dem Minho eben noch etwas aus den Topf zu stibitzen versuchte.

"Du warst was?" Minhos Stimme zitterte nie, eigentlich konnte er nur wenige Emotion stimmlich darstellen, aber diesmal zitterte er bei seinen Worten. Als ich zu ihm schaute, standen tatsächlich Tränen in seinen Augen, die mich gleich mitrissen. Er zog mich an seine Brust und das erste Mal weinten wir zusammen. Vor Freude.

-

Eine Sache, die ich noch immer nicht wirklich hinbekam, war die Wohnungssuche. Ich schaute mir gelegentlich einige Seiten an, aber wirklich jemanden zu Kontaktieren schaffte ich nicht. Allein die Vorstellung einen ganzen Umzug zu organisieren, war schon stressig genug, um mich davon abzubringen.

"Changbin, du solltest Minho um Hilfe bitten. Er scheint eine gute Stütze für dich zu sein und die sind enorm wichtig in schweren Phasen." Hatte Soejin gesagt, als ich das zweite mal bei ihr auf der Couch saß und mich jemanden anvertraute. So richtig, während ich tatsächlich erzählte wie ich mich fühlte. Statt Gut oder geht so, verließen Worte wie Ermüdend oder Verloren meine Lippen.

Ich meldete mich aber nicht nur bei Minho, der für mich wahrscheinlich auch seine Schicht in der Bar abgesagt hätte, sondern schrieb in unserer Gruppe. Die Angst alle zu verlieren war großer, als die Angst mich als erstes in der Gruppe zu melden. Felix war ebenfalls in der Gruppe, aber ich kam damit klar. Er konnte wissen, dass ich umziehen möchte. Dass ich raus aus der Wohnung und aus seiner Gegend wollte.

Keine zwei Minuten später entstand eine Diskussion in der Gruppe:

Hyunnie
Bin, ich würde für dich durch die Hölle gehen, aber ich bin gerade in Paris. Ich führe gerne Telefonate, aber zu Besichtigungen kann ich leider nicht kommen. Zumindest nicht in den nächsten 3 Wochen.

Minnie
Wtf machst du in FRANKREICH?

Für dich mache ich alles, Binnie-Hyung. Ruf an und ich komme vorbei

Minhoo
Fick dich für die Frage, natürlich helfe ich? Ich lasse meinen besten Freund nicht in eine schimmelige Wohnung mit kaltem Wasser ziehen

Danke, das du mir so viel zutraust

Jisung-ah
"Bester Freund" - ich weine nicht, das seid ihr!

Channie
Ich bin auch dabei - die Tränen sind Einbildung

Minnie
??????
Habt ihr gesoffen, keiner sieht eure Tränen

Minhoo
Du weinst auch, habe ich recht?

Minne
"Fick dich für die Frage"

Hyunnie
HAHAHHA Paris ist die Stadt der Liebe, Tränen sind hier Kultur. Klingt nach toxischer Männlichkeit, Tränen zu unterdrücken whoopsie

Minhoo
Bleib einfach in Paris

Hyunnie
Ich habe dir hier eine Hose gekauft, auf der eine Katze den Mittelfinger zeigt. Die verbrenne ich jetzt!

Ich liebe euch.
Wirklich.
Danke.
Für alles.

Jisung-ah
Hör auf! Ich will nicht weinen!
Fick deine toxische Männlichkeit, ich bin auf einem Geburtstag und trage Make-Up!! @Hyunnie

Hyunnie
Oh.
Smash.

Min
Hast du gerade geflucht?

Minhoo
Wir lieben dich auch Changbin, war schon immer so.
Sag uns bescheid und wir stehen bereit vor deiner Tür!

-

Mir fiel auf, dass Jeongin sich enthielt. Ich konnte sehen, dass er die Nachrichten gelesen hatte, aber Antworten tat er nicht. Hyunjin und er stritten oft, aber diesmal schien es eskaliert zu sein und ich gab mir die Schuld. Ich hatte damals alles versucht, damit die Situation zwischen Felix und mir nicht im  kompletten Freundeskreis Platz einnahm, aber diesmal war es unmöglich die Türen geschlossen zu halten.

Seufzend schloss ich mein Handy und öffnete meine Laptop, um nach Wohnungen zu suchen. Wie jedes Mal, aber diesmal wollte ich welche Kontaktieren, tatsächliche Termine vereinbaren und mich nicht weiter in einer Wohnung aufhalten, die sich schon lange nicht mehr wie ein zu Hause anfühlte. Bei dem Gedanken nach Heimat, dachte ich an meine Eltern, die einfach nur wissen wollten, wie es mir ging und die ich trotzdem ignorierte, als wäre es weitaus mehr als das.

Schritt für Schritt, sagte meine Therapeutin. Mich zu stressen würde die Situation für mich nur schlimmer machen.

Ich überlegte sie anzurufen und das Gespräch am Telefon zu führen, welches unbedingt geführt werden musste. Zögernd blickte ich auf den schwarzen Bildschirm meines Handys. Morgen, sagte ich mir. Morgen würde ich mich melden und diesmal klang dieser Gedanke nicht wie eine Ausrede um mich besser fühlen zu können.

GLOW // Changlix ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt