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Heute ist der erste offizielle Tag als neue Regierung. Jeder hat sein Ministerium, die CDU ist endlich in der Opposition und ich hab die Frau meiner Träume an meiner Seite. Nur davon weiß keiner. Nach meinem Traum tut dies inzwischen mehr weh als alles andere. Wir haben wegen des Themas nicht nochmal geredet, als wir auf dem Weg zum Reichstag waren.
Angekommen im Plenarsaal war die Stimmung besonders angespannt. Die Wahl des Bundeskanzlers steht an, genauso wie die offizielle Ernennung der neuen Minister*innen.
Wir hatten eine eigene Tribüne, während die anderen alle in den Fraktionen sitzen. Die alte Regierung sitzt noch bei der Regierungsbank, genau wie Olaf. 

Die ganze Sache ging so etwa 2 Stunden. Da sie natürlich alle 736 Abgeordneten namentlich aufzählen mussten, dauerte das natürlich Ewigkeiten. Wir waren als letztes dran und durften nochmal 30 Minuten warten, bis die Stimmen endlich ausgezählt wurden. Da oben konnten wir nicht viel machen, aber wenigstens die AfD beobachten. Mich wundert es, dass die überhaupt ihre Stimmen abgeben und nicht gleich ein rotes Kreuz mitten in Olafs Gesicht malen. 

Aber Olaf hat gewonnen und zwar mit 451 Stimmen, aber es ist mehr als die Hälfte, also war es nicht einmal sehr knapp.

Jedenfalls konnten wir danach endlich zur Ernennung fahren, wo schon Frank-Walter Steinmeier auf uns wartet. Annalena und ich haben zwar geredet, aber auch nicht nochmal wegen des Themas, jedoch weiß ich, dass wir später definitiv Fragen dazu bekommen, denn wir waren heute mal wieder überall zusammen unterwegs. Laut ihr ist es okay, es öffentlich zu machen, aber ich würde sie trotzdem gerne nochmal fragen, nur jetzt ist dafür keine Zeit.

Die Ernennung war nicht gerade anstrengend, es war einfach dastehen, klatschen oder selbst die Urkunde entgegennehmen. Aber ich war aufgeregt. Das Kabinett ist komplett. Und wir sind in der Regierung. Ich bin in der Bundesregierung. Das war mein Traum, seit ich klein war. Früher wollte ich zwar Familienministerin werden, aber das hat sich zum Glück auch noch einmal geändert. Am Ende gab es noch eine Gruppenumarmung unter den Grünen Ministern, aber dann ging es schon wieder zurück in den Bundestag. Die Presse ließ niemanden alleine. Wir wurden auf Schritt und Tritt verfolgt, in der Hoffnung, wir geben preis, was wir als erstes geplant haben. Aber davon habe auch ich keine Ahnung, da müssen sie unseren neuen Bundeskanzler fragen. 
Natürlich kamen auch viel zu viele Fragen bezüglich Annalena und mir. Keiner reagierte auf diese, weshalb sie es nach ein paar Minuten gelassen haben. Leider haben wir alle später nochmal Interviews und da werde ich nicht drum herum kommen. 

Als wir wieder am Reichstag waren wurden wir von unseren Fraktionen und auch einigen einzelnen Leuten begrüßt und uns wurde viel gratuliert. Viele interessierte es nicht, weshalb die einfach stumm auf ihren Plätzen saßen und auf ihre Handys starren.
Nachdem die alte Regierung ihre Plätze für uns freigemacht hat, konnten wir uns endlich auf die Regierungsbank setzen. In darf in der ersten Reihe sitzen, genauso wie Robert und Annalena. Ganz vorne links sitzt natürlich Olaf, daneben Robert, da er ja Vize-Kanzler ist, und dann folgen auch schon ich und Annalena. Daneben kommt noch die eine aus der FDP und Karl Lauterbach als Gesundheitsminister, was die wohl beste Wahl war.
Hinter uns sitzen die anderen. So wird mein Platz die nächsten 4 Jahre also aussehen.... Von hier aus hat man eine echt tolle Sicht über den kompletten Bundestag. Es ist schon erstaunlich, wie viele Leute inzwischen hier sitzen und wir die Chance haben, in der Regierung zu sein. Leider sitzen wir jetzt deutlich näher an der AfD als es mir lieb ist, aber dagegen kann ich nichts machen. 

Die erste Sitzung auf den neuen Plätzen war interessant. So sieht man endlich mal die Gesichtern von allen Abgeordneten und ihre Reaktionen von dummen Kommentaren. Danach konnte ich erstmal für ein paar Minuten zurück ins Büro gehen, um wenigstens etwas Abstand zu den Kameras zu bekommen. Ich hatte die Hoffnung, dass Annalena wenigstens mal kurz bei mir vorbei kommt, aber so war es natürlich nicht. Nur ich will auch nicht zu ihr gehen, da ich sie nicht nerven will. Außerdem wüsste ich nicht, worüber wir reden sollen. 

Doch irgendwann war leider auch meine Pause vorbei und jetzt kommen nur Interviews. Die ersten alleine, dann ein paar mit Robert, Olaf und leider auch eins mit Christian. Alleine. Davor habe ich gerade am meisten Angst. Seit mehreren Wochen war ich nicht mehr mit ihm in einem Raum, ohne das Anna oder Robert dabei waren. Und ich habe da ein ganz schlechtes Gefühl. Und da es nicht besser werden kann habe ich ganz zum Schluss eins mit Annalena. Es werden wenig Fragen bezüglich unserer Posten kommen, das weiß ich jetzt schon. Nur bis dahin sind es noch fast 5 Stunden. 

Die ersten Interviews waren immer nur die gleichen Fragen, aber wenigstens keine einzige, die ich nicht beantworten will.
Das mit Robert war ganz lustig und auch Olaf war es ganz okay. Bei dem hat man immer das Gefühl, dass er gleich einschläft, aber er ist trotzdem ganz motiviert auf seine neue Stelle als Kanzler. 
Nur jetzt der erste Part, wo ich einfach nur Angst vor habe. Christian. Er steht schon vor der Tür und ich wollte schnell reingehen, doch er hielt mich auf. 

"Ich glaube, wir müssen reden, Alica."
"Nenn mich nicht so."

"Es tut mir Leid, ich-" 

"Spar es dir. Ich bin drüber hinweg, also belass es einfach dabei." 
Natürlich war das gelogen, doch irgendwie bekommt der das nicht mit. Oder er tut nur so. Eins von beiden. 

"Ja, äh. Ich wollte euch beiden eigentlich nur alles Gute wünschen. Ihr habt es beide verdient."

"Was meinst du?"

"Naja du und Annalena. Ihr seid doch zusammen, oder?" 

Wieso er gerade so freundlich ist kann ich nicht verstehen. Und auch nicht, dass er das weiß. Wir haben es niemanden erzählt und Robert gibt sowas nicht weiter, vor allem nicht an ihn. 
"Also.. Danke. Aber woher-" 

"Erkläre ich dir ein anderes mal. Ich hab dir vorhin was geschickt. Das könnte dich vielleicht interessieren. Aber jetzt müssen wir rein."

Und damit betraten wir beide den Raum. Das Gespräch hat mich irgendwie besser fühlen lassen, aber auch sehr verwirrt. 
Natürlich ging es um mein Ministerium. Alle fragen sich, wieso ich es bekommen habe, obwohl Christian eigentlich ganz sicher war. Ich hatte gehofft, dass sich die ganze Sache in die Länge zieht, damit ich nicht allzu schnell zu Annalena muss. Doch nichts war. Nach keinen 20 Minuten wurden wir wieder entlassen und ich musste schon zum nächsten Zimmer, wo sie schon auf mich wartet. 
Wir hatten kaum Zeit zu reden und es reichte nur für ein kurzes "Bereit?" ihrerseits. 

Die ganze Sache lief trotz Nervosität echt gut. Die einzigen Themen waren eigentlich nur die Ziele, die wir mit dem Koalitionsvertrag durchsetzen bzw nicht durchsetzen konnten. Ich hatte eigentlich ein relativ gutes Gefühl, bis es zum Ende kam.

"Nun, Frau Baerbock... Sie und Frau Thompson ignorieren diese Frage nun schon seit längerem und noch immer fragen sich die Leute, ob zwischen ihnen etwas läuft. 'Das Traumpaar in der Regierung'. Das würde morgen in allen Zeitungen stehen. Möchten Sie jetzt etwas dazu sagen?"

Sie blickt nach der Frage kurz zu mir und ich wusste, dass sie es jetzt öffentlich machen würde. 

"Da muss ich Sie leider enttäuschen, Herr Müller. Alica und ich sind nur Kollegen und Freunde, die viel Zeit beruflich, aber auch privat verbringen. Vielleicht können Sie das in Ihre Zeitungen schreiben. Vielen Dank" 

Und damit nahm sie ihre Tasche und verschwand aus dem Raum.


𝑎𝑛𝑑 𝑦𝑜𝑢 𝑠𝑎𝑣𝑒𝑑 𝑚𝑒 -annalena baerbockWo Geschichten leben. Entdecke jetzt