D U N K E L H E I T

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P E Y T O N

Was mache ich hier? Die Frage schwirrte unaufhörlich in meinem Kopf herum, während ich völlig geistesabwesend auf die Tischplatte starrte. Vom Unterricht bekam ich nichts mit, ich war gefangen in einem Zustand totaler Macht- und Hoffnungslosigkeit, gepaart mit Herzschmerz und der verzweifelten Sehnsucht nach meiner Lehrerin. Ein toxischer Cocktail, der mich immer stärker lähmte. Was sollte ich tun? Was konnte ich tun? Nichts, resignierte ich daraufhin. Ich war am Ende, frei von jeglicher Zuversicht. Mich hätte der Schlag treffen können, es wäre mir egal gewesen. Mit dieser Gleichgültigkeit schleppte ich mich durch jeden einzelnen Tag, begleitet von meiner Freundin Lexi, die mir nicht von der Seite wich und mich mit besorgten Blicken bedachte. Sie tat alles, um mich in Gespräche zu verwickeln, mich zum Lachen zu bringen und abzulenken, doch sie musste schnell feststellen, dass ich für nichts davon empfänglich war. Nein, ich war nur noch ein Geist, unsichtbar und still. In der Schule glänzte ich mit absoluter Teilnahmslosigkeit, reagierte auf nichts und niemanden, und in den Pausen verkroch ich mich in den ersten Tagen in einer Toilettenkabine. Denn irgendwann musste ich sie an die Oberfläche treten lassen, die bitteren Tränen, die sich bis dahin bereits in mir angestaut hatten. So ging das ganze zwei Wochen lang. Zwei Wochen, die von der Dunkelheit in mir geprägt waren, gefolgt von einer Phase unbändiger Wut. Warum, verfluchte Scheiße, erlaubte es mir das Schicksal nicht, einmal zur Ruhe zu kommen und glücklich zu sein? Warum musste mein Leben so beschissen kompliziert sein und ständig mehr von mir abverlangen als von allen anderen? Blöder Scheißdreck, murrte ich innerlich und öffnete die Tür meines Spints so heftig, dass sie geräuschvoll gegen das Nachbarschließfach knallte.

„Uiii, nicht so schwungvoll, junge Frau", witzelte Lexi und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Spintreihe. „Heute scheinst du besonders energiegeladen zu sein, mh?"

Ich schnaubte durch die Nase.

„Nee, ich hab einfach keinen Bock auf Schule und wüsste Besseres mit meiner Zeit anzufangen."

Auf einmal tippelte meine Freundin aufgeregt auf der Stelle herum.

„Uuuuuh, sollen wir schwänzen? Wir könnten ins Brew gehen und dort ein bisschen abhängen. Na, wie wäre das? Oh! Oder wir gehen ins Kino, da ist jetzt sicher nichts los. Wir könnten auch zu mir gehen, Deb nervt mich sowieso schon seit einer Ewigkeit damit, dass sie dich endlich kennenlernen will."

Einen Moment lang dachte ich über ihr Angebot nach. Was sprach dagegen? Im Unterricht passte ich sowieso nicht auf, es war die reinste Zeitverschwendung. Ich konnte die Stunden genauso gut nutzen, um mit Lexi die Stadt unsicher zu machen. Davon hätte ich weitaus mehr als mir hier den Hintern breit zu sitzen. Klingt gut, überzeugte ich mich gedanklich und wollte ihr gerade antworten, da erklang eine Stimme, bei der sich meine Nackenhaare aufstellten.

„Guten Morgen, ihr Zwei", trällerte Ms. Fields gewohnt fröhlich, als sie an uns vorbeilief.

Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Dieses Miststück. Was fiel ihr ein? Wie konnte sie mich derart gut gelaunt anquatschen, hatte sie denn gar keine Gewissensbisse? Während Lexi sie gleichermaßen heiter begrüßte, zeigte ich ihr buchstäblich die kalte Schulter und ignorierte sie, indem ich meine Aufmerksamkeit auf mein Mathebuch richtete, in dem ich blätterte. Dabei konnte ich ihren Blick auf meinem Rücken spüren, er brannte wie Feuer, dennoch verlor ich kein einziges Wort gegenüber meiner Lehrerin und schaute mir stattdessen irgendwelche Formeln an. Erst als sie sich von Lexi mit einem einfachen „Bis später" verabschiedete, legte ich das Buch zurück in mein Schließfach und schloss es ebenso laut wie ich es geöffnet hatte.

„Was sollte das denn?", fragte meine Freundin irritiert. „Das war nicht besonders nett von dir, P."

„Ist mir doch egal. Die Alte kann sich ins Knie ficken", erwiderte ich so eiskalt, dass ich selbst eine Gänsehaut davon bekam.

Y O U !Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt