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Da wir beide über die Weihnachtsfeiertage alleine waren und nichts zu tun hatten, haben wir fast dauerhaft geschrieben. Nicht unbedingt über wichtige Sachen und vor allem nicht über dieses eine Thema, weswegen es überhaupt Funkstille gab. Und ich muss ehrlich sagen, dass ich es vermisst habe, mit ihr zu reden. Inzwischen war es kurz vor Silvester und ich habe immer noch keine Ahnung, was ich überhaupt machen soll. Clubs sind offen, auch wenn nur begrenzt, aber darauf habe ich auch echt keine Lust. Also wieso nicht. 

«Hey Anni. 

Hast du zufällig schon Pläne für Freitag?»

Einfach abschicken, ich werde es schon nicht bereuen. Und tatsächlich schrieb sie kurze Zeit später zurück. 

«Wie? Hast du etwa abgesagt?»

«Abgesagt?»

«Na Silvesterfeier? 
Oje, hast du keine Einladung??»

«Von was redest du?»

«Olaf hat eine Silvesterparty organisiert.
Mit Leuten von unseren Parteien. Hast du keine Einladung
bekommen?»

Doch. Habe ich. Habe es aber erst jetzt bemerkt, weil ich es endlich mal geschafft habe, meine Post der letzten 3 Wochen zu durchwühlen. Okay, dann habe ich wohl doch einen Plan für den Jahreswechsel. Da ich echt keine Ahnung hatte, erklärt sie es mir noch einmal in Ruhe. Wenigstens ist die Feier in einem gemietetem Raum mit Dachterrasse, somit muss ich nicht mit Jacke rumrennen und aussehen wie ein Marshmallow.


Und schon war Freitag Abend. Anfangen soll es 19 Uhr, aber Annalena und ich haben uns 18:30 Uhr davor verabredet. Wir sind beide lieber überpünktlich da. Und einige andere auch. Robert und Christian zum Beispiel. Seit Weihnachten sind die beiden schon fast wie beste Freunde, und das ist, um ehrlich zu sein, auch leicht gruselig. Aber zu viert betreten wir die Feier, wo auch schon einige andere sind. Olaf begrüßt uns mit offenen Armen und erklärt uns, wo alles ist. Und natürlich ging mein erster Blick zum Buffet. Die haben sogar Miniburger. Hier will ich nicht mehr weg.
Mit der Zeit kamen immer mehr Leute und inzwischen frage ich mich, ob es nicht auch Leute aus anderen Parteien sind. Aber zum Glück endlich auch Toni, Katrin, Anne und Cem. Mit denen verstehe ich mich aus unserer Partei immer noch am besten. Ich erkenne auch einige, die nicht im Bundestag, sondern im Landestag sitzen. Jedenfalls ein sehr bunter Haufen. Und Anni - die steht bei den alkoholischen Getränken und unterhält sich mit Robert. Gerade wollte ich zu denen gehen, als sich ein Arm um meine Schulter legt und mich in eine andere Richtung dreht. 

"Hey- oh, hi Christian" 
"Amüsierst du dich?"
"Der Abend ist noch lang. Alles gut?" 
"Aber natürlich, Alica. Ich wollte dich was anderes fragen." zusammen gehen wir raus auf die Terrasse und ich bereue es, keine extra Jacke zu tragen. "Wie geht das zwischen euch beiden jetzt eigentlich weiter?" Wir beide lehnen an dem Geländer und schauen über die Stadt. Noch ist alles so ruhig. Sein seitlicher Blick verrät mir, dass ich langsam mal was sagen muss. 
"Keine Ahnung. Wir haben die letzten Tage viel geschrieben. Ohne sie wäre ich jetzt nicht hier." ich grinse ihn an und auch er muss schmunzeln. 
"Na dann lass ich euch zwei mal. Der Abend ist noch lang" Nach einem kurzen zwinkern ging er auch schon wieder. 

Annalena und Robert stehen nicht mehr an der kleinen Bar. Robert ist beim Buffet und Anna sitzt auf der Couch. 
"Hey, Alica. Kommst du mit her?" 

Der Abend war zwar lang, aber verging viel zu schnell. Ich saß zwar den Großteil mit Anni auf der Couch und haben 'gekuschelt', aber auch nur, weil mir kalt war und es keine Decken gab. Diesbezüglich haben wir von Christian, Robert und eigentlich so gut wie allen anderen auch, Blicke bekommen, die man nicht richtig deuten kann. 
Aber auch die Tanzfläche konnten wir nicht auslassen. Zwar habe ich nicht mit ihr tanzen können, aber dafür mal wieder mit Christian und auch einigen anderen Kollegen. Generell war der Abend einfach lustig. Ich bin Annalena noch einmal näher gekommen, Olaf hat Karaoke gesunden und Claudia und Wolfgang haben beim Tanzen Hebefiguren eingebaut. Zum Glück haben mehrere Leute ihre Handys auf das Bild gehalten, somit bleibt das wenigstens noch Jahre in Erinnerung. 

Aber leider war es inzwischen schon 23 Uhr. Das heißt noch eine Stunde, und das Jahr 2021 liegt hinter uns. Man kann sich streiten, ob es schön war oder nicht, aber es war ein erfolgreiches Jahr. Nicht in jedem Thema. Bezüglich der Pandemie haben wir Fortschritte, aber auch viele Rückschläge einstecken müssen, die Bundestagswahlen waren für uns ziemlich erfolgreich und selbst die ersten Wochen in der neuen Regierung sind gut verlaufen. Viel Hass, Querdenker und Faschisten haben das Jahr zu dem gemacht, wie es ist. Aber wir haben gelernt, dagegen anzukämpfen, vor allem in der Politik. 
Die letzten Minuten in diesem Jahr kann man ja nicht besser verbringen, als mit Kollegen Flaschendrehen zu spielen. Viele sind schon komplett dicht und spielen nicht mit, aber mindestens 20 Leute kommen doch noch zusammen. Darunter natürlich wir vier, Olaf mal wieder, aber auch Karl Lauterbach. Es wundert mich, dass er überhaupt hier ist, aber er scheint den Spaß seines Lebens zu haben. Sei ihm gegönnt, er ist eigentlich ganz nett.
Viel spannendes passierte nicht. Viele tranken lieber einen Shot anstatt jemanden zu küssen, weshalb es schnell langweilig wurde. Die einzigen, die mehrmals leiden mussten, waren Robert und Christian. Aber auch nach dem vierten Kuss interessiert es keinen von beiden. Ich will ja nichts sagen, aber wenn Robert nicht verheiratet wäre, dann würde da sicherlich noch was laufen die Nacht. 

10 Minuten vor Mitternacht hören wir rechtzeitig auf, damit wir Neujahr nicht verpassen. Ist mir in den letzten 3 Jahren jedes mal passiert, und das will ich nicht noch einmal. Langsam finden sich auch alle anderen auf der Terrasse ein. Noch 3 Minuten. Ich stehe, mal wieder, mit den anderen dreien ganz vorne. Somit haben wir den besten Blick auf das Feuerwerk der Stadt und all den Leuten, die dafür freiwillig Geld ausgeben. Noch 2. Wir rücken alle etwas näher zusammen, damit auch die ganz hinten etwas mitbekommen. Selbst die Musik ist inzwischen aus.
Keine Ahnung wie das kam, aber inzwischen stehen Anni und ich Hand in Hand da. 1 Minute. Jetzt nur nicht nervös werden, es gibt keinen Grund. Robert sieht natürlich mal wieder alles und schiebt mich noch ein Stück näher an Annalena. 
Die letzten Sekunden. Inzwischen fangen alle an, den Countdown runter zu zählen. Von denen neben uns wurden wir so weit zusammengeschoben, dass sich unsere Gesichter bald berühren. Wir zählten alle gemeinsam. Noch 10 Sekunden. Ihre und meine Nase berühren sich inzwischen fast. 
Noch 5. 
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3
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𝑎𝑛𝑑 𝑦𝑜𝑢 𝑠𝑎𝑣𝑒𝑑 𝑚𝑒 -annalena baerbockWo Geschichten leben. Entdecke jetzt