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Als am nächsten Morgen der Wecker klingelte, hätte ich ihn am liebsten aus dem Fenster geworfen. Ich war so müde, dass ich die Augen beinahe nicht auf bekam. Schließlich überwand ich mich, schwang die Beine über die Bettkante und sah mich im Zimmer um. Es war nicht sehr groß, aber es war mein Reich. Das Fenster über dem Bett hatte einen wunderschönen Ausblick zum Wald, worüber ich glücklich war, denn ich wollte kein Fenster zum Innenhof haben. Allerdings hingen schwere, dunkle Wolken am Himmel, die viel Regen versprachen. An der Wand gegenüber der Fensterwand stand ein großer Schrank und auf der linken Seite neben der Zimmertür hing ein Spiegel. Rechts neben der Tür, also von meinem Bett gegenüber, stand eine Komode und neben dem Bett stand mein Schreibtisch.
Ich stand auf und ging zum Schrank, um mich anzuziehen. Ich seufzte. Das würde ein anstrengender Tag werden.
Ich liebte es, morgens warme Haferflocken mit Kakao zu essen. Ich aß es beinahe jeden Tag und war es immer noch nicht leid. Ich hastete also schnellstmöglich den Gang entlang, um noch eine kleine Schale abzubekommen. An der Schlange traf ich auf Jace.
„Guten Morgen", begrüßte ich ihn fröhlich, „gut geschlafen?"
„Ja, aber leider viel zu kurz", er lächelte gequält.
„Wo ist Finn?", fragte ich.
„Er ist bei Cole. Sie sitzen an dem Tisch da drüben am Fenster", antwortete er und deutete zu besagtem Tisch. Ich hatte sie sofort mit meinen Augen gefunden. Trotz des trüben Wetters leuchteten Coles Haare, während er sich über Finn beugte, den er im Arm trug. Mir kam sofort eine glückliche Familie in den Sinn.
„Sie scheinen sich ja zu mögen", sagte ich. Just in dem Moment schaute er auf, direkt in meine Augen. Dann lächelte er und winkte. Ich lächelte ebenfalls.
Als ich mich wieder umwandte, sah ich , dass Jace sich auch Haferflocken genommen hatte. „Haferflocken also?", fragte ich neugierig.
„Ja", antwortete er, „die hab ich früher immer gegessen. Jetzt soll Finn sie auch bekommen."
„Ich esse auch immer Haferflocken. Jeden Morgen", erzählte ich ihm, während ich mir eine große Portion in eine Schüssel scheppte. Gemeinsam gingen wir zu Coles Tisch und setzten uns zu ihm. Ich ignorierte, dass uns dabei die Blicke der gesamten Schulgemeinschaft folgten.
„Guten Morgen", begrüßte ich die beiden.
Cole grüßte zurück und ich begann zu essen. Bis mir auffiel, dass Jace sich gar nichts mitgebracht hatte. „Isst du nichts?", fragte ich.
„Nein", war seine karge Antwort.
„Warum nicht?"
„Weil ich morgens keinen Hunger gab, okay?" Er wirkte gereizt. Also zuckte ich mit den Schultern und ließ das Thema unter den Tisch fallen. Als wir fertig waren verließen wir den Speisesaal. Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass ich nur noch fünf Minuten bis Unterrichtsbeginn hatte. Ich verabschiedete mich schnell und eilte zu den Mädchenumkleiden. In der ersten Stunde hatte ich Fechten. Hastig nahm ich meinen Anzug von dem Harken an der Wand und zog mich um. Als ich auf den Trainingsplatz trat, begann es bereits, leicht zu nieseln. Aber selbst ein Hurrikan wäre für unseren Lehrer Tobias, oder kurz Toby, kein Grund gewesen, das Training nach drinnen zu verlegen. Ich lief schnell zu den anderen in die Mitte des Platzes und stellte mich mit ihnen in einer Reihe auf. Toby ging vor uns auf und ab und begann mit seiner Motivationsrede. Wenn man bedachte, dass er sich nur in eine Maus verwandeln konnte, woher auch das graue Haar rührte, war es nicht verwunderlich, dass er Fechtmeister geworden war. Schließlich ließ er uns zehn Runden um den Platz laufen und teilte uns dann in Zweierteams ein. So verging der Vormittag. Ich trainiere hart, da ich fünf Jahre aufzuholen hatte. Dadurch, dass ich in den Familien immer weitergereicht worden war, hatte keiner früher entdeckt, dass ich das Gen besaß. Demnach hatte mich auch keiner schon mit zwölf auf die Schule geschickt. Zum Glück hatte ich nicht mit den neuen, also den zwölfjährigen, anfangen müssen, sondern durfte mit gleichaltrigen lernen. Ich war jetzt seit etwa einem Monat hier und hatte mich schon gut eingelebt. Das einzige Blöde war, dass ich mich noch nicht verwandeln konnte.
Als ich am Mittag in den Speisesaal kam, saßen Cole und Jace mit Finn schon an dem Tisch, an dem wir auch heute morgen gesessen hatten. Cole hatte schon einen Teller mit Kartoffeln, Bratwurst und Gemüse vor sich stehen, Jace nicht. Er fütterte Finn mit Brei. Ich hatte wahnsinnig Hunger nach dem anstrengenden Vormittag. Ich holte mir ebenfalls das Menü und setzte mich zu ihnen.
„Ist alles in Ordnung?", fragte Cole und Jace sah ebenfalls auf, „du siehst so blass aus."
„Ich bin nur ein bisschen müde", tat ich mit einer Handbewegung ab, aber Cole sah mich nur kritisch an, während Jace sich wieder seinem Sohn zuwandte. Ich fing an, zu essen. Es schmeckte wirklich lecker. Irgendwann nervten mich die besorgten Blicke von Jace und Cole dann doch und ich stieß ziemlich unwirsch hervor: „Mir geht's gut, okay? Ihr braucht euch um mich nicht zu sorgen."
Jace und Cole wirkten nicht überzeugt, wandten sich aber wieder ihrem, beziehungsweise Finns, Essen zu. Wir aßen schweigend weiter.
Plötzlich verkrampfte sich mein Magen derart, dass ich erschrocken die Luft ausstieß. Sofort schauten mich beide mit einem ebenso erschrockenen wie besorgten Blick an. Ich versuchte, sie mit einem Lächeln zu beruhigen, was mir aber gründlich misslang. Bei dem Versuch, normal weiter zu essen, bekam ich keinen Bissen mehr runter, weil sich meine Kehle auf einmal furchtbar eng anfühlte. Ich versuchte das Gekaute mit Wasser hinunter zu spülen. Das ging jedoch nach hinten los. Mir wurde schlecht. Ich stand auf und quetschte eine Entschuldigung hervor, die Hand vor den Mund gepresst. Doch bei der schnellen Bewegung machte mein Magen dann endgültig nicht mehr mit. Ich würgte bevor ich aus dem Raum zu den Toiletten stützte.
Als alles draußen war, was ging, ließ ich mich erschöpft neben der Kloschüssel auf den Boden sinken und drückte die Spülung. Ich blieb noch ein paar Minuten sitzen, dann stand ich auf, um den ekligen Geschmack aus meinem Mund zu spülen. Als ich in den Spiegel schaute, erschrak ich. Ich war wirklich blass, fast schon weiß, und hatte dunkle Augenränder. Meine grünen Augen hingegen leuchteten und flimmerten, als hätte ich Fieber oder eine andere Krankheit. Als ich mir aber an die Stirn fasste, war sie eiskalt, also konnte ich Fieber ausschließen. Ich spritzte mir Wasser ins Gesicht und verließ die Damentoiletten.
An der Wand stand Cole. Na toll, das brauchte ich auch gerade. Er schaute auf, als ich raus kam, und ging auf mich zu.
„Wie geht es Dir?", fragte er sanft. Er hob die Hand, als wolle er mir eine Strähne aus dem Gesicht streichen, ließ sie dann aber wieder sinken.
„Na ja... Ich lebe noch, falls du das meinst." Das sollte eigentlich sarkastisch klingen, doch sattdessen bekam ich nur ein Krächzen hervor. Ein peinliches Schweigen entstand.
„Wir haben dein Essen weggebracht. Du hast doch keinen Hunger mehr, oder?", sagte er schließlich.
Eigentlich hatte ich schon Hunger, und wie. Aber wenn ich auch nur an das Mittagessen dachte, kam es mir beinahe schon wieder hoch. Also nickte ich.
„Gut, dann bring ich dich jetzt ins Bett", bestimmte er und schob mich vorwärts. Ich nickte.
Ich hatte Hunger. So viel, dass mir schwindelig wurde und ich taumelte. Glücklicherweise war Cole sofort zu Stelle und hielt mich fest.
Als wir auf den Hof traten, regnete es in Strömen und wir beeilten uns, zu dem Mädchentrakt zu kommen. Wir waren trotzdem klatschnass, als wir dort ankamen. Ich war so von der Rolle, dass ich mich noch nicht mal wunderte, warum er mit reinkam, wo es für männliche Wesen doch verboten war. Er brachte mich bis in mein Zimmer. Auch dass er wusste, wo es sich befand, wunderte mich nicht. Cole schloss die Tür hinter uns, während ich mich sofort auf mein Bett fallen ließ. Er setzte sich auf meine Bettkante, deckte mich zu und kippte das Fenster auf.
„Frische Luft tut immer gut", sagte er und nahm meine Hand. Seine Hände waren warm und weich. „Ich komm heute Abend wieder, um nach dir zu sehen. Ich bring meine Matratze mit...", sagte er noch.
Dann schlief ich mit einer wohlig kribbelnden Hand ein, während ich dem Regen lauschte.
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Tränen von Blut
ParanormalMira geht nicht auf eine normale Schule. Sie ist auf einer Schule für Gestaltenwandler. Das heißt: Jeder in ihrer Klasse kann sich verwandeln, aber in verschiedene Tiere. Kein Tier gibt es doppelt. Bis Jace an die Schule kommt. Er ist ein Panther, g...