D U R C H E I N A N D E R

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P E Y T O N

„Das ist doch Scheiße", fluchte ich und warf die Fernbedienung auf den Couchtisch.

Ich war gerade einmal eine Stunde zu Hause und langweilte mich bereits zu Tode. Nachdem ich Ms. Langley vor dem Treppensturz bewahrt hatte, packte ich meine Sachen zusammen und meldete mich krank. So wie ich es mit ihr vereinbart hatte, denn ich wollte unbedingt, dass sie sich ausruhte. Dafür war ich sogar bereit, auf ihre Bedingung einzugehen, obwohl ich diese Auszeit gar nicht nötig hatte. Die Schmerzen plagten mich zwar immer noch, aber nicht so sehr, dass es mir nicht möglich war, am Unterricht teilzunehmen. Was tut man nicht alles für seine Lehrerin, dachte ich und legte seufzend den Kopf zurück. Ich wusste nichts mit mir und der freien Zeit anzufangen, und war entsprechend niedergeschlagen. Zudem konnte ich nicht leugnen, dass ich Ms. Langley irgendwie vermisste. Allein die Gewissheit, dass sie sich im selben Gebäude aufhielt wie ich, verschaffte mir immer wieder ein unvergleichliches Hochgefühl. Ein Hochgefühl, das mir nun ungemein fehlte. Was sie wohl gerade machte? Ich ließ die Gedanken schweifen. Vor meinem inneren Auge erschien ihr makelloses Gesicht, die leuchtend grünen Augen und die perfekt geschwungenen Lippen, die ein dezentes Lächeln formten. Es war verrückt, wie natürlich schön diese Frau war. Mit einem Mal begann mein Herz wieder wie wild zu rasen und ich spürte das einzigartig prickelnde Kribbeln in meinem Bauch, das nur Ms. Langley in mir hervorrufen konnte. Sie hatte eine immense Wirkung auf mich und löste Gefühle in mir aus, die ich bisher nicht gekannt hatte. Lust, Verlangen und Begierde waren mir natürlich ein Begriff, doch durch Ms. Langley konnte ich sie erst näher definieren, sie nachempfinden. Mir war bewusst, wie absurd sich das anhören musste. Ausgerechnet eine Lehrerin weckte diese Emotionen in mir und war der Mittelpunkt meiner heißesten Fantasien? Lächerlich, absolut hirnrissig! Wer mich kannte, wusste jedoch, dass das gar nicht so absurd war. Die Mädels in meinem Alter hatten mich noch nie interessiert, ich fühlte mich schon immer zu älteren Frauen hingezogen. Sie wussten, was sie wollten, standen fest im Leben, hatten klare Ziele und waren unabhängig. Ihre Lebenserfahrung reizte mich, ebenso die Selbstsicherheit und Weisheit, die diese meist mit sich brachte. Reife lautete hier das Stichwort, sowohl emotional als auch geistig – für mich gab es nichts Attraktiveres als das. Ms. Langley schien all das in sich zu vereinen. Sie war nicht nur optisch eine absolute Traumfrau, sondern obendrein eine außergewöhnliche Kombination von Attributen, die sie allesamt unwiderstehlich machten. Sie ist unglaublich, schwärmte ich innerlich und merkte, wie ich wehmütig wurde. Eine fürchterlich schmerzende Leere breitete sich in mir aus, die mich in ein tiefschwarzes Loch zog. Wie sollte ich mehrere Tage ohne sie aushalten?

Betrübt stand ich auf und ging auf meinen Balkon, um eine Zigarette zu rauchen. Am liebsten hätte ich irgendein Schlafmittel geschluckt, das mich erst wieder erwachen ließ, wenn Ms. Langley zurück in der Schule war. So musste ich mich nicht mit der beißenden Sehnsucht herumquälen, die mich in diesem Augenblick wie ein Tsunami überrollte. Aber dieses Medikament existierte nicht. Ich war gezwungen, alleine damit fertigzuwerden, so lange bis mich meine Lehrerin wieder mit ihrer Anmut beehrte. Hoffentlich musste ich darauf nicht allzu lange warten. Und wenn sie mehrere Wochen ausfällt? Diese Vorstellung ließ mich schwer schlucken. Sofort wurde mir übel und ich sah das Unheil bereits vor mir, das damit auf mich hereinbrechen würde. Graue, qualvolle Tage standen bevor, an denen mich der Herzschmerz Stück für Stück von innen auffraß. Das würde ich im Leben nicht überstehen, niemals! Ich drückte meine Zigarette aus und ging wieder rein. Voller Verzweiflung lief ich in meiner Wohnung auf und ab, fuhr mir unentwegt durch die Haare und stieß tausende Seufzer aus. Dann kam mir eine Idee, ich musste mir Gewissheit verschaffen. Mit zitternden Händen zückte ich mein Smartphone und googelte nach der Telefonnummer von Dr. Bennetts Praxis. Die Suchergebnisse verrieten mir, dass diese gar nicht weit von unserer Schule entfernt war. Nervös drückte ich auf den Telefonhörer-Button und hielt mir das Telefon ans Ohr. Ich musste es eine Weile klingeln lassen bis jemand abnahm.

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