P E Y T O N
Das ist das Ende, dachte ich und weinte immer heftiger. Trotz meines Schluchzens atmete ich flach und vermied jeden Laut, denn ich hatte mich in einer Toilettenkabine versteckt, verborgen vor den Augen meiner Mitschüler. Niemand sollte mich sehen. Niemand sollte meine bitteren Tränen sehen. Den Seelenschmerz, der mir sicher deutlich ins Gesicht geschrieben stand. So schlecht wie an diesem Tag hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt, es war furchtbar und drohte mich zu ersticken. Mein Brustkorb schnürte sich immer mehr zu, ich war am Boden zerstört, dennoch musste ich mich fragen, was ich eigentlich erwartet hatte. Eine Beziehung stand nie zur Debatte, Evelyn hatte von Anfang an mit offenen Karten gespielt und unser Verhältnis dementsprechend allein auf das Körperliche beschränkt. Trotzdem hatte ich bis zuletzt gehofft, dass sich das Blatt noch wenden würde. Dass ich für sie gut genug, wertvoll genug war, um ihre Ängste zu überwinden. Doch es lief anders ab. Statt mit einem Happy End belohnt zu werden, musste ich erkennen, dass ich keine Chance hatte. Evelyn stellte ihre Angst über alles und ich konnte es verstehen. Sie hatte schreckliche Dinge erlebt, ging durch die Hölle und wieder zurück, wurde misshandelt, und dann auch noch von ihren eigenen Eltern! Sie war schlichtweg traumatisiert und eben dieses Trauma war stärker als sie, stärker als wir. Allein konnte sie es wohl kaum verarbeiten, sie benötigte Hilfe. Hilfe, die ich ihr nicht bieten konnte. Überhaupt konnte ich ihr wohl nicht das bieten, was sie brauchte. Trost hätte ich ihr spenden können, ja, das wäre das Mindeste gewesen. Es fiel ihr sicher nicht leicht über ihre Vergangenheit zu sprechen, ich konnte es nur allzu gut nachvollziehen, denn auch ich hatte meine Schwierigkeiten damit. Und trotzdem hatte sie mich aufgeklärt, mir Einblicke in diese düsteren Erlebnisse gewährt - mir zuliebe. Was gab ich ihr daraufhin zurück? Nur eine stinknormale Umarmung. Ganz toll gemacht, Peyton, verabscheute ich mich selbst und vergrub die Finger in meinen Haaren. Ich hätte meinen Schmerz beiseiteschieben und für sie da sein, sie trösten sollen. Stattdessen dachte ich nur an mich und mein eigenes Leid, und blendete dabei das für mich Allerwichtigste aus: Ihr Wohlergehen. Nichts lag mir mehr am Herzen, dennoch schenkte ich ihm keinerlei Beachtung. Fuck! Ich fühlte mich wie ein mieses Arschloch, so egoistisch und rücksichtslos. Warum hatte ich mich so verhalten? Ich war doch in sie verliebt, mit Haut und Haaren, mit meiner ganzen Seele. Sie war die Einzige für mich und ich glaubte bereits, in ihr die Liebe meines Lebens gefunden zu haben. Warum hatte ich die Flucht ergriffen als sich mir die Gelegenheit bot? Aus Selbstschutz? Oder aus der Erkenntnis heraus, dass dies unser Ende war? Unser Ende. Wir haben keinerlei Perspektive. Ich wehrte mich dagegen, doch allmählich dämmerte mir, dass ich mich in einer Traumvorstellung verloren hatte. Meine wunderschöne, extrem attraktive, nahezu perfekte Lehrerin und ich, glücklich bis ans Ende unserer Tage. Manch anderer konnte darüber wohl nur lachen, es war so absurd, so unrealistisch. Nichts als Luftschlösser hatte ich da gebaut, die immer höher in den Himmel ragten, nahezu märchenhaft waren sie unzerstörbar, so fest hatte ich an uns geglaubt. Doch das Mauerwerk zerbrach mit der Trennung und Evelyns Offenbarung, der Traum war ausgeträumt und dieser Gedanke tat weh. Scheiße, tat es weh! Aber es half nichts, ich musste damit klarkommen. So soll es wohl sein. Plötzlich wurde ich mit der traurigen Realität konfrontiert, sie traf mich wie ein Eimer eiskaltes Wasser, der über mir ausgeschüttet wurde. Ich fror, bibberte vor dieser Eiseskälte und spürte, wie die Wärme meiner Zuneigung für Evelyn meinen Körper verließ und Resignation die Kontrolle übernahm. Es war Zeit nach vorn zu schauen und die Vergangenheit hinter mir zu lassen. Warum sollte ich eine Hand festhalten, die meine längst losgelassen hatte? Vermutlich war sie genau das, was ich gebraucht hatte, um zu erkennen, was ich wirklich verdient hatte. Ich konnte das Ganze also auch durchaus positiv sehen, oder? Vielleicht sollte ich sogar dankbar dafür sein, dass es nicht geklappt hatte, weil es mich möglicherweise vor etwas Schlimmen bewahrt hatte. Weil das Schicksal noch etwas Besseres für mich bereithielt. Bestimmung, das musste es sein! Der Schalter in meinem Gehirn hatte sich längst umgelegt und Gleichgültigkeit übermannte mich, spülte all die Trauer weg, und trotzdem flossen die Tränen wie Wasserfälle über meine Wangen. Was mein Kopf schon wusste, musste mein Herz erst noch begreifen. So wie ich mich kannte, würde es noch lange dauern bis ich über Evelyn endgültig hinweg war, denn ich verliebte mich nicht so oft. Keine Ahnung, warum das so war. In Sachen Liebe hatte ich noch keine einschneidenden Erlebnisse bewältigen müssen, die das erklären konnten. Ich war auch kein besonders verschlossener Mensch, im Gegenteil. Nichtsdestotrotz öffnete ich mein Herz nur sehr selten, und meine Gefühle konnten auch nicht so leicht geweckt werden. Evelyn war da eine Ausnahme, sie war die Erste, die mich im Sturm erobert hatte, ohne etwas dafür tun zu müssen - es passte einfach. Umso schmerzvoller war nun die Einsicht, dass all das augenscheinlich nur eine Illusion war. Scheiße. Ich konnte sie nicht aufhalten. Je länger ich darüber nachdachte wie sehr mich meine Lehrerin verletzt hatte, desto mehr beeinträchtigten die Tränen meine Sicht. Irgendwann sah ich nur noch eine verschwommene weiße Wand vor mir und zuckte erschrocken zusammen als es aus heiterem Himmel an der Kabinentür klopfte.
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Y O U !
RomanceDurch einen unfreiwilligen Schulwechsel trifft Peyton auf Ms. Langley, der ein Ruf als Eiskönigin vorauseilt. Während Peyton insgeheim ein Auge auf ihre unnahbare Lehrerin geworfen hat, kann sich Ms. Langley so gar nicht für ihre neue Schülerin erwä...