Chapter 36

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- Felix -

Wäre Lina nicht da, hätte ich mich wahrscheinlich nicht aus meinem Bett bewegt. Wahrscheinlich wäre ich lediglich fürs Essen aufgestanden, aber Lina zog mich einfach auf die Beine, warf mir Klamotten gegen den Kopf und gab mir ein Zeitlimit von 15 Minuten.

Jetzt saß ich hinterm Steuer unseres alten Hyundais und folgten den Anweisungen meiner Cousine. Auto zu fahren vermisste ich enorm, aber sich in Seoul ein Auto zuzulegen, war eine unnötige Verbrauchsquelle. Die Öffentlichen Verkehrsmittel waren in dieser unendlich vollen Stadt viel besser als der Straßenverkehr.

"Jetzt Links." sagte Lina, der Akzent in ihrer Stimme war genau so gerne zu hören, wie Meeresrauschen. Ich setzte den Blinker und fuhr nach Links. Ich kannte Sydney gut, besser als ich Seoul kannte. Deswegen ahnte ich schon, wohin Lina mich führte, schwieg allerdings.

Ich erhöte das Tempo, als wir auf eine Landstraße fuhren, um die nächste Stadt ausfindig zu machen. Wollongong. In Sydney zu surfen ist toll, durch die ganzen Touristen aber eher schwierig geworden. In Wollongong waren zwar auch Touristen, aber die meisten waren tatsächliche Sufer. Ich liebte diese Stadt, nicht ganz so sehr wie Sydney, aber sie war sehr nah dran. Wir fuhren noch eine knappe halbe Stunde und dann sah ich das Meer vor mir. Lina hat mir ab einem bestimmten Zeitpunkt die Streckenplanung überlassen - Sobald uns beiden bewusst war, dass ich das Ziel erahnt hatte.

Ich war viel öfters in dieser Stadt als sie. Habe mich hier in den Wellen versteckt. Die Wellen, die einem das Gefühl von Freiheit geben konnten.

"Und? Bist du mir immer noch böse, weil ich dich aus dem Bett gezogen habe?" Auf Linas Lächeln war ein so breites Lächeln, dass es keinen Platz für negativität gab. Ich erwiederte es: "Danke."

"Na komm, die Wellen warten nicht auf uns." Lina stieg aus dem Auto aus und holte die Surfbretter vom Dach, während sie mich anwies, die von ihr gepackten Taschen aus dem Kofferraum zu holen. Neben unseren Neoprenanzügen, konnte ich Snacks und Getränke ausfindig machen, die aus den offenen Taschen rausragten.

Die Luft roch nach Salzwasser und der puren Natur, anders als Südkorea. Dort musste man sich mit Abgasen und Fischgerüchen zufrieden geben, die sich mit dem Rauch der vielen Zigaretten zusammensetzten, die dort verbraucht wurden.

Sobald ich mich vergewissert hatte, dass Auto wirklich abgeschlossen zu haben, folgte ich meiner Cousine den Steg runter an den Strand. Durch meine Sneaker konnte ich den Sand noch nicht richtig spüren, aber allein darüber zu laufen, machte mich glücklich. Die Muscheln und Algen, die an den Strand gespült wurden wurden von Kindern gesammelt und für das Bauen von Sandburgen genutzt. Wir suchten uns einen Platz und legten die Handtücher über unsere Taschen, ehe wir in die Neoprenanzüge schlülpften und uns gegenseitig mit der Picknickdecke von anderen Strandgästen abschirmten.

Lina öffnete etwas Wachs und wir rieben unsere Surfbretter damit ein, danach uns selbst mit Sonnencreme und liefen mit den Brettern auf das weite, blaue Meer zu. Vorbei an Familien, die mit Sand spielten oder am Anfang des Wassers standen. Einige sonnten sich bei den hohen Temperaturen oder aßen Eis in den Strandkörben.

Sobald das Wasser meine Füße und dann meine Waden umschloss, wurde mein Lächeln auf den Lippen breiter. Ich ließ mein Surfbrett aufs Wasser gleiten und legte mich mit der Brust nach vorne drauf. Lina tat es mir gleich und wir ruderten mit unseren Händen auf die kommenden Wellen zu, wurden immer wieder etwas nach hinten getragen und mussten uns gegen den Strom kämpfen, den die Wellen mit sich brachten.

Lina stieg als erstes auf ihr Surfbrett und versuchte die kommende Welle zu reiten, hatte aber zu spät den Halt gefunden und wurde vom Brett geworfen. Als ihr Kopf wieder auftauchte, lachte sie schallend und ich tat es ihr gleich. "Fuck." rief sie lachend und hievte sich wieder auf das Brett, ruderte dann neben mir her.

Ich stellte mich auf das Sufbrett, blieb aber noch in der Hocke und hielt mich an den Seiten des Brettes fest, bis die nächste Welle vorbei war. Dann stellte ich mich aufrichtig hin und ließ eine weitere Welle auf mich zu kommen.

Ich fand den Halt und ließ mich von der Welle tragen, riss das Brett mit meinen Füßen zur Seite und fuhr seitlich die Welle entlang, bis sie abklang und immer kleiner richtung Strand zuging. Das Gefühl in meinem ganzen Körper war pure Freude und Freiheit.

Während ich wieder nach vorne schwamm, ritt Lina die kommende Welle und wurde zu mir getragen. Als ich bei ihr ankam, lächelte sie mich breit an. Wir nickten uns grinsend zu und näherten uns zusammen der kommenden Welle, die in der Höhe die anderen Wellen übertraf. Mein Herz war voll von Adrenalin, trotzdem war ich ruhig, als ich auf das Surfbrett stieg und der Welle entgegen kam.

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Ich griff nach einem weiteren Lamington und steckte mir den Kuchen in den Mund. Lina öffnete währenddessen eine Packung mit Anzac Biscuits und roch an der Packung: "Herrlich, die besten Kekse auf der Welt."

Mit vollem Mund nickte ich ihr zustimmend zu. Inzwischen hatten wir unsere Neoprenanzüge gegen normale Badekleidung ausgetauscht und ließen die Sonne auf unsere Haut prallen. Linas dunkle Haut betonte den Gelben Bikini auf eine atemberaubende Art und Weise.

Ich ließ mich nach hinten auf mein Handtuch fallen und gab mich der Sonne hin. Lina legte sich auf den Bauch und griff nach ihrem Handy. "Troye Sivan oder Tom Holland?" fragte sie nach einiger Zeit der Stille.

"Hm?" machte ich verwirrt.

"Wenn du dich zwischen einen von ihnen entscheiden müsstest. Troye oder Tom?" Ich konnte Lina nicht sehen, hatte meine Augen geschlossen, konnte mir aber ihren kurzen Seitenblick zu mir vorstellen, während sie auf ihrem Handy irgendeine Instagram Umfrage offen hatte.

"Das ist Unfair." gab ich nüchtern von mir "Troye ist Schwul und Australier, aber Tom ist so eine Green Flag und Spiderman."

"Und der britische Akzent ist süß." gab Lina hinzu, die sich offensichtlich entschieden hatte. Ich lachte: "Der australische ist es nicht?" In meiner Stimme schwang der Akzent nun übertriebener mit, als er sonst in meiner Sprache auffiel.

Ich hatte den Schlag nicht kommen sehen und spürte ihn erst, als er meine Schulter traf. Lachend rollte ich mich zu Seite, wurde dann aber Still und schaute meine Cousine an: "Danke, dass ich etwas abschalten konnte."

"Gerne doch." Ihre Lippen lächelten noch immer, aber in ihren Augen konnte ich Mitleid sehen. Wie es mich an sich zog und Changbin zurück in meine Gedanken holte. Ich seufzte: "sollte ich ihm schreiben?"

Lina wusste sofort was ich meinte, ihr Lächeln schwächte nach meiner Frage ab. "Anrufen wäre vielleicht besser." sagte sie vorsichtig und strich mit ihren Gelnägeln über meinen Arm. Ich nickte und drehte mich zurück auf den Rücken. "Ja, vielleicht." murmelte ich und dachte an die Instagram Story von Wooyoung zurück, die Changbin in seiner eigenen Repostet hatte und auf der er lachend neben San saß. Ich war am Strand und trotzdem hatte ich das Gefühl in den Wellen ertrunken zu sein.

GLOW // Changlix ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt