Tränen der Nacht

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Bildquelle: http://spruchbilder.com/10923/traenen-begleiten-uns-in-unserem-leben

Ich weinte und schluchzte die ganze Nacht hindurch, mal laut, mal leise. Mal dachte ich, ich hätte es unter Kontrolle, doch dann brach es wieder mit voller Wucht über mir herein und verursachte ganze Wasserfälle von Tränen. Es war dunkel draußen. Nicht mal Mond oder Sterne waren zu sehen, sie wurden von den Wolken verdeckt. Ich fand keinen Schlaf, was auch daran lag, dass ich, sobald ich die Augen schloss, das Bild von dem Loch in Julians Brust, das der Holzpflock hinterlassen hatte, vor mir sah.

Als der Himmel wieder heller wurde, war mein Kopfkissen bereits ganz nass. Doch trocken wurden meine Augen noch immer nicht. Es war, als hätte ich gerade erst mit dem Weinen angefangen. Wer sagt, er könne nicht mehr weinen, weil keine Tränen mehr vorhanden wären, der lügt. Immer wieder rannen kalte Schauer über meinen Rücken und ich fror entsetzlich. Ich zitterte ja sogar, was vielleicht nicht allein daran lag, dass mein Kopfkissen kalt und feucht war.

Als sich der Horizont rosa zu färben begann, kam er in mein Zimmer. Er schloss die Tür, kam zu mir und nahm mich wortlos in seine Arme. Ich rollte mich ganz klein zusammen und er hielt sowohl mich als auch meine Decke fest, sodass mir äußerlich vielleicht warm wurde, innerlich mein Herz aber immer noch so kalt und nass und voll Trauer war.

„Mein Vater ist tot, Cole", flüsterte ich, heiser vom vielen Weinen.

„Ich weiß", murmelte er, hielt mich an sich gepresst und drückte meinen Kopf an seine Brust. „Ich weiß." Ihm war es dabei egal, ob sein T-Shirt nass wurde.

Die Sonne ging auf und nur noch gelegentlich schüttelten mich die Schluchzer. Als sie fast oben am Himmel stand, waren sogar meine Augen trocken. Ohne Cole hätte ich es nicht geschafft.

„Hat er sich selbst umgebracht?", brachte ich schließlich über mich, die Frage zu stellen, die mich die ganze Nacht gequält hatte.

„Nein", sagte Cole, während er anfing, über mein Haar zu streicheln.

„Was macht dich da so sicher?"

„Warum sollte sich Julian umbringen. Er ist, er... war Großvater, hat gerade seine Liebe wiedergefunden..." Hilflos zuckte er mit den Schultern.

„Emma?"

„Ja. Es muss jemand anderes aber innerhalb unserer Mauern gewesen sein."

„Aus unserer Schule?", ich konnte die Angst nicht aus meiner Stimme fernhalten. Dann waren alle in Gefahr.

„Ja, aber ich denke nicht, dass es einer der Schüler war", meinte er.

„Warum?"

Er zuckte mit den Schultern, sagte aber weiter nichts dazu.

„Denkst du, es ist ein Lehrer?"

„Nein."

„Eine der Köchinnen?"

„Eher nicht. Die wissen ja gar nichts von Vampiren. Oder sollten es zumindest nicht."

„Linda?"

„Hast du gesehen, wie traurig sie über seinen Tod war?"

Ich zuckte zusammen, als er von seinem Tod sprach.

Dann blieb nur noch eine: „Marlene?"

Er sagte nichts, was so gut war wie ein Ja. Als er dann sagte: „Ich will niemanden beschuldigen." bestätigte mir das nur noch mehr, dass er sie verdächtigte. Wenn ich es mir recht überlegte, hatte ich nicht wirklich Anzeichen von Trauer in ihrem Gesicht gesehen...

Oh nein. Ich fuhr hoch.

„Was ist denn?", fragte Cole.

„Finn." Sie war mit ihm rausgegangen. Ich wollte schon aus dem Bett springen, als er mich wieder in seine Arme zurückzog.

„Jetzt mach mal halblang. Ich habe mit Jace darüber gesprochen, als er sich wieder einigermaßen beruhigt hat. Er lässt Finn auf jeden Fall nicht mehr aus den Augen", sagte er in meine Haare, auf die er seine Lippen presste.

„Cole?"

„Ja?"

„Danke."

„Wofür?" Dass du mit mir die Brücke baust, dachte ich, sagte es aber nicht.

„Ich liebe dich."

„Ich dich auch, Mira."

Ich legte meinen Arm um seinen Hals und küsste ihn.

Und dann fragte ich ihn einfach: „Können wir Anna adoptieren, wenn wir geheiratet haben?"

„Wer ist Anna?"

„Das Mädchen aus dem Kinderheim, das damals von den Jungen verprügelt wurde."

„Warum sie?"

„Ich möchte ihr einfach helfen. Und Elena auch. Die Betreuerin, die uns geholt hat. Sie war früher meine Zimmergenossin und Freundin. Sie ist immer noch in diesem Heim gefangen, Cole. Stell dir das vor. Nach all den Jahren. Ich will ihnen helfen."

„Okay."

„Okay?"

„Ja, okay. Alles, was dich glücklich macht, macht mich glücklich, weißt du doch", sagte er lächelnd.

„Okay." Ich lächelte in mich hinein. Dass streckte ich mich und küsste ihn noch einmal.

„Komm, lass uns aufstehen", schlug Cole vor.

„Ja", sagte ich, „lass uns den Mörder suchen."

-Hallo Leseratten,
Ich freue mich weiterhin über Kommentare. Wie gefällt euch, was ich schreibe? Klar, ich finde das auch ziemlich traurig, aber im Leben läuft auch nicht immer alles nach Plan. Dann wäre es ja auch langweilig. Also schreibt, was ihr davon denkt. Viel Spaß beim Lesen!

Euer readerbunny01-

Tränen von BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt