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Es war um die Mitternacht, als wir wieder in der Schule ankamen. Ich ließ mich von Coles Rücken hinuntergleiten, der sich daraufhin sofort wieder zurückverwandelte, und taumelte erst ein paar Schritte. Es fühlte sich an, als schwanke der Boden. Er war auf einmal viel zu hart. Aber ich fiel nicht hin, weil ich von Cole am Arm festgehalten wurde. Solange, bis ich wieder einigermaßen sicher stehen konnte. Am liebsten wäre ich direkt ins Bett getorkelt, aber Cole wollte offenbar noch woanders hin. Jace stellte das Körbchen auf den Boden und verwandelte sich ebenfalls. Dann schaute er nach Finn, überzeugte sich, dass mit ihm alles in Ordnung war und folgte uns, das Körbchen in der Hand.
Cole führte uns durch gefühlte tausend Gänge, die in der Dunkelheit der Nacht alle gleich aussahen, und zog mich dabei erbarmungslos hinter sich her. Mir war immer noch ein bisschen schwindelig und die Müdigkeit, die mich nun doch einholte, ließ mich mehr als ein Mal über meine eigenen Füße stolpern. Das Tempo war mir eindeutig zu schnell.
Schließlich kamen wir an einer großen Holztür an , vor der man wahrscheinlich stundenlang hätte stehen können, ohne, dass einem langweilig wurde, da dort viele kleine und detaillierte Muster eingeschnitzt waren. Leider machten wir keine Pause, noch nicht mal, um zu klopfen, sondern gingen einfach rein.
Den großen, runden Raum, der sich dahinter verbarg, dominierte ein riesiger, schlichter, aus dunklem Holz gebauter Schreibtisch, neben welchem die Person, die dahinter saß, ganz klein wirkte. Von den Wänden sah man nicht viel, weil davor Bücherregale standen, die die Sicht versperrten. An der hinteren Wand waren nur rote Vorhänge zu sehen, die von der Decke bis zum Boden reichten.
Durch die aufgehende Tür auf uns aufmerksam geworden, sah die Person hinter dem Holzungetüm auf. Cole schloss die Tür hinter uns und schob Jace und mich vor.
„Das ist Julian, der Direktor der Schule, also zeig Respekt!", zischte er zu mir.
Der Schulleiter hatte schwarze Haare mit ein paar grauen Strähnen und als wir näher kamen, musterte er uns aus leuchtend grünen Augen. Seine Haltung, wie er den Kugelschreiber in der Hand hielt, der gekrümmte Rücken und sein Gesichtsausdruck, alles sprach so viel Müdigkeit aus, zeigten von verlorenem Lebensmut. Unwillkürlich empfand ich Mitleid aber auch eine gewisse Sympathie.
Als wir vor dem Schreibtisch standen, fing Cole zu sprechen an: „Das ist Mira und sie hat sich heute das erste Mal verwandelt."
„Und wieso kommst du zu mir, Cole?" Seine Stimme klang ebenso erschöpft wie er aussah. Mit einer Hand fuhr er sich über das Gesicht, als wolle er die Müdigkeit wegwischen.
„Sie ist ein schwarzer Panther."
„Ja, und?"
„Jace auch."
„Was? Das ist unmöglich!" Jetzt wirkte der Schuldirektor hellwacher. Sein Blick wanderte von mir zu Jace und wieder zurück. „Aber sie hat rote Haare", stellte er fest.
„Ja, das außerdem", bestätigte Cole. Ich fühlte mich wie auf dem Servierteller und sagte: „Sie hat auch einen Namen und ist anwesend." Ich setzte mein strahlendstes Lächeln auf, das ich hinbekam. Daraufhin sahen mich beide irritiert an, während Jace versuchte, sich ein Lachen zu verkneifen.
„Und was ist das?" Sobald die Sprache auf Finn kam, verstummte er und räusperte sich.
„Ähm... Das ist Finn. Mein Mitbringsel aus einer schiefgelaufenen Beziehung", sagte Jace und ich dachte: welch ein Ausdruck...
„Hä?", fragte Julian verwirrt. Sein Verstand war wohl auch etwas ermüdet.
„Na ja... Als meine Freundin von meinem Gen erfahren hat, ist sie abgehauen...", erklärte Jace gedehnt. Er wirkte unsicher.
Julian stützte seinen Kopf auf seine Hände und sagte eine Weile erstmal gar nichts. So lange, bis Jace und ich uns schon unsichere Blicke zuwarfen. Cole starrte die ganze Zeit nur auf den Direktor.
Irgendwann riss mir dann der Geduldsfaden. Schließlich wollte ich auch ins Bett. Ich stützte mich auf den Tisch und beugte mich zu ihm hin. Dann sagte ich: „Wieso gehen Sie nicht einfach jetzt schlafen und wir reden morgen in aller Frische darüber, hm? Dann sind wir alle ausgeschlafen und können mit kühlen Gedanken an die Sache herangehen."
Er stand auf, stützte sich ebenfalls auf und sagte: „Ich schlafe nicht. Und wenn du Schlaf brauchst, wieso bist du dann so spät noch hierher gekommen? Wenn du müde bist, solltest du besser gehen." Seine Augen blitzten gefährlich grün.
Ich starrte einen Moment zurück. Dann stieß ich mich von dem Tisch ab, sagte: „Okay, dann geh ich jetzt ins Bett", drehte mich um und stürmte mit einem regelrecht ausgespuckten „gute Nacht" aus der Tür.
Nach ein paar Metern hörte ich ein zweites Paar Schuhe hinter mir und Cole sagte: „Warte, du brauchst doch noch deine Schulsachen."
Ich wandte mich zu ihm um und sah, dass er breit grinste. Ich lächelte zurück und drehte mich wieder nach vorne. Außerdem, und das fiel mir erst jetzt auf, wusste ich gar nicht, wie ich wieder zurückkam.
Zuerst gingen wir zum Sekretariat, um meine Schulsachen zu holen, die ich im Innenhof hatte liegen lassen. Als wir angeklopft hatten und hineingegangen waren, sagte Katrin, die Sekretärin sofort: „Aha, die Rebellin. Ich hab mir schon eine Bestrafung überlegt."
Die Frau war ja nicht gerade nett. Ihre streng zurückgekämmten Haare, die Brille auf der Nase, die steife Haltung und das straffe Outfit verstärkten diesen Eindruck nur.
Unsicher blieb ich stehen. Dann sollte sie also doch noch kommen, die Strafe. Unerwarteterweise sagte Cole jedoch: „Ich denke nicht, dass das nötig ist. Ich habe mich bereits darum gekümmert." Doch Katrin ließ nicht locker. „Ich würde lieber sichergehen", bestand sie.
Da sagte, oder besser gesagt: knurrte, Cole mit Nachdruck und jedes Wort betonend: „Ich sagte: Ich habe mich bereits darum gekümmert. Weitere Maßnahmen sind nicht nötig."
Die Sekretärin fügte sich und überreichte mir kommentarlos meine Sachen. Ich war froh, als wir wieder draußen waren.
„Was ist jetzt mit Jace und Finn?", fragte ich Cole, während wir den Innenhof zum Westflügel überquerten, in dem die Mädchen schliefen. Der Vollmond tauchte alles in ein mystisches Licht und es war beinahe ganz still.
„Julian wird ihnen ein Zimmer zuweisen", antwortete er schulterzuckend und ich nickte zum Zeichen, dass ich verstanden hatte. Den Rest des Weges legten wir schweigend zurück.
Als wir vor der Tür standen, bleib ich stehen und sagte: „Ab jetzt komm ich auch alleine klar."
„Weiter darf ich auch gar nicht." Ich konnte seine Zähne weiß aufblitzen sehen, als er lächelte.
„Okay, dann..."
„Warte, du hast da einen Käfer im Haar", sagte er und deutete auf eine Strähnen an meinem Ohr. Er kam näher. Ich konnte ihn riechen. Irgendein Geruch nach Flieder und Minze, nach Frische. Ich blieb ganz still stehen, hielt sogar den Atem an, während er den Käfer aus meinem Haar holte. Dann war er schließlich fertig und trat einen Schritt zurück. Sofort wurde mir kalt. Er zeigte mir den Käfer, bevor er ihn ins Gras am Rand des Wegs setzte. So viel Zärtlichkeit, so viel Vorsicht. Als er sich wieder aufrichtete und zu mir zurückkam, lächelte er nicht. Wieder sah ich diesen Schmerz und diese Sehnsucht in seinen Augen, die damals im Wald gesehen hatte. Woher er wohl kam, der Schmerz?
„Gut, dann... gute Nacht", sagte er kurz angebunden und wandte sich Richtung Ostflügel, wo die Jungen untergebracht waren. Ich blieb alleine zurück und schaute ihm nach.
Als er schon längst weg war, flüsterte ich: „Gute Nacht, Cole."
Dann ging ich ins Bett.
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Tränen von Blut
ParanormalMira geht nicht auf eine normale Schule. Sie ist auf einer Schule für Gestaltenwandler. Das heißt: Jeder in ihrer Klasse kann sich verwandeln, aber in verschiedene Tiere. Kein Tier gibt es doppelt. Bis Jace an die Schule kommt. Er ist ein Panther, g...