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Was passiert ist halten wir erstmal geheim. Besser für sie, besser für mich und besser für unsere Arbeit. Die letzten Wochen waren schwer. Der Koalitionsvertrag ist nach Ewigkeiten endlich fertig und wir konnten ihn endlich vorstellen. Beziehungsweise Annalena und Robert, aber ich und ein paar andere konnten dabei sein. Es hat lange gedauert und keine der drei Parteien ist zu 100% zufrieden, aber wenn wir zusammen regieren, müssen wir auch Kompromisse eingehen und auf die anderen Wünsche achten. Aber nicht nur das, sondern auch die Ministerien wurden endlich verteilt. 

Anni und ich sehen uns inzwischen immer mehr und ich bin darüber mehr als glücklich. Jedoch können wir nicht zu viel Zeit miteinander verbringen, da sonst wieder zu viele Gerüchte aufkommen würden, und das würde keinem von uns gerade etwas bringen. Wir stecken in Mitten der vierten Coronawelle und die Zustände sind so schlimm wie noch nie. Dazu kommt, dass der Regierungswechsel gerade stattfinden und somit mehr Parteien versuchen, irgendetwas zu regeln. Doch wie wir sehen funktioniert dies nicht. CDU und CSU blockieren viele unserer Vorschläge, weshalb wir nicht richtig vorwärts kommen. 
Die anderen Parteien machten ewig auf uns Druck bezüglich der Papiere, aber das funktionierte so gut wie nicht. Vor allem die SPD ließ sich mit vielen Sachen sehr lange Zeit. Außerdem müssen wir eine Koalition zustande bringen, die es so noch nie auf Bundesebene gab. 

"Bist du bereit?" fragt mich Anni nochmal, bevor wir auf die kleine Bühne gehen. Heute ist der Tag, wo alle erfahren, wer die nächsten 4 Jahre auf der Regierungsbank sitzen wird. Und ich bin unter diesen 17 Person. Ich. ICH. 
"Soll ich ehrlich sein? Nein. Ich habe Angst, einen miserablen Job zu machen. Was, wenn ich versage? Ich kann es mir nicht leisten zu versagen. Ihr, die Leute, alle vertrauen darauf, dass ich-"
Sie unterbricht mich mit einem Kuss, drückt nochmal schnell meine Hand und umarmt mich. Ihre Umarmungen sind einfach die besten. Dies ging jedoch nur, da gerade sonst niemand hier ist. Die anderen ließen aber nicht lange auf sich warten und wir gingen zusammen nach vorne. Niemand wusste bis jetzt, wer welches Ministerium übernehmen wird. 

Alles in einem habe ich mir die ganze Sache schlimmer vorgestellt. Wir wurden alle aufgerufen und sonst mussten wir wenig machen. Einige Besetzungen, zum Beispiel die von der FDP, waren schon eher bekannt, da die ihre Klappe nicht halten können.
Jetzt, da Robert, Anni und ich Ministerien haben, kann keiner mehr Parteivorsitzende*r werden. Es war eigentlich mal geplant, dass ich den Job übernehme, aber als Finanzministerin kann ich das nicht mehr. Keine Ahnung wie wir das geschafft haben, aber ich konnte Lindner die Finanzen abnehmen. Selbst Robert war damit einverstanden, obwohl er vor einigen Wochen selbst noch den Posten wollte. 
Es kostet viel Überwindung, mit Christian wieder in einem Raum zu sein. In letzter Zeit konnte ich dem immer gut aus dem Weg gehen, aber jetzt geht es nicht mehr. Leider konnte er sich das Verkehrsministerium angeln, weshalb ich ihn erstmal nicht los werde. Aber wenigstens habe ich Annalena und Robert in meiner Nähe. Beide standen mir in den letzten Tagen immer zur Seite und ich bin einfach nur unendlich Dankbar mit denen befreundet zu sein. 

Oder halt auch mehr. Was zurzeit zwischen Anni und mir ist weiß ich nicht. Wir haben beide versucht, die Arbeit in den Vordergrund zu stellen und uns danach über das andere zu unterhalten. Es entstanden viele Bilder von uns zusammen in der Öffentlichkeit oder wie der eine das Haus des anderen verlässt, aber wir konnten alles immer mit der Ausrede "Koalitionsgespräche" beruhigen. Jedoch hören die Gerüchte nicht auf. Vor allem auf unseren Social Media Kanälen erhalten wir alle täglich Nachrichten, Bilder oder Videos von uns. Einiges ist echt amüsant, aber anderes ist schon etwas gruselig, wenn man bedenkt, dass wir versuchen, die ganze Sache so geheim wie möglich zu halten. Außer Robert. Der weiß und darf als unser inoffizieller Therapeut so gut wie alles erfahren. 
Die anderen aus der Partei haben, soweit wir wissen, von nichts Ahnung und versuchen gegen die "Falschmeldungen" zu reden. Wir waren mal am überlegen es ihnen zu erzählen, aber wir wissen selbst nicht einmal, was das zwischen uns überhaupt ist. 

Nach dem anstrengenden Tag liegen wir beide todmüde in ihrem Bett. 
"Alica?"
"Hm?"
"Denkst du, wir sollten es den anderen, zumindest unseren Freunden, sagen?" ich drehe mich zu ihr und schaue in ihre Augen. Sie waren schon immer wunderschön, aber seit wir das sind, werden sie von Tag zu Tag schöner.
"Was denn?" 
"Naja.. Das zwischen uns"
"Anni... Wir wissen selbst nicht einmal, was das zwischen uns ist." 
"Trotzdem. Robert weiß immer alles. 
Das ist gut, versteh mich nicht falsch. Aber ich glaube, die anderen sollten es erfahren. Die Öffentlichkeit vielleicht noch nicht, aber die anderen. Die machen sich die Mühe gegen die Gerüchte zu gehen während wir hier zusammen schlafen." 
"Das heißt aber auch, dass wir es umso eher der Öffentlichkeit erzählen müssen." 

"Mach dir deswegen jetzt keine Gedanken. Wenn sie es unbedingt wissen wollen, dann erzählen wir es ihnen. Sie müssen ja nicht alles erfahren."

Das einzige, was danach noch zu hören war, war ihr gleichmäßiges Atmen, weswegen auch ich langsam einschlief. 

"Ja. Wir sind seit einigen Wochen ein Paar. Die Gerüchte waren wahr, und wir haben lange genug gewartet, um es Ihnen zu erzählen. Alica Thompson und ich sind Kollegen und auch in einer Beziehung." verkündet Anni in einem Interview und alle klatschen. Noch nie fühlte ich mich so gut im Leben. 
"Wie kam es dazu? Seit wann sind Sie Homosexuell, Frau Baerbock?" fragt einer der Reporter nach.
"Genaue Infos wie es dazu kam möchte ich nicht preisgeben. Es reicht für Sie zu wissen, dass es so ist. 'seit wann' kann man natürlich schwer beantworten, aber ich habe durch Alice gemerkt, dass ich etwas für Frauen empfinde. Und sie ist eben diese Frau." 
Und mal wieder klatscht die Menge. Sie entdeckt mich unter den ganzen Leuten und bittet mich zu ihr zu kommen. Bei ihr angekommen werde ich direkt zu ihr gezogen und sie küsst mich vor den ganzen Kameras. Blitzlichtgewitter und Freudenrufe. Mehr habe ich mir nie gewünscht
.

Gerade im glücklichsten Moment wache ich auf und sitze im Bett. Der Wecker sagt kurz vor 6 Uhr. Schlafen kann ich jetzt eh nicht mehr, weshalb ich mich leise aus dem Zimmer schlich, damit sie nicht wach wird. Ein Teil meines Traums ist wahr. Der andere Teil wird in den nächsten Tagen hoffentlich ebenfalls zur Realität.

𝑎𝑛𝑑 𝑦𝑜𝑢 𝑠𝑎𝑣𝑒𝑑 𝑚𝑒 -annalena baerbockWo Geschichten leben. Entdecke jetzt