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"Halo, 'türlisch könnt ihr misch allei lassn, alles gud" 
"Nein Alica, Robert hat recht. Claudia, kannst du uns mitnehmen und bei mir absetzen?" 


"So, hier. Leg dich hin. Willst du etwas trinken?"
"Hast du Wodk-" 
"Ich hole dir ein Wasser." Und damit war sie aus der Tür verschwunden. Wirklich viel sehen kann ich nicht, alles ist verschwommen, aber es riecht vertraut. Es riecht nach ihr. Nach Annalena.


Und erneut nehme ich diesen vertrauten Duft wahr. 
"Guten Morgen, Sonnenschein." sie strahlt mir aus dem Türrahmen zu und ich konnte nur lachen. 
"Wie ist uh.. das zustande gekommen?" 
"Das du hier bist? Naja, du warst gestern Abend nicht mehr wirklich.. stabil. Wir konnten dich nicht allein bei dir lassen, also wurdest du hier her geschafft." 
"Haben wir in-" 
"Ich habe auf dem Sofa geschlafen. Wollte dir noch schnell ein Wasser holen, aber da hast du schon geschlafen." 

War ich so dicht? Ohje. 
Sie hat mir bei einem kleinen Frühstück erstmal erklärt, was heute wie läuft. Und kurz danach hat sie mich heim gebracht, da sie selbst noch Zeit braucht. 
Und jetzt sitze ich hier, allein auf meinem Bett und überlege, was ich alles brauche. Wie wird wohl überall das Wetter? Was brauche ich für Outfits? Werden Bilder gemacht? Werde ich auf den Bildern sein? Was soll ich sonst mitnehmen; Bücher? Meinen Laptop? Noch mehr Bücher? Irgend etwas zum stricken? HAB ICH FÜR SOWAS ÜBERHAUPT ZEIT?? 
Es stresst mich. 

Nach 3 Stunden und 6 mentalen Pausen bin ich dann doch fertig geworden. Endlich. 14:39 Uhr.
Noch knapp 2 1/2 Stunden, dann geht es los. Heute brauche ich noch kein besonderes Outfit. Heute ist die erste Nacht und es ALLES besprochen. Hilfe. 

Meine Wohnung ist jetzt blitzblank, ich war duschen und jetzt warte ich noch 5 Minuten. Ohwe Ohwe Ohwe.



"Okay. Alica, hier hinten wäre dann dein Bereich. Richte dich ein wie du willst und Platz hast." Die Ordnerin lächelt mich an und gibt mir einen kleinen Schlüssel.


"Ich finde, es ist schon ziemlich spät. Außerdem haben wir doch alles geschafft. 
Falls ihr mich sucht, ich und mein letztes Stück Pizza sind jetzt schlafen. Gute Nacht." Und damit war Annalena in ihre Kabine verschwunden.

"Nun denn, dann wünsche ich auch dir eine gute Nacht, Alica. Ruhe dich etwas aus. Wir fahren die Nacht schon los und du musst morgen fit sein." Schon war auch unser Fahrer weg. Jetzt bin ich allein. In dem riesigen Sitzbereich mit angrenzender Küche, wo noch immer die Essenskartons von heute stehen. Neben dem Sessel steht hier drinnen auch noch eine große Couch, direkt unter dem Fenster. Die Lichter sind alle gedimmt und frische Luft durchströmt den Bus. Ein absoluter Traum. 
Ich habe es gerade so noch geschafft mich auf mein Bett zu legen und bin auch schon sofort eingeschlafen. 

Dieses Mal wurde ich von meinem Wecker wach. Annalena war besser. Und da schoss es mir. Wir sind hier. Auf Tour. Zusammen.
Ich zog mich an, machte mich in meinem kleinen Bad fertig, nahm mein Buch und ging in die Wohnküche. Niemand war zu sehen, was mich schonmal beruhigt. 
Also mache ich das, was jede*r machen würde: mich quer aufs Sofa legen und lesen. 

"Was liest du da?" Diese Worte ließen mich hochschrecken. Ich schau in die Richtung aus der die Stimme kam und schau auf eine noch total verschlafene Annalena. 
"W.. was?"
Sie setzt sich auf die Kante und auch ich setze mich auf. 
"Was liest du? Du siehst ganz fasziniert aus." 
"Ach so. Uhm.. hast du mich beobachtet? Und 'The seven husbands of Evelyn Hugo' ist super schön geschrieben und ich bin auch schon fast fertig." 
Ich strahle sie an und natürlich ignoriert sie meine Frage. 
"Sieben Ehemänner? Wieso das?" 
"Also.. zwischendrin hatte sie eine Freundin, eine geheime, und dann ist sie jedoch gegangen, weil Evelyn Mist gebaut hat und Celia das nicht mehr konnte und.. und weiter bin ich noch nicht." 
"Das Buch scheint wirklich interessant zu sein. Kannst es mir ja mal unauffällig ins Zimmer legen, hätte ich nichts dagegen. Willst du Frühstücken?" 
"Uhm ja klar. Und ein Toast wäre super." 

Da sonst niemand mit frühstücken wollte, hatten wir beide genug Zeit für uns und ich kann sie noch etwas besser kennenlernen. Wir hatten noch so viel Zeit, dass wir beide irgendwann nur noch da saßen und unsere Bücher gelesen haben. Sie hat zum Glück auch ihre halbe Bibliothek mitgebracht.

"Alica?" 
"Hm?"
Was ist, wenn ich versage?" Ich schaue sie nur entsetzt an.
"Was? Wie kommst du denn darauf?" 
"Naja.." Sie fängt an, mit den Enden ihres Shirts herumzuspielen "Ich habe Angst, dass wir mit zu hohen Erwartungen an die ganze Sache ran gehen. So der ganze Wahlkampf, verstehst du?" 
"Nein.." ich lege meine Hand auf ihre Schulter und sie hört sofort auf und schaut mich an "Du wist das super machen. Und nicht nur ich glaube das, sondern wir alle. Du hast so viel geschafft, du wirst doch jetzt nicht etwa an diesem kleinen Wahlkampf scheitern. Annalena, du bist eine so starke Frau und wir stehen alle hinter dir." Ich nehme meine Hand zurück und lächele sie an, während sie mir noch immer in die Augen schaut. Eine einzelne Träne erschleicht sich erst den Weg in ihr Auge und einen Moment später über ihre Wange. 
Ich wische sie mit meinem Daumen weg und realisiere sofort, was gerade passiert ist. Beschämt drehe ich mich wieder zu meinem Buch, kann jedoch noch im Augenwinkel sehen, wie Annalena grinst und sich auch wieder ihrem Buch zudreht. 

Den restlichen Tag haben wir nicht noch einmal darüber gesprochen. Wir sind endlich in Hamburg angekommen, haben erst einige Parteikollegen getroffen, mit denen geredet und dann war es auch schon Zeit für Bürgergespräche. 
Am Abend waren wir alle so fertig vom Tag, dass wir sofort schlafen gegangen sind. 

Die Zeit verging wie im Flug. Fast jeden Tag wo anders und ich habe so viele neue und interessante Menschen kennengelernt. Seit dem Vorfall von letztens früh haben wir nicht nochmal so einen Moment gehabt. Eher im Gegenteil. Ich vermeide so gut wie jede Minute mit ihr allein, was nicht einmal so schwer ist, aber verdammt schmerzt. Als Robert dann auch dabei ist, löst sich die ganze Situation etwas. Bis...



𝑎𝑛𝑑 𝑦𝑜𝑢 𝑠𝑎𝑣𝑒𝑑 𝑚𝑒 -annalena baerbockWo Geschichten leben. Entdecke jetzt