E V E L Y N
„Harte Woche hinter dir?"
Mit einem besorgten Ausdruck in den treuen, braunen Augen stellte Albert ein Glas Whisky vor mir auf den Bartresen und musterte mich nachdenklich. Seine Vermutung traf den Nagel auf den Kopf, er kannte mich inzwischen einfach zu gut. Durch meine häufigen Besuche hatte ich zu dem Inhaber meiner Lieblingsbar, dem *SeventyThree, über die Jahre hinweg ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut, das mir gelegentlich nicht nur kostenlose Drinks einbrachte. Neben seiner liebevollen Gastfreundschaft schenkte mir Albert häufig auch sein Gehör und half mir in so manch schwieriger Situation mit weisen Ratschlägen aus der Patsche. Sein fortgeschrittenes Alter und die Menschenkenntnis, die er als Barkeeper erlangt hatte, machten ihn zu einem äußerst kompetenten Lebensberater – er war wie ein Vater für mich.
„Du hast ja keine Ahnung, Albie", seufzte ich an den Rand meines Glases und nahm einen kräftigen Schluck Whisky, der sogleich wohlig in meiner Kehle brannte.
„Möchtest du darüber reden?", fragte er vorsichtig, während er den Tresen neben mir trocken wischte.
Wollte ich das? Ich hatte keine Ahnung. Seit dem Kuss mit Peyton stand meine Welt Kopf. Immer wieder suchten mich die Erinnerungen daran heim, ich konnte ihn einfach nicht aus meinem Kopf verbannen. Stattdessen spielte sich die Szene fortlaufend vor meinem inneren Auge ab, schlich sich nachts sogar in meine Träume. Darin gingen wir jedoch viel weiter als es tatsächlich der Fall war und ich wachte jedes Mal schweißgebadet auf, völlig schockiert über die Fantasien, die mich im Verborgenen offenbar bewegten. Es war zum Verrücktwerden. Peyton war zum Verrücktwerden. Das Gedankenwirrwarr, in das sie mich mit diesem atemberaubenden Kuss gestoßen hatte, brachte mich um den Verstand. Ich begann, an mir zu zweifeln, an meinen Motiven, und fragte mich unaufhörlich, warum sie mich derart aus der Fassung bringen konnte. Sie war doch nur eine einfache Schülerin. Eine Schülerin, die mir mit ihrem provokanten Verhalten und den zweideutigen Äußerungen fürchterlich auf die Nerven ging. Warum erweckte ausgerechnet sie dieses Verlangen in mir? Ich konnte es mir nicht erklären, wofür ich mich täglich verfluchte. Und Peyton noch viel mehr. Ihre Anwesenheit empfand ich zunehmend als eine Last, sie war wahrlich ein rotes Tuch für mich. Ausgerechnet sie wagte es nun, mich zu küssen und völlig unverblümt zu berühren. Ausgerechnet Peyton! So eine Scheiße, dachte ich und nippte abermals an meinem Whisky-Glas. Wie konnte sie so unverschämt sein? Ihr Mut verblüffte mich, das musste ich zugeben. Sie hatte alles auf eine Karte gesetzt, und das, obwohl sie wusste, wie wenig ich von ihr hielt. Trotzdem ließ sie sich davon nicht abschrecken und erteilte mir eine Lehre, die sich gewaschen hatte. Und mich anmachte. Fuck. Vielleicht hatte ich es nicht anders verdient, immerhin hatte ich mich über sie lustig gemacht und sie ganz offensichtlich unterschätzt. Denn die Art, wie sie mich geküsst hatte, war unvergleichlich und schlichtweg umwerfend. Es war als bebte die Erde unter mir, während sich unsere Lippen hungrig verschlangen und ihre Hände über meinen Körper glitten. Ich glaubte, den Halt zu verlieren, denn meine Knie wurden weicher mit jeder Sekunde, die verstrich. Was für ein Kuss. Doch die Tatsache, dass ich eben diesen phänomenalen Kuss mit meiner Schülerin erlebt hatte und nicht mit einer x-beliebigen Frau, stimmte mich missmutig. Die Ohrfeige, die ich ihr daraufhin verpasst hatte, war mehr als gerechtfertigt, sie hatte es nicht anders verdient. Zumindest redete ich mir das ein. Seitdem verabscheute ich Peyton Levy noch mehr als es ich es ohnehin schon tat, der Groll gegen sie hatte den absoluten Höhepunkt erreicht. Nervige, kleine Göre, schimpfte meine innere Stimme, da erschien Peytons trauriges Gesicht vor mir. Sofort zog sich alles in mir zusammen, als ich mich an das Gespräch zurückerinnerte, in dem sie mir von ihrer herzzerreißenden Vergangenheit erzählte und mir ein weiteres Mal ihre verletzliche Seite zeigte. So sehr ich es auch wollte, in diesem Moment konnte ich sie einfach nicht mehr hassen und empfand nichts als Mitgefühl für sie. Als hatte sich in mir ein Schalter umgelegt. Die Verachtung wich aufrichtiger Fürsorge, die mich dazu brachte, sie zu beruhigen, sie zu berühren und sogar beinahe zu küssen. Ich erkannte mich selbst nicht wieder, fühlte mich aber auch nicht unwohl dabei. Nein, es war mir sogar ein Bedürfnis, sie zu trösten. Was ist bloß los mit mir?, fragte ich mich und schüttelte verwirrt den Kopf. Die Wirkung, die meine Schülerin auf mich hatte, versetzte mich allmählich in Sorge und ich fürchtete bereits, ihr nicht entkommen zu können.
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Y O U !
RomanceDurch einen unfreiwilligen Schulwechsel trifft Peyton auf Ms. Langley, der ein Ruf als Eiskönigin vorauseilt. Während Peyton insgeheim ein Auge auf ihre unnahbare Lehrerin geworfen hat, kann sich Ms. Langley so gar nicht für ihre neue Schülerin erwä...