Der dunkle Fleck

785 29 6
                                    

Ich wollte meinen letzten Atemzug nehmen, während fremde Menschen wütend an die Tür klopften und meinen Körper als Boxsack zu benutzen versuchten.

Ich schrie, doch ich konnte meine eigene Stimme nicht mehr hören und alles um mich herum wurde still. Es war, als hätte ich alle meine Sinne verloren und mich endgültig stumm geschaltet.

Die Worte, die sie mir an den Kopf warfen, kannte ich schon zu Genüge. Schlampe, hässlich, fett, nicht liebenswert.

Ich kauerte auf diesem kalten Boden, auf den ich gefallen war, weil mich meine zittrigen Beine nicht mehr tragen konnten. Ich habe es gerade so noch geschafft, die Tür zu verschließen und sie dadurch von mir fernzuhalten.

"Komm raus! Wir wollen nur mit dir reden!", befahl mir eines der Mädchen in einem spöttischen Ton und ich konnte vor Angst nichts mehr sagen, weswegen ich mir panisch mit meiner rechten Hand den Mund zu hielt. Ich wollte, dass sie verschwinden und zwar jetzt!

"Halte dich in Zukunft von meinem Freund fern, du Bitch!", rief sie durch die Tür und versuchte sie aufzutreten, doch so weit kam sie gar nicht.

"Was ist hier bitte los? Der Unterricht hat angefangen!", hörte ich plötzlich die Stimme meiner Englischlehrerin, die in den Waschraum kam, weil sie das Geschrei von Ayumi gehört haben musste, dem beliebtesten Mädchen der Schule und die Exfreundin von so gut wie jedem Jungen an dieser Oberschule.

Es gab viele Gerüchte über mich und ich habe schon so gut wie alles gehört. Ich sollte schwanger sein, Drogen verkaufen und eine Affäre mit dem Direktor haben - was für ein Quatsch.

Es war mir, bis heute, ein Rätsel, wie die Leute auf so einen Schwachsinn kamen und wer dahinter steckte. Ich habe nie jemandem etwas getan - wie denn auch?

Ich hatte an dieser Schule nicht einen einzigen Freund und das obwohl ich schon im zweiten Jahr war. Es wollte von Anfang an niemand mit mir sprechen und ich nahm es nach einer Weile eben so hin - ich war es nicht wert, denn die anderen hatten vielleicht recht. Ich war nicht liebenswert.

Ich wischte schnell eine Träne weg, die mir vor Panik über die Wange lief und ich versuchte wieder Luft zu schnappen. Mein Herz raste und meine Hände waren nass vor Schweiß.

Ich hätte mit meinen Eltern sprechen können und ihnen alles über das Mobbing erzählen sollen, doch sie hatten ihre eigenen Probleme und ich wollte sie nicht weiter mit meinem Unsinn belasten. Es wäre sowieso ein Wunder gewesen, wenn sie sich eine Sekunde für mich und meine Sorgen interessiert hätten, denn sie behandelten mich nicht anders, als die Menschen, die mir jeden Tag über den Weg liefen.

Warum versuchte ich eigentlich noch weiterzuleben? Niemand mochte mich. Ich war alleine. Ich hatte niemanden.

Trotzdem wandelte ich weiter durch diese vollen, gleichzeitig so leeren, Hallen und versuchte den Spott zu ignorieren und mich auf die Stimme zu konzentrieren, die mir sagte, dass ich weitergehen sollte.

Nur noch ganz kurz, dann bist du frei von ihnen., flüsterte sie mir tagtäglich zu und ich versuchte ihr zu glauben, doch es wurde von Mal zu Mal schwieriger. Warum hassten mich alle? Ich hatte doch nie jemandem etwas getan.

"Da hast du ja nochmal Glück gehabt, aber beim nächsten Mal erwische ich dich.", drohte mir Ayumi durch die verschlossene Tür, die mich rettete, aber zum Dank von ihr einen letzten Tritt verpasst bekam.

Ich hielt die Luft weiterhin an und entfernte die Hand von meinem Mund. Meine Finger zitterten und ich musste meine beiden Hände zu Fäusten ballen, um mich zu beruhigen.

Ich hörte Schritte die sich entfernten, Gelächter auf dem Flur und eine Tür, die schlussendlich ins Schloss fiel.

Ich atmete erleichtert auf und zog mich hoch, um zu merken, dass meine Beine wie aus Pudding waren. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich am besten beruhigen sollte.

Liar | Oikawa x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt