M O N S T E R

2.7K 130 61
                                    

P E Y T O N

Endlich Freitag! Die ersten Wochen an der Hillford High waren für mich wie im Fluge vergangen. Dank Lexi hatte ich mich bereits gut eingelebt und fühlte mich zunehmend wohler an meiner neuen Schule. Neben ihr hatte ich mich auch mit Jimmy angefreundet, der mir mittlerweile weitaus gelöster vorkam. Nach seiner anfänglichen Zurückhaltung öffnete er sich mit jedem Tag etwas mehr und traute sich, er selbst zu sein. Offenbar hatte er gemerkt, dass er sich in Lexis und meiner Gegenwart nicht verstellen musste. So aßen wir beinahe täglich gemeinsam zu Mittag und verbrachten auch häufig die Pausen miteinander. Er war wirklich ein netter Kerl und sehr angenehme Gesellschaft.

Auch die Lehrkräfte, allen voran Ms. Fields, begegneten mir überaus freundlich und zuvorkommend. Nur Ms. Langley machte kein Geheimnis daraus, dass sie mich nicht ausstehen konnte. Vermutlich war ich mit meinem Vorgehen im Umkleideraum etwas zu weit gegangen. Trotzdem bereute ich es nicht, denn ich hatte damit den gewünschten Effekt erzielt. Zum ersten Mal hatte sie mich hinter ihre Fassade blicken lassen, wenngleich dies mit Sicherheit ungewollt passiert war. Statt Abneigung glaubte ich, aufflammende Lust in ihren Augen erkennen zu können. Ihre unruhige Körpersprache und die angespannte Haltung bestätigten meine Vermutung - ihr gefiel, was sie sah. Doch das würde sie sich selbst wohl niemals eingestehen. Stattdessen zog sie daraus persönliche Konsequenzen, die ich geradewegs zu spüren bekam. Seit unserer Begegnung reagierte sie weder auf meine Äußerungen noch auf meine eindeutig zweideutigen Blicke. Dafür ignorierte sie mich eiskalt, sah mich nicht einmal mehr an, und wenn dann nur flüchtig. Es war offensichtlich, dass sie versuchte, mich um jeden Preis zu meiden. Mein Verlangen nach ihr minderte das jedoch kaum, im Gegenteil: Es stieg ins Unermessliche. Körperlich war sie mir augenscheinlich nicht abgeneigt, was mich nur noch mehr motivierte, sie für mich zu gewinnen. Ich wollte sie und verzehrte mich nur noch mehr nach ihr.

Als ich jenem Freitagmorgen an meinem Spint ankam, verstaute ich zunächst meinen Motorradhelm und studierte nochmal den Stundenplan, den ich an meiner Schließfachtür angebracht hatte. Meine Augen flogen über die einzelnen Fächer, dann musste ich breit schmunzeln: In den letzten beiden Stunden würde ich ihr wieder begegnen. Ganze 120 Minuten lang konnte ich diese Göttin betrachten, ihrer verführerischen Stimme lauschen und von ihr träumen. Mein Herz pochte aus Vorfreude und mein Puls verdreifachte sich augenblicklich. Ich konnte es kaum erwarten. Lächelnd zog ich das Englischbuch aus dem Spint, schlug schwungvoll die Tür zu und schloss sie ab. In meinen Gedanken an Ms. Langley versunken, bemerkte ich nicht, dass ich Gesellschaft bekommen hatte und lief direkt in die Arme eines großgewachsenen Typen.

„Nicht so stürmisch, schöne Frau", lachte er als ich gegen ihn prallte.

Erschrocken wich ich einige Schritte zurück und spürte sogleich mein Schließfach an meinem Rücken. Mein Instinkt riet mir, diesen Abstand zu bewahren, denn der Junge war von einer eigenartigen Aura umgeben, die ich nicht so richtig einzuordnen wusste. Misstrauisch begutachtete ich ihn. Er war ein gutaussehender Kerl, die Frauen liefen ihm sicher in Scharen hinterher. Dunkle Augen, dunkle Haare, gebräunte Haut, gepflegter Dreitagebart. Sein schwarzes Deckhaar war etwas länger und dem neuesten Trend entsprechend nach oben frisiert, am Hinterkopf sowie an den Seiten trug er es kurz. Der tiefe V-Ausschnitt seines langen, schwarzen Tanktops, in dem eine Sonnenbrille steckte, entblößte Teile seiner glattrasierten Brust. Dazu trug er eine schwarze Jeansjacke, schwarze, zerrissene Skinny Jeans und schwarze Boots. Er sah cool aus, strahlte aber eine übergroße Portion Selbstbewusstsein aus, die ihn unheimlich unattraktiv machte. Aus welchem Boyband-Bus ist der denn gefallen?, fragte ich mich und schämte mich kurz darauf dafür. Ich verabscheute Oberflächlichkeit und genau diese war es nun, mit der ich den Jungen auf sein Äußeres reduzierte. Vielleicht tat ich ihm Unrecht und in ihm steckte ein netter Mensch? So beschloss ich, ihm wohlwollend gegenüberzutreten.

Y O U !Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt