Chapter 35

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- Changbin -

Ausgerechnet in den Semesterferien solche negativen Themen zwischen uns stehen zu haben, war wie der verschwundende Schlüssel einer geschlossenen Tür, die wir eigentlich gemeinsam öffnen sollten.

Bis auf Minho, Jisung und Seungmin hatte ich zu kaum einem Kontakt. Jeongin war ein Tag nach unserem Streit nach Busan abgehauen, um seine Familie zu besuchen. Das bekam ich erst über Instagram mit und es fühlte sich sehr nach der Situation mit Felix an, als er Südkorea verließ und ich anfing seinem Account zu meiden und Storys zu skippen. Hyunjin war untergetaucht, von Jisung hörte ich, dass er sich in Museen verkroch. Und Chan wollte Zeit für sich.

Das war also die Realität, die das Leben all unserer Eltern war: Irgendwann lebte man sich auseinander.

Ich war seit Tagen wach. Ähnlich wie die Situation, nachdem Wooyoung mit mir Schluss gemacht hatte. Aber es fühlte sich schlimmer an. Ich hatte das Gefühl sie alle zu verlieren.

"Hi Bin, wie geht es dir?" fragte mich Wooyoung, dessen Nummer ich in Selbstmitleid gewählt hatte. Es war Samstag und im Hintergrund konnte ich Mingis lautes Lachen vernehmen. "Kann ich mich euch anschließen? Mir ist langweilig." Ich hatte Wooyoung wahrscheinlich noch nie angelogen, aber irgendwann war die Zeit dafür wohl immer gekommen.

Er schwieg kurz: "Ist alles in Ordnung?"

Ich nickte nur, um mich selbst zu bekräftigten: "Ja, die anderen besuchen ihre Familien und ich meide die meine. Unangenehme Trennungsgespräche." Tatsächlich wollte ich meine Familie im Moment nicht sehen. Ich wollte mich nicht erklären und Felix thematisieren, wenn ich versuchte ihn gedanklich aus dem Weg zu gehen.

Wooyoung seufzte: "Das kann ich verstehen, meine Eltern haben mir Sachen vorgeworfen, die nicht mal in meinen Sprachgebrauch waren. Bringst du Pizza mit?"

Er kannte mich. Es schmerzte zu wissen, dass es wahrscheinlich niemanden gab, der den heutigen Changbin so gut verstand wie er. Er bemerkte wenn ich über bestimmte Themen nicht reden wollte und wusste, wie sehr Pizza meinen Alltag einnahm. Noch immer. "Peperoni, nehme ich an?" Ich lachte.

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Wooyoung nahm mich in die Arme, sein Körper roch nach San. Ein Teil in mir zog sich zusammen, ein anderer lockerte sich dadurch. Er zog mich in das Innere der Wohnung. Sans Wohnung - in die er gezogen war. Ich lachte als ich dabei über die Schuhe der anderen stolperte und zog meine danach ebenfalls aus, um Wooyoung in das Wohnzimmer zu folgen.

San war der erste der uns bemerkte und aufstand, um mich ebenfalls in die Arme zu nehmen. Danach kam Mingi auf mich zu, laut lachend riss er mich an sich und damit stand ich endgültig im Raum. Die anderen begrüßten mich auch mit einer Umarmung und während ich auf Jongho zuging, der seine Arme in die Luft streckte, ohne aufzustehen, bemerkte ich, dass ich meinen Freundeskreis seit Ewigkeiten nicht mehr so begrüßt hatte. Dass ich mich nicht mehr daran erinnerte, wann wir das letzte mal alle in den Armen gelegen hatten. Alles endete. Auch das.

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"Deswegen wollte ich nicht mit dir in einem Team sein, du bist grauenvoll!" Seonghwa blickte wütend zu Hongjoong, seine langen Wimpern warfen dabei einen Schatten auf sein hübsches Gesicht. Hongjoong lachte, obwohl er wahrscheinlich eher eine Beleidigung über seine Lippen bringen würde. Bei Seonghwa waren Beleidigungen nie gut, als würde man Benzin in eine Flamme kippen.

"Wir tauschen gleich die Teams." sagte Yeosang vorsichtig. Er lehnte sich dabei weiter in die Kissen des Sofas. Seonghwa zögerte und blickte kurz um Hongjoong: "Nein, wenn dann möchte ich eine richtige Revanche. In den gleichen Teams."

Langsam war ich mir sicher in einer Welt gelandet zu sein, in der Queernes die Norm war und nicht Heterosexualität. Auf Hongjoongs Gesicht entstand ein Lächeln, dass sich der süßen Röte auf seinen Wangen anschloss.

In solchen Momente konnte ich gar nicht anders, als an Felix zu denken. An seine rötlichen Wangen, die die Sommersprossen auf seiner Haut verdeckten und für kurze Momente unsichtbar machten. An sein nervöses Lachen, wenn er nicht weiter wusste oder die Art, wie er seine Hände in den Ärmeln seiner Kleidung versteckte.

Wenn ich ihn ein weiteres Mal verlor, dann würde es wahrscheinlich endgültig sein und allein der Gedanke nahm mir die Kontrolle über meine Atmung, löste Panik in mir aus. Langsam atmete ich durch und klingte mich vorsichtig wieder in dem Gespräch ein. Ich schaute auf Yunhos Zeichnung, die er bei Activity vollbracht hatte. Sein Freund lachte und warf sich dabei gegen Jongho. San und Wooyoung fielen ebenfalls lachend gegeneinander und Yeosang und ich blickten verwirrt auf das gekrakel auf dem Blatt.

"Das-" Wooyoung schnappte lachend nach Luft "ist alles, aber sicherlich kein U-Boot." Wir alle blickten auf die wenigen Striche, die in einer Ecke des Blattes Platz gefunden hatten, neben den Werken von uns allen, die keineswegs besser waren - zumindest meine nicht. Bei genauerem hinsehen konnte ich auch irgendwie ein U-Boot erkennen, aber man hätte auch mir erst sagen müssen, dass es eins wäre.

"Das sieht eher aus wie dieser Fisch mit der Lampe auf dem Kopf." Jongho lachte nicht wirklich, hatte aber ein breites Lächeln auf dem Gesicht. Amüsiert blickte er zu Yunho.

Yunho schnappte fassungslos nach Luft: "Die heißen Tiefsee-Anglerfische und sehen ganz anders aus. Nur weil ich dem U-Boot eine Lampe gemalt habe, musst du nicht Meerestiere beleidigen."

Mingi, der wieder anfing laut zu lachen, legte eine Hand auf das Knie von Yunho: "Schatz, nimm es uns nicht übel. Ich kenne lediglich Seepferdchen und Goldfische, woher sollen wir wissen wie der Fisch heißt. Wir kennen den lediglich aus Barbie."

Jetzt musste auch ich lachen. "In Barbie ist das ein Steinfisch." grumelte Yunho, der sofort wusste von welchem Film Mingi sprach. "Keine Lampe, aber giftige Stacheln."

"Ups." verließ es Mingis Lippen und brachte damit sogar den Jüngsten in der Runde zum Lachen. Jongho hielt Mingi am Arm, damit beide den Halt fanden: "Tut uns leid, Meeresbiologie ist nicht unser Ding."

Mein Lachen wurde lauter, San, der neben mir saß, ließ sich gegen mich fallen und lachte an meiner Schulter. Ich zuckte nicht mal zusammen, lachte einfach weiter und griff nach seiner Hand, die auf meinem Oberschenkel lag. Es fühlte sich nicht ganz nach Heimat an, aber ein bisschen nach Geborgenheit.

GLOW // Changlix ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt