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Da er eh fast alles weiß, erzähle ich ihm auch davon. Inzwischen sitzen wir beide wieder an einer Wand auf dem Boden und ich erzähle ihm, was mich in letzter Zeit so bedrückt. Aber nach knappen 10 Minuten zwingt er mich, wieder mit zu den anderen zu gehen. Trotz Protest zieht mich hinter sich her wie so einen Hund. Als wir wieder bei den anderen sind, kommen unsere engsten Freunde auf uns zu. Robert kommt direkt vor mir zum stehen und schließt mich in eine feste Umarmung, welche ich nur erwidern kann. 
"Oh ich bin so froh, dass es dir gut geht" flüstert er mir zu und erneut drängt sich eine kleine Träne über mein Gesicht. Langsam muss die Flüssigkeit doch auch mal leer sein. Anton versichert allen, dass sie sich keine Gedanken machen müssen und lässt Annalena, Robert und mich allein. Als Robert sich wieder von mir löst, geht auch er wieder zurück in die Menge. Annalena steht schräg vor mir und schaut zum Boden. Jedoch sieht man, das ihre Augen leicht gerötet sind. 
"Du siehst gerade nicht wirklich gut aus" murmelt sie in sich hinein. 
"Du siehst gerade auch nicht besser aus." 
"Alica ich- es tut mi-" 
"Mir tut es Leid. Ich habe deinen großen Tag ruiniert. Ich hätte einfach nicht her kommen sollen und einfach-"
"Ach halt einfach die Klappe, Alica" Mit den Worten kommt sie auf mich zu und zieht mich in eine enge Umarmung. Die Wärme, die ihr Körper ausstrahlt, tut mir in diesem Moment einfach nur gut. 
"Du hast nichts ruiniert, Alica. Ich bin froh, dass du hier bist und vor allem, dass es dir gut geht. Ich hab mir solche Sorgen gemacht" Sie drückt ihren Körper noch weiter an meinen und ich kann nicht anders als es zu genießen. Ihre eine Hand liegt auf meinen Rücken, während die andere über meine Haare streicht. Erneut fließen Tränen. Das kann nur noch am Alkohol liegen. Wir lösen unsere Umarmung, jedoch lässt sie mich nicht los. Sie zwingt sich zu einem Lächeln, nimmt mein Gesicht in beide Hände und wischt mir ihrem Daumen die Tränen weg. Fast der ganze Saal ist still, außer ein kleines "nawww" im Hintergrund von Robert bringt uns und auch alle anderen zum lachen. Sofort zieht Annalena mich wieder zu der Cocktailbar. Es gibt alles mögliche und obwohl es schon spät ist und kaum noch jemand da ist, bestellen wir für alle nochmal eine Runde. Auch die Musik wurde nochmal neu aufgelegt und wir sprangen und lachten noch bis in den Morgen hinein. Inzwischen war es fast 4 Uhr, die meisten Frauen haben ihre hohen Schuhe vor Schmerzen ausgezogen und tanzten so noch auf der Tanzfläche. Die ganzen Jacketts lagen auf einem Haufen und es sah wüst aus. Einige, darunter Annalena, Robert und ich, saßen in einer hinteren Ecke auf einem Ecksofa und spielten Spiele wie "Wer bin ich - Politikeredition" oder "Ich habe noch nie..". Der Abend hat sich noch mit zum schönsten und lustigsten seit langem entwickelt. 
"Das einzigste, was de-" 
"Das heißt 'einzige' und nicht 'einzigste', du Flachbirne" Grätscht Robert dazwischen, was uns alle zum grinsen bringt. 
"Was ich sagen wollte. Das einzige, was den Abend noch besser machen würde, wäre ein anderes Wahlergebnis. Vor allem für die blau verkleidete braune Suppe" erklärt uns Anton. Wir alle stimmen der Aussage zu und fangen an zu erörtern, was denn als amtliches Ergebnis heraus kommen könnte.
Inzwischen war es fast 6 Uhr morgen, wir alle saßen an einem Fleck und beobachteten, wie es draußen langsam hell wurde. Aber das habe ich nicht mehr mitbekommen. Ich saß den restlichen Abend neben Annalena und muss zwischendrin irgendwann auf ihrer Schulter eingeschlafen sein. Ich habe nur noch gespürt, wie sie einen Arm um mich und die andere Hand auf meine gelegt hat. 

"Guten Morgen, Schlafmütze" Begrüßte mich Annalena. Ich öffnete meine Augen, um zu sehen wo sie und vor allem wo ich war, jedoch tat das Licht in meinen Augen so weh, weshalb ich sie direkt wieder schloss. 
"Hey, Alica. Wir müssen aufstehen"
"Wie spät ist es denn?" nuschel ich in mein Kissen und drehe mich vom Licht weg.
"Es ist fast 10 Uhr. Raus auf den Federn, wir haben Termine"
"Wieso denn wir?" Erschrocken setze ich mich auf.
"Na weil ich Termine habe und ich dich mitnehmen möchte." Sie zwinkert mir nochmal schnell zu, zeigt auf den Tisch, wo ein Glas Wasser und Aspirin standen und verschwand wieder nach vorne. 

Keine Stunde später standen wir vorm Reichstagsgebäude. Annalena trägt inzwischen einen hellgrauen Anzug und ich eine einfache schwarze Jeans und einen Fliederfarbenen Pullover, welchen ich von Annalena bekommen habe, da ich auf dem Hinweg zu blöd war, meinen Kaffee zu trinken und mein weißes Shirt nun einen schönen Fleck hat.
Annalena lächelt mich nochmal an und gemeinsam gehen wir ins Innere. Der erste Weg führte zu ihrem Büro, welches ich noch nie gesehen habe. 
Sie schließt ihre Tür auf und lässt mich eintreten. 
"Woooow" ist das einzige, zudem ich im Stande bin. Sie hat einen dunkelbraunen Schreibtisch mit schwarzem Stuhl dahinter und dahinter drei Regale voll mit Büchern. An den Wänden hängen ehemalige Wahlplakate und im ganzen Zimmer standen Pflanzen. Außerdem hat sie eine eigene Kaffeemaschine und daneben eine olivgrüne Couch, auf der ich gleich Platz nahm. 
"Du brauchst es dir gar nicht so gemütlich zu machen" lacht sie und kramt in einem ihrer Schränke herum. 
Ich stehe langsam wieder auf und gehe auf sie zu "Was suchst du?"
"Ich suche- ah, hier ist er ja" Sie kommt wieder zum stehen und hält mir einen Schlüssel vor die Nase. "Na los, nimm ihn schon" 
Ich schaue abwechselnd sie und den Schlüssel an. Natürlich hat sie meinen verwirrten Blick bemerkt haben, denn sie ergriff erneut das Wort. "Damit du dich nicht aus Versehen ausschließt oder so. Das ist der Schlüssel für das Büro. Falls ich umziehen muss, dann bekommst du natürlich einen neuen." 
"Wie meinst du 'umziehen'?"
"Manchmal müssen wir Büros wechseln. Das liegt vor allem an den Wechseln, wie viele Leute im Parlament sitzen. Und du wirst mir doch dann auch wohl oder übel beim umräumen helfen, oder?"
"Warte, heißt das, mein Job bei dir geht weiter? Ich dachte, ich sollte dich nur im Wahlkampf unterstützen?" 

Sie grinst mich jedoch nur an "Natürlich nur, wenn du länger bleiben willst. Schließlich brauch ich meine Lieblingsmitarbeiterin.

𝑎𝑛𝑑 𝑦𝑜𝑢 𝑠𝑎𝑣𝑒𝑑 𝑚𝑒 -annalena baerbockWo Geschichten leben. Entdecke jetzt