Chapter 30

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- Felix -

Es waren einige Tage vergangen, seit dem ich erfuhr, dass ich Changbins Herz gebrochen hatte. Ich.

Ich selbst wusste, wie grausam das war. Dieser unerträgliche Schmerz, der einem die ganze Welt in ekligen Grautönen präsentierte. Ein gebroches Herz nahm jegliche Farbe aus dem Leben eines Menschens. Ich fühlte mich wie das Monster unter dem Bett: Changbin lag schon am Boden und ich hatte trotzdem zugetreten.

Seit ich wusste, dass Changbin wegen mir wieder in dem Zustand einer leeren Hülle war, stand ich mehrfach vor seinem Wohnungsblock. Ich stand da und starrte auf die Tür, konnte mich dieser aber nie weniger als 50 Meter nähern. Mein Puls stieg jedes Mal in die Höhe, sobald die Tür sich öffnete und katapultierte mich hinter irgendwelche Autos. Es war nie Changbin, der aus der Tür trat und trotzdem versteckte ich mich solange, bis die Person weg war. Als wäre ich Kriminell. Vielleicht war ich es. Ich verletzte Menschen und nun beobachtete ich sie schon aus der Ferne wie ein gottverdammter Stalker.

Eigentlich sollte doch jetzt alles gut sein, oder?

Ich lief zu Changbin, sagte ihm dass ich gelogen hatte und ihn liebte und er küsste mich genauso, wie auf dieser verfluchten Party - Gab mir das Gefühl, dass es nur uns beide auf dieser verfluchten Welt gab. Aber so war es nicht.

Das hier war kein Märchen, in dem nach dem Kuss das Happy End an der Tür klopfte. Das hier war die Realität. Eine Realität in der zwei gebrochene Seelen sich vielleicht liebten, aber nicht für einander geschaffen waren.

Wir hatten einander verletzt, wir hatten einander gebrochen und wir mieden den anderen, als wäre er Unsichtbar. Ich hatte das Gefühl, dass Changbin und ich in unterschiedlichen Büchern lebten. Wir hatten nicht das Recht dazu auf den gleichen Seiten niedergeschrieben zu werden.

In meiner Wohnung war es kalt, trotz der hohen Temperaturen, die das Wetter versprach. Es war Kalt, weil in einer Welt ohne Changbin immer Winter herrschte. Kein schöner Winter mit glitzerndem Schnee und niedlichen Schneemännern. Sondern ein Winter der Kahl und Grau war: blätterlose Bäume, deren kahle Äste sich nach einem ausstreckten und in die Hölle ziehen wollten. Dort war es wenigstens nicht mehr Kalt.

In meiner Wolldecke gewickelt, saß ich auf dem Sofa und schaute einen Horrorfilm, weil jede Liebesbeziehung mich seelisch verprügeln würde. Das Wasser der Dusche war kochend heiß, der Schmerz tat gut, zeigte mir, dass ich noch lebte. Ich fühlte mich ebenfalls wie eine leere Hülle und verstand nun wirklich den Changbin, der mir vor wenigen Monaten das erste Mal seit Jahren wieder gegenüber stand.

Changbin ging wieder zur Uni. Ich nicht. Ich versteckte mich in meiner Wohnung. Ich wusste, dass ich in Tränen ausbrechen würde, wenn ich Changbin in die Augen blicken würde. Wenn ich die endgültige Realität sehen würde. Das Ende, bevor es überhaupt einen Anfang gab.

Mein Handy war voll mit unbeantworteten Nachrichten meinerseits. Chan, der sich selbst zu mir einlud. Seungmin, der mir die Unterlagen aus dem Englisch Kurs schickte und Jisung, der mich mehrfach fragte, ob ich auch etwas gegessen hatte.

Auf Instagram schrieben mir fremde Accounts, laut einigen Nachrichten die ich anfangs noch überflogen hatte, waren die meisten in gemeinsamen Kursen oder studierten ebenfalls Englische Literatur. Viele sagten mir, dass sie 'auf meiner Seite waren', dabei wäre meine wohl die Seite der Verlierer, wenn es überhaupt Seiten geben würde. Die es absolut nicht gab und was auch absolut lächerlich wäre. Denn wer zur Hölle waren diese Menschen, dass sie sich das Recht nahmen sich einmischen und Verurteilen zu können? Ich kannte kaum ein Gesicht, als ich auf die Profile der Personen gegangen war.

Trauer, Einsamkeit und Wut suchten mich abwechselnd Heim, manchmal klopften sie auch wie alte Bekannte gemeinsam an meiner Tür und warfen mich zurück in den Tsunami, aus dem ich versuchte zu entkommen.

Ich bemitleidete mich so sehr, dass die Tränen unaufhaltsam über mein Gesicht liefen und eine brennende Spur aus Scharm und Selbsthass hinterließen. Irgendwann, als ich das ganze so leid war, schlief ich vor Erschöpfung ein.

-

- Changbin -

Felix fehlte mir. Ich fühlte mich an den Tag zurück versetzt, an dem er das Land verließ und nach Australien zog. Das selbe Loch aus Sehnsucht und Einsamkeit machte sich wieder bemerkbar und anstatt zu fallen, wollte ich freiwillig springen. Ich wollte lieber gleich am Boden sein, statt wieder das gleiche durchmachen zu müssen wie vor zwei, fast drei Jahren. Seit einigen Monaten war Felix wieder hier, das erste Semester war fast um. Das erste Semester, in dem Felix wieder zurück aber kein Teil in meinem Leben war. Die Semesterferien standen an und ich wusste, wenn ich vorher nicht mit Felix sprach, würde alles verloren sein. Dann gab es kein uns mehr.

Und das würde mich seelisch umbringen. Ohne Felix war ich der Karton, aber nicht das Puzzle selbst.

"Du hast dich dazu entschieden Lehramt zu studieren, Seungmin. Also beschwere dich nicht über das Praktikum." Hyunjin klang wie ein Vater, der die Emotionen seines Kindes nicht verstand. Jeongin warf ihn sogar einen merkwürdigen Blick zu, weil die Worte nicht zu dem Jungen passten, der sich selbst über ein dämliches Buch beschwerte, welches er für einen Kurs lesen musste.

"Ich habe kein Problem mit einem Praktikum, aber warum zur Hölle muss es in den Semesterferien sein?" Seungmin ließ seinen Kopf auf seine Handfläche fallen und starrte müde in den Americano vor seiner Nase. Tiefe Augenringe zierten die Gesichter von jedem von uns. Die Prüfungen standen an und egal wie sehr ich sie verdrängen wollte, sie zerrten extrem an meinen nerven.

"Du bist wenigstens an einer weiterführenden Schule. Ich bin in einer Grundschule und habe jetzt schon Angst vor den Kindern." Jisung scherzte und entlockte mir ein kleines Lachen. "Wenn man nicht mit der Schule abschließen kann, muss man sich nicht beschweren." stichelte Jeongin, seine Hand verschwand unter dem Tisch um die von Hyunjin zu halten.

Jisung schnaubte: "Ich hoffe du wirst ein guter Anwalt, damit ich meine Schulkinder verklagen kann, sollten die sich daneben benehmen." und diesmal lachten wir alle.

"Ich lasse die letzten zwei Kurse ausfallen. Zeichnen und Fotografie sind meine stärksten Fächer und ich muss noch an meinem Projekt für Grafikdesign arbeiten." Hyunjin schnappte sich den Americano vor Seungmin und trank einem Schluck. Keiner von den beiden sagte etwas und das allein zeigte schon, wie Müde sie waren.

"Ich komme mit." sagte Jeongin gähnend "Dann kann ich nochmal die letzten Gesetztestexte und Fallbeispiele durchgehen." Ich war mir nicht sicher, ob die beiden das ernst meinten oder einfach Zeit für sich brauchten. Seungmin lächelte die beiden auf eine doppeldeutige Art an, aber sagte nichts dazu.

"Du solltest auch gehen." sagte Minho, sein Blick lag auf mir. Stechend und fordernd. Verwirrt musterte ich ihn: "In der Bibliothek kann ich besser lernen als zu Hause." Weil meine Wohnung Albträume hervorbrachte und ich es leid war mit denen zusammen zu leben.

"Nicht nach Hause. Zu Felix." sagte Minho, weil auch er das uns zwischen Felix und mir zurück wollte.

GLOW // Changlix ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt