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Die Person hörte genauso schnell auf wie sie angefangen hat. Inzwischen kann ich aber nicht sehen, wer es war, denn nun stand ich so nah an anderen dran, das es hätte jeder sein können. Das einzige, was ich sicher weiß ist, dass dies niemand mitbekommen hat. Alle stehen um uns herum und das erste mal seit langem sind wir eine große Familie.

Die ersten Leute zogen sich wieder in die einzelnen Räume zurück, genauso wie wir. 
Inzwischen war die Zeit, wo die ersten Interviews geführt werden. Keine Ahnung, ob die Reporter respektvoller geworden sind, aber die behandeln uns gerade freundlicher als sonst. 

Stunden und Stunden vergingen. Hier ein Interview, da eine neue Hochrechnung, da ein anderes Interview und immer so weiter. Inzwischen ist es 22 Uhr und wir haben endlich mal wieder eine Pause. 
Robert, Annalena und ich sind den ganzen Abend schon zusammen unterwegs. Die beiden führen ihre Gespräche mit Reportern, oft muss ich auch eins machen, worauf ich eigentlich keine Lust habe, aber ändern kann ich es nun einmal nicht. Zwischendurch gab es immer mal ein Glas Sekt, da wir immer wieder anstoßen auf die Ergebnisse oder einfach zwischen den Interviews kurz etwas trinken müssen. 
Gegessen haben wir alle seit Ewigkeiten nichts. Robert machte sich auf den Weg um nach etwas essbaren zu suchen, während ich bei Annalena blieb. Die Wärme, der Stress durch die Interviews und wahrscheinlich auch der Alkohol machen ihr inzwischen ganz schön zu schaffen. 

Ich gebe ihr immer und immer wieder ein Glas Wasser in der Hoffnung, dass sie sich bisschen besser fühlt. Nach 20 Minuten kommt auch endlich Robert wieder mit 3 Bratwürsten in Brötchen. Hier drinnen scheint er nichts gefunden zu haben und hat offenbar das Gebäude verlassen, damit wir etwas haben. 

Nach einer ewig langen Pause in der wir es geschafft haben, Annalena wieder zu Motivieren, steht nun das letzte Interview an. Es ist inzwischen fast 2 Uhr morgens und ich bereue es, dass ich nicht länger geschlafen habe. Inzwischen sind die Hochrechnungen wieder anders als davor, jedoch verändert sich unsere Prozentzahl mehr ins positive, als ins negative. Auch wenn es manchmal weniger als 1% ist. 

Das Gespräch ging ewig. Jeder von uns hat den Abend viel geredet. Besonders wichtig waren künftige Vorstellungen und natürlich kamen wieder mehr Fragen zu den Koalitionen als zu allem anderen. Aber auch Reporter sind genervt von den Fragen, da sie die Antworten eh kennen. Aber sie müssen, genauso wie wir auch. 

Ich glaube gegen 3:40 Uhr morgens konnten wir endlich als die fast Letzten zurück nach Hause. Da ich am wenigsten getrunken habe, musste ich fahren. Robert wohnt ca auf meinem Weg, weshalb ich ihn zuerst weg brachte. 

"Vielleicht solltest du Annalena mit zu dir nehmen. Sie ist komplett fertig und es wäre nicht klug, sie alleine zu lassen." riet er mir noch bevor er sich mit einem "Gute Nacht" verabschiedet. 

Ich habe keine andere Wahl, denn er hat recht. Während wir draußen standen ist sie auf dem Rücksitz eingeschlafen. Jedenfalls sieht sie deutlich besser aus als vor ein paar Tagen, so als ob sie die letzten Tage besser bzw überhaupt geschlafen hat. 

Zuhause angekommen gingen wir, da sie inzwischen wieder halb wach war, die Treppe zu meiner Wohnung hoch und ich setzte sie erstmal auf mein Sofa. "Wo bin ich?" murmelt sie, während ich zwei Gläser Wasser hole.
"Alica, komm doch her." es ist ungewohnt, meinen Namen aus ihrem Mund wieder zu hören. 

"Du solltest schlafen. Ich bring dich in mein Bett." 

"Und wo schläfst du dann?" darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ihre Wohnung war deutlich größer, denn scheinbar hat sie zwei Schlafzimmer und eine riesige Couch. Ich habe ein Schlafzimmer und eine Couch, wo man gerade so zu zweit drauf sitzen kann.

Wo ich schlafe überlege ich mir noch. Ich brachte sie erstmal in mein Zimmer und legte ihr Handtuch und neue Klamotten auf den Nachttisch. 
"Bleib mit hier." sagte sie im Halbschlaf.
"Wie?" 
"Naja hier. Zum schlafen. Das Bett ist groß genug. Und größer als meine Couch auf jeden Fall." Ihre Couch. Ich weiß noch, was beim letzten mal war, als wir zusammen im gleichen "Bett" geschlafen haben. Aber gerade geht nichts anderes. Sie schein damit kein Problem zu haben und ich muss irgendwo schlafen. 
Wir beide zogen uns noch um und gingen dann, kurz vor halb 5, endlich schlafen. 

Es ist ungewohnt, ihr wieder so nah zu sein. Aber ich merke, wie es mir selbst gut tut. Ich kann besser und deutlich ruhiger schlafen. Jedoch musste ich einen Wecker auf 10 Uhr stellen, da wir 12 Uhr wieder zurück sein müssen.

Ich war trotzdem schon lange vorher wach. Einschlafen kann ich nicht mehr, weshalb ich mich aus dem Zimmer schlich und mich in meine Küche setze.

Kurz nach 10 Uhr bin ich noch immer in meine Zeitung vertieft, die ich schon vor knapp 2 Stunden angefangen habe. Keine Konzentration. Ich bekomme meinen Kopf nicht von den Ereignissen von gestern weg.
Der gestrige Abend mit Annalena,
Die Zahlen durch die Wahlen
Und der Kuss. Ich weiß nicht von wem.
Es war etwas, was einfach nicht in die Situation gepasst hat, aber es muss einen Grund geben. 

"Guten Morgen" rissen mich die Worte aus meinen Gedanken. Inzwischen ist auch Annalena wach und steht jetzt mit neuen, um genau zu sein meinen, Sachen in der Tür und starrt mich an.

"Setz dich. Willst du einen Tee?"

"Nein danke. Hab noch mein Wasser."

Ich las weiter meine Zeitung, während die Frau neben mir sich mit ihrem Frühstück befasst.
"Wann müsschen wir eigentlich zuruck zur Arbei? nuschelt sie, während sie auf ihrem Brötchen herum kaut. "12. Aber wir haben noch einen Stunde Zeit. Brauchst du noch etwas?"

"Hast du einen Bluse oder so für mich?"

"Ach, ich finde diese Schlafsachen ganz schick. Damit kannst du bestimmt einige Interviews machen." gab ich ihr ironisch zurück und stand auf um ihr Sachen zu holen.

Während sie noch weiter isst, kann ich duschen gehen. Gestern Nacht bzw heute früh war ich so müde, dass ich das vergessen habe.
Sie in meinen Klamotten zu sehen tut weh. Ich war schon immer eine Person, die sich viel zu viel von Sachen denkt und das erinnert mich einfach an zu vieles.

Nachdem wir uns beide angezogen und geduscht haben, machen wir uns wieder auf den Weg.

Kurz bevor wir das Gebäude betraten, schaut sie mich noch einmal an
"Ist bei dir alles gut? Du bist so ruhig"
"Was?"
"Ist alles gut?"
"Achso, ja klar"
Sie kauft mir die Antwort definitiv nicht ab, das merke sogar ich. Trotzdem ging sie nicht weiter drauf ein, wir verabschiedeten uns und jeder ging seinen Weg.



𝑎𝑛𝑑 𝑦𝑜𝑢 𝑠𝑎𝑣𝑒𝑑 𝑚𝑒 -annalena baerbockWo Geschichten leben. Entdecke jetzt