13.

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«Ist bei dir alles gut?
Sieht aus, als wäre bei Annalena und dir etwas vorgefallen.»

«Ja. Alles bestens»

«Sicher? Du kannst gerne mit mir darüber reden. 
Das Angebot steht noch immer.»

«Das passt so. Danke.»

Ich habe keine Lust, mit ihm ein Gespräch zu führen. Ich bin gerade erst zuhause angekommen und schon schreibt er einem. Es ist schon etwas süß, wie er sich Gedanken macht, jedoch kommt es von ihm, was es deutlich weniger süß macht.

Ich weiß nicht was ich machen soll. Jedes mal, wenn Annalena und ich uns streiten, dann geht es mir schlecht. Und wieso? Keine Ahnung. 
Nach all dem, was zwischen uns vorgefallen ist, dachte ich ja, dass wir das geklärt haben und getrennte Wege gehen, aber nicht so getrennt wie jetzt.

Ich durchsuche meine Wohnung nach einer Flasche Wein. Die brauch ich jetzt einfach um runter zu kommen. Eine zu finden ist hier nicht schwer. Nur eine zu finden, in der noch etwas drin ist schon. Die letzten Wochen trinke ich zu viel. Ich glaub es war seit langem kein Tag vergangen, an dem ich 100% ausgenüchtert zur Arbeit gegangen bin. Die ganze Sache macht mich emotional fertig. Und ich verstehe es einfach nicht. Annalena ist meine Kollegin und eine gute Freundin. Ich will sie nicht verlieren, aber es sind immer so viele Momente, vor allem in den letzten Wochen, wo wir einfach nicht ein miteinander sind. Ich muss Abstand von ihr halten. Egal wie, aber das ist die beste Lösung für uns beide. Vielleicht sollen wir einfach keine Freunde sein. Vielleicht muss es einfach so sein. 

Wein habe ich keinen mehr gefunden und auf neuen kaufen habe ich jetzt auch keine Lust mehr. Ich habe nur eine halbvolle Flasche Vodka gefunden, aber das wird auch gehen. Glas? Wird überbewertet. Ich sitze mich auf meine Couch, öffne die Flasche und trinke einen Schluck. Die Flüssigkeit brennt in meinem Hals und es tut gut. 
Und es macht süchtig. Im Hintergrund habe ich meinen Fernseher laufen und schaue ab und zu, worum es gerade so geht. Inzwischen ist fast Dezember und gerade geht es nur noch um Weihnachten und Neujahr. 
Noch nicht einmal 21 Uhr und nicht mal mehr 100ml sind in der Flasche. Ich kann nicht aufhören zu trinken. Ich hab seit paar Minuten Kopfschmerzen, aber ich kann es nicht lassen. Im Wandschrank müsste noch eine Flasche Sauerkirsch stehen. 
Aber schon am aufstehen scheitert es. Ich kann mich nicht auf den Beinen halten, ohne mich extra irgendwo festzuhalten. 
Ich musste nur einige Schritte gehen bis mir schlecht wurde. *Du hast vorher nichts gegessen. Du hast sogar den ganzen Tag noch nichts gegessen* erinnere ich mich selbst. 
Keine 2 Meter weiter merke ich, wie es mir hoch kommt. Ich lief, zumindest so schnell und weit ich kann, zu meinem Spülbecken und muss mich direkt darüber übergeben. 
Mindestens 5 Minuten hing ich da und versuche meine Gedanken zu ordnen. Doch vergeblich. Ich Idiot hätte etwas essen sollen. Jetzt bringt es nichts mehr. *Reiß dich zusammen. Geh schlafen, sonst wird das morgen nichts.* Und das mache ich auch. Ich schnappte mir die Vodkaflasche und ging in mein Schlafzimmer. 
"Wir müssen hier ja nichts verschwenden" und trank von dem Rest. Die Flüssigkeit geht inzwischen runter wie Wasser, brennt jedoch immer noch an meine Kehle. Keine Ahnung was dann passierte, aber Tränen fingen an, sich im Auge zu bilden. *Reiß dich zusammen* sagte ich mir selbst immer und immer wieder. Doch es hilf nichts. Aus dem nichts fing ich an zu weinen. Alleine, und im dunklen Zimmer mit einer Flasche Vodka in meiner Hand. 

Ich muss irgendwann eingeschlafen sein. Aber irgendwann habe ich auch noch die Flasche komplett geleert. Keine Ahnung. Neuer Morgen, heute wird es besser. Ich hab keine Erinnerungen an die Nacht. Vielleicht ist es auch besser so, denn ich hab eine leere Vodkaflasche auf meinem Boden und ein vollgekotztes Spülbecken. Und außerdem mindestens 20 Weinflaschen in meiner ganzen Wohnung verteilt. 
Geschockt von mir selbst gehe ich einen Schritt zurück. Wie kann ich hier noch leben? Bzw wie lebe ich überhaupt noch? Ich muss mein Leben wieder unter Kontrolle bekommen. 
Irgendwelche Klamotten, welche noch in meinem Schrank hängen, sind gerade die einzige Option, um wenigstens etwas normal auszusehen, wenn ich zur Arbeit gehe. Fast hätte ich mein Handy vergessen.
Und ich wünsche mir ich hätte es. Ich hatte mehrere neue Nachrichten und Anrufe drauf. Und von wem? Christian. Der kann einen aber auch nicht einmal ein paar Stunden alleine lassen.

«Gerne.»

«Kommst du morgen überhaupt?»

«Ist bei dir alles gut?
Du bist nie so lange weg von deinem Handy.»

«Wäre es komisch, wenn ich frage, ob du morgen nach der Sitzung mit zu mir kommst?
Nur um zu reden, keine Sorge.»
«Falls nicht, dann ist das natürlich kein Problem.»


Es gibt also doch Leute, denen ich irgendwie wichtig bin. Und zu verlieren habe ich nichts.

«Gern.»

Keine Minute später schrieb er schon zurück. 

«Wir sehen uns dann. Viel Erfolg später»

Meine Laune wird gerade deutlich besser? Und wieso? Wegen Christian Lindner. Gott wie konnte das passieren?! Ich will das nicht denken, das ist sehr falsch.


"Guten Morgen, Robert." 
"Morgen. Alles gut?" 
Ich schaue ihn verwirrt an, während er meinen Blick nur besorgt erwidert.
"Wieso fragst du?"
"Ach egal. Gehen wir rein? Annalena wird eh zu spät kommen. 
Scheinbar hat er gemerkt, wie sich meine Stimmung bei der Erwähnung des Namens änderte, denn er erwähnte ihn den ganzen Weg zum Plenarsaal nicht noch ein einziges mal. 
Wir nahmen unsere Plätze in der zweiten Reihe ein und warteten bis 9 Uhr. Nach und nach füllte sich der Saal und auch Annalena kam irgendwann in einer der Menschenwellen. 

"Gott, dauert das Ewigkeiten, bis man endlich hier ist. Hab ich etwas verpasst?" 
fragte sie Robert, während sie ihre Papiere sortiert. 
Die beiden reden kurz, jedoch hielt ich mich da raus. Ich wollte auch nicht reden, wurde aber auch nicht mit einbezogen. Sie ignoriert mich. Und ich verstehe nicht wieso. Scheinbar hatte in die Nacht vorgehabt, ihr zu schreiben, denn ich habe noch eine ungesendet Nachricht in unserem Chat. Was ich schreiben wollte? Keine Ahnung, denn ich kann es nicht wirklich entziffern. 

Ich legte mein Handy wieder weg und schaute nach vorn. Jedoch bekam ich nach einigen Minuten das Gefühl nicht los, dass mich jemand beobachtet. Ich lies meinen Blick erst zu Annalena und Robert gleiten, jedoch waren die beiden in ein Gespräch vertieft. Ich schaute noch weiter herum und fand letztendlich Christian, wie es mich anschaut. Das ist jetzt creepy. Verwirrte schaue ich ihn an, aber er nickt nur auf sein Handy. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass er will, dass ich auf mein Handy schaue. Und jetzt verstehe ich auch wieso.

«Sieht doch so aus, als wäre zwischen euch beiden nicht alles gut. Bleibt es dabei, dass du später mitkommst?»

«Ja.»

«Ok. Wir treffen uns oben, wenn die ganze Sache hier vorbei ist»

Ich nicke ihm kurz zu und er lächelt zurück. Denn endlich beginnt die Sitzung und Annalena und Robert hören auf zu reden.

𝑎𝑛𝑑 𝑦𝑜𝑢 𝑠𝑎𝑣𝑒𝑑 𝑚𝑒 -annalena baerbockWo Geschichten leben. Entdecke jetzt