Chapter 42

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- Changbin -

Jeongin war nicht da. Hyunjin schaute sich im Raum um, anstatt irgendjemanden von uns anzuschauen und machte störende Geräusche mit dem Mund, die als einziges die Stille füllten, die sich schwer im Wohnzimmer von Minho und Jisung anfühlte. Keiner schaute hier irgendjemanden an. Ich blickte vorsichtig zu den anderen.

Jisung hielt Minhos Hand in seiner und spielte mit seinen Fingern, um einerseits sich selbst vor der Nervosität zu schützen und andererseits um Minho zu beruhigen.

Chan war die Panik anzusehen. Die Angst, dass sein wichtigstes Umfeld, seine Familie, in Scherben liegen bleiben würde. Dass es nie wieder so wie früher sein würde. Eigentlich waren wir uns doch alle bewusst, dass es kein Früher mehr gab, oder? Wir mussten uns damit abfinden, dass wir uns alle verändert hatten.

Ich dachte an Jeongin, der sich früher immer still daneben gesetzt hat und schnell weinte. Heute bietete er uns allen die Stirn und setzte sich für die Ungerechtigkeit ein - vor allem in unserem Kreis.

Seungmin, der sich hinter seiner Hand versteckte und sein Lächeln hasste. Der sein Selbstbewusstsein vermisste und sich immer hinter Komplimenten uns gegenüber versteckte. Wenn ich Min heute ansah, sah ich jemanden der sich seiner eigenen Präsenz bewusst war. Er war niemand, der sich gerne in den Mittelpunkt stellte, aber heute lag es an seinem Charakter, nicht an seiner Angst.

Ich dachte an Jisung, der mit Angstzuständen in unsere Gruppe kam. Der sich an jede Person geklammert hatte, die ihm das Gefühl von Sicherheit gab. Heute war er unserer Sicherheit, konnte Ruhe auslösen und war vor allem für Minho ein Anker, der ihn aus einem Sturm ziehen konnte.

Ich schaute Minho an. Früher hatte Minho keine Emotionen gezeigt, lediglich mal geschmunzelt wenn er etwas witzig fand, aber nie wirklich jemanden an sich ran gelassen. Der Minho, den ich nun kannte, ließ Gefühl nicht nur zu, er erschaffte sie und sah sie bei anderen, bevor man sie selbst sah.

Hyunjin war schon immer impulsiv. In der Schule verlor er oft die Kontrolle und hatte sich mit vielen Mitschülern gestritten. Chan und ich mussten ihn öfters vor Dummheiten abhalten. Heute waren seine Worte noch immer mit Impulsivität zu verbinden, aber seine Taten waren es nicht. Nicht auf eine gewalttätige Art anderen gegenüber.

Chan saß neben mir. Von all den Menschen in diesem Raum, war er am zerbrechlichsten. Aber auch am stärksten, weil er mehr aushielt als für einen Menschen tragbar war. Auch er war über sich hinausgewachsen. War von dem Jungen, der sich immer anpassen wollte, zu einem geworden, der ganze Armeen führen konnte. Chan war jemand, der mit bloßen Worten die Welt besser machte.

Felix trat in den Raum, seine Beine zitterten leicht. Bei ihm konnte ich keine Veränderung sehen, die gerade hier Präsenz nahm. Er war sanfter geworden, vorsichtiger und achtete nun auf seine Worte, früher hatte er mehr gesagt. Aber darum ging es in Veränderungen auch nicht. Er änderte sich auf eine Art und Weise, die ihn selber mehr in den Fokus holte. Denn neben Chan hatte auch Felix sich oftmals vernachlässigt um für andere da zu sein.

"Hi." flüsterte er mir zu und ließ sich vorsichtig neben mich nieder. Wir beide berührten uns kaum - aus Angst, jemand würde das vor dem eigentlichen Problem thematisieren. Obwohl wir der Auslöser waren.

"Kommt Jeongin noch?" fragte Jisung an Hyunjin gewandt. Dieser zuckte mit den Schultern: "Keine Ahnung, wir sind nicht mehr zusammen."

Seungmin, der sich bisher auf sein Handy konzentriert hatte, verschluckte sich an seinem Getränk. "Was?" hustend stellte er diese Frage. "Scheiße, geht es dir gut?" fragte dann Minho.

"Wir haben uns ständig gestritten, es hätte sowieso nicht lange funktioniert. Es ist besser so, wir sind zu gegensätzlich." Hyunjin wirkte bedrückt, aber nicht wirklich traurig.

"Und ihr habt gar keinen Kontakt mehr?" Chan war vorsichtig bei der Formulierung dieser Frage. Die Angst nahm förmlich Besitz von ihm. Wir zerbrachen langsam, aber sicher.

"Mach dir keinen Kopf, Chan. Wir brauchen nur etwas Abstand. Jeongin und ich kamen schon mit schlimmerem zurecht." Ein Lächeln bekam er nicht zustande, trotzdem wirkte er gefasst.

Chan nickte und erneute Stille kroch in den Raum und versuchte uns allen die Luft zum atmen zu nehmen. Minho, der eigentlich der einzige war, der von Felix und mir wusste, war nicht der einzige, der uns beide anschaute. Nach der ganzen Situation, war die Feststellung uns nebeneinander zu sehen, wahrscheinlich schon merkwürdig genug.

"Felix, möchtest du vielleicht anfangen und uns erzählen, warum du nach Australien abgehauen bist?" Seungmin versuchte sich zusammenzureißen, aber ein kleiner angreifender Ton machte sich in seiner Stimme bemerkbar. Er saß auf dem Sofa neben Chan und hatte ein Kissen auf seinem Schoß liegen, in dessen Fransen er seine Finger versteckte.

Felix neben mir zuckte bei der Nennung seines Namens zusammen. "Weil ich ein Arschloch bin?"

"Wissen wir, ist aber keine Entschuldigung." Hyunjin blickte ihn nicht an, keinen von uns. Weiterhin versuchte er alles andere in diesem Raum zu fixieren. "Hyunjin!" zischte Jisung vom Sofarand, aber angesprochener zuckte wieder nur mit den Schultern.

"Du hast recht." sagte Felix dann. Seine Stimme klang zerbrechlicher als Porzellan. "Und es ist mir ehrlich auch unangenehm hier zu sitzen und über Gefühle zu reden, die ich selber erst vor einigen Tagen ausgesprochen habe, aber ich bin vor meinen Gefühlen Changbin gegenüber weggelaufen und wollte mich nicht zwischen euch und Changbin stellen."

"Zwischen uns?" fragte Seungmin "Du hast dich eher gegen uns gestellt. Dachtest du wirklich, wir stellen uns auf eine Seite? Nachdem du dich uns gegenüber wie ein Arschloch verhalten hast, waren wir vielleicht auf Changbins Seite. Vielleicht waren wir es auch nicht und einfach sauer auf dich, sind es auch immer noch."

Ich wollte nach Felix' Hand greifen, weil ich spürte wie Unwohl er sich fühlte. Ließ es aber, als er sich nach vorne beugte. "Es tut mir leid. Wirklich. Und ich verstehe auch wirklich, wenn ich zu weit gegangen bin und ihr mir nicht mehr vertrauen könnt. Ich musste nachdenken, auch wenn es wie eine Ausrede klingt. Ich- habe Gefühl für Changbin mit denen ich nicht klar kam und habe das auf den ganzen Freundeskreis bezogen. Das tut mir wirklich leid und ich verspreche, dass ich mich nie wieder so distanzieren werde. Ihr seid meine Familie und die möchte ich nicht verlieren."

Hyunjin ließ lange Luft aus, zog damit die Aufmerksamkeit auf sich: "Gott, Felix. Du bist auch unsere Familie, aber du kannst dich nicht wie ein Wichser aufführen und uns ignorieren, wenn wir dir offensichtlich helfen wollen. Wir sind mehr als nur Chan und es tat echt weh zu merken, dass du Chan antworten konntest, aber uns nicht."

"Tut mir leid, dass ich dich irgendwann Ignoriert habe, Felix. Die anderen hatten irgendwie recht und ich wusste nicht, wie ich mit der Situation umgehen soll." sagte dann Chan, der ehrlich bedrückt auf Felix schaute.

"Ich verstehe das." sagte dieser. "Ich habe einfach gesehen, wie sehr ihr versucht habt für Changbin nach der Trennung da zu sein und wusste nicht, wie ich euch unter die Augen treten soll, wenn ich ihm fast das gleiche angetan habe."

"Das kann ich verstehen," Seungmin setzte sich aufrechter hin, schaute an Chan und mir vorbei zu Felix "aber so funktionieren Freundschaften nicht. Es ist normal, dass man sich mit dem Alter distanziert, aber nicht so."

"Ich weiß. Ich- Ich werde daran arbeiten, ich verspreche es euch." Felix' Schultern sackten zusammen, sobald Seungmin ihn versuchte anzulächeln. Er lehnte sich zurück zu mir, schaute mich kurz an und ließ Schmetterlinge in meinen Körper entstehen, die in meinen Körper für ein Kribbeln sorgten.

"Was meinst du eigentlich mit, du kamst mit den Gefühlen für Changbin nicht klar?" wollte Jisung dann wissen, auf dessen Gesicht ein kleines Lächeln entstanden war.

"Äh-" verließ es panisch Felix Lippen. Jetzt war der Moment gekommen, in dem ich doch nach seiner Hand griff. Sein Kopf schoss zu mir, die der anderen auf unserer Hände. "Wir versuchen es." war das einzige was ich von mir ließ und dann lächelte sogar Hyunjun. "Ich will das Früher zurück." sagte Chan mit weinender Stimme

GLOW // Changlix ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt