Z W E I F E L

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P E Y T O N

Mit Tränen in den Augen sah ich ihr nach. Evelyn, meiner absoluten Traumfrau, die mir soeben eröffnet hatte, dass sie mit mir zusammen sein wollte. Dass ich zu ihr gehörte, nur zu ihr. Seitdem ihre Offenbarung zu meinem Bewusstsein durchgedrungen war, raste mein Herz schmerzhaft bis zum Anschlag, schneller als jemals zuvor in meinem Leben. Wie lange hatte ich darauf gewartet, eben diese Worte von ihr zu hören? Gefühlt eine Ewigkeit lang. An diesem Samstag war es endlich so weit und die Schmetterlinge tanzten wild in meinem Bauch umher, jagten mir eine prickelnde Gänsehaut über den gesamten Körper, doch dann wurde die Freude von beißenden Zweifeln getrübt. Wie klares Wasser, in das man einen Pinsel mit schwarzer Tuschfarbe getaucht hatte. Ich zwang mich dazu, die negativen Emotionen beiseitezuschieben und mich vollends auf die wärmenden Glücksgefühle zu konzentrieren, aber es wollte mir einfach nicht gelingen. Zu tief saß der Schmerz, den sie mir zugefügt hatte, und auch wenn die Enttäuschung darüber nichts an meiner Zuneigung für sie änderte, so konnte ich ihr dennoch nicht ohne Weiteres verzeihen. Schöne Worte allein waren nichts wert, wenn keine Taten folgten. Anders konnte sie den Schaden nicht bereinigen, so viel stand für mich fest. Du willst mit mir zusammen sein, Evelyn? Dann musst du es dir verdienen.

Wehmütig seufzend beobachtete ich jeden ihrer kraftvollen Schritte und lauschte dem Geräusch ihrer hohen Absätze, das allmählich verklang. Im Wind wehte ihr roter Mantel wie ein Umhang, wodurch sie von hinten ein wenig wie eine Superheldin aussah. Stark. Anmutig. Unbesiegbar. Und genau so lief sie auch. Ihre Haltung war stolz und aufrecht, sie stand sichtbar unter Hochspannung, wodurch ich ins Schwärmen geriet. In diese selbstbewusste Frau hatte ich mich unsterblich verliebt. Sie ist so verdammt schön, dachte ich hingerissen und rief mir die vergangenen Minuten ins Gedächtnis zurück. Was für ein Auftritt! Wenn ich es nicht miterlebt hätte, hätte ich es nicht geglaubt. Sowas passierte doch nur in Filmen oder Büchern, aber niemals im richtigen Leben, und schon gar nicht in meinem! Entsprechend perplex war ich als sie plötzlich auf AJs Hausparty auftauchte, unvermittelt meine Hand ergriff und mich aus der Wohnung entführte. Es geschah so schnell, dass ich zuerst gar nicht realisieren konnte, was da vor sich ging. Ich war wie vom Donner gerührt. Erst die frische Herbstluft half mir dabei, das Geschehene zu verarbeiten, woraufhin ich ihr nichts als blankes Unverständnis entgegenschmetterte. Was hatte sie sich dabei gedacht? Wie konnte sie ein solches Risiko auf sich nehmen? Ich kapierte es nicht, konnte es mir bei bestem Willen nicht erklären und grübelte auch noch auf dem Weg zurück zur Party darüber nach.

„Was machst du denn hier?", rief Lexi entgeistert aus als ich AJs Wohnung betrat.

„Ich bin auch eingeladen, schon vergessen?", merkte ich an und schloss die Tür hinter mir. „AJ hat mich sogar zu ihrem Ehrengast gekürt."

Meine Freundin stöhnte auf.

„Mann, das meine ich doch gar nicht, P. Warum bist du hier und nicht...", sie trat an mich heran und flüsterte, „...bei ihr?"

„Ich...ich konnte nicht", gestand ich ihr und senkte den Kopf.

„WAS?", platze es aus ihr heraus, womit sie die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich zog. „Warum nicht?"

Ich seufzte schwer: „Weil ich ihr nicht traue. Erst stößt sie mich weg und auf einmal will sie mit mir zusammen sein?"

Lexi schnappte überrascht nach Luft.

„Sie will mit dir zusammen sein? Das hat sie zu dir gesagt?"

„Ja", bestätigte ich leise. „Aber ich kann ihr das nicht so recht glauben. Ich meine, woher soll ich wissen, dass das keine Laune ist? Dass sie mich nächste Woche nicht wieder fallen lässt, weil sie ihre Angst wieder voll im Griff hat?"

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