K O N F R O N T A T I O N

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Evelyn

Als ich am nächsten Morgen an der Schule ankam, überkam mich ein eigenartiges Gefühl. Eine innere Unruhe, als ob an diesem Dienstag irgendetwas passieren würde. War es eine Vorahnung, die mich zu warnen versuchte? Eine Art siebter Sinn? Unsinn, du machst dich unnötig verrückt, überzeugte ich mich selbst. Dennoch stieg ich ein wenig beklommen aus meinem Auto aus und betrachtete skeptisch das Schulgebäude. Tief in meine Gedanken versunken bemerkte ich nicht, wie sich ein Auto näherte. Erst als eine Autohupe vor mir ertönte und ich erschrocken zusammenzuckte, nahm ich den mir allzu bekannten Jeep wahr, der in die freie Parklücke vor meinem Audi fuhr.

„Was machst du denn hier?", begrüßte ich Joanna ein wenig irritiert, die sogleich die Autotür hinter sich zuschlug und auf mich zukam.

„Dir auch einen schönen guten Morgen, Evelyn! Danke, mir geht es sehr gut und dir?", erwiderte sie voller Sarkasmus, bevor sie mir einen Kuss auf die Wange drückte.

Ich zog sie in eine halbe Umarmung.

„Entschuldige. Guten Morgen, JoJo."

Joanna schmunzelte, sie hatte mir meine Unhöflichkeit offenbar verziehen.

„Schon besser, Evelyn. Sei lieb zu mir, sonst nehme ich dein Rezept wieder mit."

Mein was? Ich fragte mich, wovon sie sprach und dachte angestrengt nach, aber die Erleuchtung blieb aus. Entweder hatte ich ein extrem schlechtes Gedächtnis oder ich stand an diesem Morgen gehörig auf dem Schlauch.

„Welches Rezept?"

Jo kniff die Augen zusammen und fixierte mich.

„Hast du das schon wieder vergessen? Wir haben doch gestern erst vereinbart, dass ich dir dein Rezept für das Schlafmittel auf dem Weg in die Praxis vorbeibringe."

„Ugh, richtig", erinnerte ich mich daran und schüttelte den Kopf. „Sorry, ich bin etwas durcheinander."

„Ich merke schon", antwortete sie. „Sag, hat das rein zufällig etwas mit Peyton zu tun?"

Mit auf und ab zuckenden Augenbrauen und einem Grinsen auf den Lippen sah sie mich an. Nein, sie beobachtete mich regelrecht. Typisch Joanna. Das war ihr Lieblingsspiel. Sie mochte es, mich herauszufordern und meine Reaktion auf ihre Provokationen genauestens zu analysieren. Nicht selten hatte sie mich damit aus der Reserve gelockt, doch dieses Mal hatte ich nichts zu befürchten. Peyton war ausnahmsweise nicht die Ursache für meinen Zustand. Oder zumindest war es mir nicht bewusst.

„Nein, warum sollte es?"

Joannas Grinsen wurde nun noch breiter als es ohnehin schon war.

„Nun ja", sie kam einen Schritt näher und flüsterte, „vielleicht...weil du mit ihr Sex hast?"

Genervt verdrehte ich die Augen.

Nein, Joanna."

„Oh-oh, du wirst kratzbürstig", sagte sie und legte mir einen Arm um die Schultern. „Kommst du etwa nicht auf deine Kosten?"

Ich drehte den Kopf zu ihr und bedachte sie mit einem eisigen Blick.

„Können wir das bitte nicht hier besprechen?"

Jo löste sich von mir und hob die Hände.

„Verzeihung, Madame Ultraverklemmt. Oh warte, das ist ja eigentlich Jess' Titel", feixte sie, ehe sie sich suchend umsah. „Wo steckt sie überhaupt?"

„Sie hat einen Arzttermin und kommt heute erst zur zweiten Stunde", klärte ich sie auf.

„Verstehe. Na ja, hier...", sie kramte kurz in ihrer Jackentasche, „...hier ist jedenfalls dein Rezept."

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