Weinen

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Bildquelle: http://spruchbilder.com/2496/weinen--das-einzig-wahre-gefuehl

Jace brachte kein Wort zwischen seinen zusammengepressten Lippen hervor, schüttelte nur den Kopf und wandte sich wieder ab. Ich ging zu ihm und nahm ihn in den Arm. Was auch immer passiert war, er brauchte jetzt alle Liebe, die er kriegen konnte und welche war denn besser als die der Schwester? Miriam stand auf und stellte sich neben Cole. Jace bettete seinen Kopf an meinen Hals und ich strich ihm tröstend über den Rücken, hielt ihn fest, wie Cole mich immer festgehalten hatte, wenn ich so aufgelöst war. Seine Schultern bebten und wurden immer wieder von Schluchzern geschüttelt. Mein T-Shirt wurde am Hals ganz nass, aber das machte mir nichts aus.

Nach einer Weile fand Jace dann doch Worte. Er ließ seinen Kopf wo er war und schluchzte: „Mira, Emma hat angerufen. Wir sollen sofort nach Hause kommen. Es... Es ist... Es ist wegen Papa. Er..." Seine Stimme brach und das Zittern seiner Schultern setzte erneut mit voller Wucht ein.

„Sch...", machte ich und rieb ihn noch fester über den Rücken, um ihm zu zeigen, dass ich da und er nicht alleine war. „Es wird alles wieder gut."

Das waren offensichtlich die falschen Worte. Wie von der Tarantel gestochen sprang er auf und stieß dabei seinen Stuhl um.

„Wie soll alles wieder gut werden?", brüllte er. „Papa ist..." Wieder unterbrach er und ließ sich völlig entkräftet auf einen anderen Stuhl fallen.

Ich ging zu ihm und nahm ihn wieder in den Arm. „Was ist denn?", fragte ich, während ich ihm den Rücken streichelte. Vielleicht hätte ich mir früher denken können, was passiert war, aber irgendwie hatte ich nie damit gerechnet, dass so etwas passieren könnte.

„Papa ist tot, Mira."

Ich erstarrte, hörte mitten in der Bewegung auf. Mein Atem beschleunigte sich, während mein Gehirn die Worte zusammensetzte. Mein Herz tat es jedoch nicht und deshalb kamen keine Tränen. Jace klammerte sich nun regelrecht an mich, denn es auszusprechen bedeutete, es zu akzeptieren. Dadurch wurden die Worte noch wahrer. Ich versuchte, möglichst bei ihm zu sein, aber alles in mir schien taub geworden zu sein. Geräusche drangen nur wie durch Watte an meine Ohren und meine Hände streichelten monoton weiter, ohne dass ich mitbekam, was ich eigentlich tat.

Ich schaute aus dem Fenster. Der Himmel war strahlend blau und die Sonne erfreute heute sicher hunderte Touristen in Paris, aber uns vermochte sie nicht zu trösten. Für Jace war es sicher noch schlimmer, als für mich, denn er hatte die Vertrauensperson verloren, die er seit Anbeginn seines Lebens kannte und die immer da gewesen war. Ich hingegen hatte Julian kaum gekannt. Aber er war trotzdem mein Vater gewesen. Der Vater, den ich nie gehabt hatte, den ich gerade erst bekommen hatte und der mir sofort wieder entrissen worden war.

Eine einzelne kleine Träne rann leise aus meinem Augenwinkel über meine Wange, während mein Herz noch immer verzweifelt zu begreifen versuchte, was das bedeutete.

Tränen von BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt