N Ä H E

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E V E L Y N

Eine knappe Stunde später erreichte ich wieder das Krankenhaus. Zu Hause war ich noch schnell unter die Dusche gesprungen, hatte mir die Zähne geputzt und in Windeseile das Nötigste für die bevorstehende Nacht zusammengepackt. Währenddessen waren meine Gedanken unentwegt bei meiner Schülerin, deren Schicksal mich noch immer tief berührte. Ich versuchte meine Abwesenheit zu nutzen, um all das zu verarbeiten, begreifen konnte ich es trotzdem nicht. Es war so unwirklich, dass es eigentlich nur ein schlechter Traum sein konnte. Doch unglücklicherweise war das die Realität, in all ihrer Grausamkeit.

Behutsam öffnete ich die Tür zu Peytons Zimmer weit genug, dass ich durch den Spalt durchschlüpfen konnte. Sie hatte bereits auf mich gewartet, denn sofort lagen ihre wunderschönen Augen auf mir und ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen.

„Hey, da bist du ja wieder", begrüßte sie mich flüsternd.

Sie sah müde aus, was aufgrund der jüngsten Ereignisse nicht verwunderlich war, und wirkte seltsam erleichtert. Einen Wimpernschlag lang hellten sich ihre Züge auf und das für sie typische Strahlen trat an die Oberfläche, wenn auch nur kurzzeitig. Ich fragte mich, ob sie an meinem Wort gezweifelt hatte und davon ausgegangen war, dass ich nicht zu ihr zurückkehren würde. Glaubte sie mir nicht? Ungewollt rief ich mir Alexis' Worte ins Gedächtnis zurück. Sie beschäftigten mich mehr als ich zugeben wollte, denn sie hatte mir damit gewissermaßen einen Spiegel vorgehalten. Was ich darin erkannte, gefiel mir nicht und zum ersten Mal in meiner Laufbahn als Lehrerin stellte ich mein Verhalten in Frage. Konnte ich möglicherweise den falschen Weg eingeschlagen haben?

„Ich bin so schnell zurückgekommen, wie ich konnte", versicherte ich und hob entschuldigend den rechten Mundwinkel.

Nachdenklich stellte ich meine Tasche ab und zog meine Jacke aus. Die Unsicherheit ließ mich verstummen und das ärgerte mich ungemein. Es war nicht der richtige Zeitpunkt für Selbstzweifel, Peyton brauchte meine volle Aufmerksamkeit und Unterstützung. Ich durfte mich nicht von Alexis' Anschuldigungen ablenken lassen, so schwer mir das in diesem Moment auch fiel. Sie hatte damit etwas in mir ausgelöst, etwas in Gang gesetzt, was ich erst später als Beginn meiner persönlichen Weiterentwicklung definieren konnte.

Während ich noch diesen Überlegungen nachhing, nahm mich Peyton ins Visier und musterte mich von Kopf bis Fuß, was mich letztlich in die Gegenwart zurückholte.

„Was ist?", fragte ich irritiert.

„Nichts", gab sie lächelnd zurück. „Ich habe dich nur noch nie in Sweatpants gesehen. Gefällt mir, steht dir sehr gut."

Da war sie wieder, Peytons natürliche Herzlichkeit, mit der sie mich immer wieder aus dem Konzept brachte. Sie war überwältigend, aufrichtig und zugleich entwaffnend. Mein Puls beschleunigte sich jedes Mal und ich meinte, das Herz in meiner Brust schlagen zu hören. Zusätzlich breitete sich eine prickelnde Gänsehaut auf meinem Körper aus, die bis in meinen Magen vorzudringen schien, denn auch dort spürte ich ein unaufhörliches Kribbeln. Es war magisch, nur Peyton hatte diese Wirkung auf mich. Nur sie konnte diese Emotionen in mir hervorrufen. Du bist zuckersüß.

„Na, da bin ich ja beruhigt", antwortete ich gespielt erleichtert und grinste, ehe ich mich zu ihr legte und sie zärtlich küsste.

Peyton seufzte leise und erwiderte den Kuss mit einer Intensität, die mir fast den Atem raubte. Ich fühlte ihre Verzweiflung darin, ihren unendlichen Schmerz und die Trauer, aber auch ihre Zuneigung und die Erleichterung darüber, dass sie nicht alleine war. Er war bittersüß, und doch unbeschreiblich schön.

„Ich bin so froh, dass du bei mir bist", wisperte sie, nachdem sie sich an mich gekuschelt hatte.

Gerührt legte ich mein Kinn auf ihrem Kopf ab, zog sie noch etwas näher an mich und begann, ihren Rücken zu streicheln. Einige Minuten lang herrschte Stille. Eine Stille, in der wir unsere Zweisamkeit genossen und die Ruhe in uns aufnahmen, die wir beide so dringend brauchten. Peyton noch viel mehr als ich.

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