Akio

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Ich klickte sofort auf sein Profil, um mehr über ihn zu erfahren. Er nannte sich nur Akio – kein Nachname, womit er sich von den anderen auf dieser Seite abhob und endgültig mein Interesse geweckt hatte.

Sein Name kam mir nicht bekannt vor, doch er hat einige Bilder aus der Sporthalle unserer Schule gepostet, auf denen er aber nicht zu sehen war – um ehrlich zu sein, war er auf gar keinem Bild zu erkennen.

Tu es nicht.

Er wurde auf nicht wirklich vielen Fotos markiert und schien Friendsarc auch erst vor ein paar Tagen beigetreten zu sein.

Nein.

Ich hatte ein mulmiges Gefühl bei der Sache, als mein erster Gedanke war, dieser mysteriösen Person eine Nachricht zu schicken.

Du weißt, dass es die falsche Entscheidung ist.

Das leere Profil hätte mir ein Warnzeichen sein sollen, doch ich wollte nicht hören.

Du bettelst doch gerade dazu, deinen Rest an Würde zu verlieren.

Ich wusste nicht wie er aussah, er kannte weder meinen echten Namen, noch mein Gesicht, also was sollte schon schief gehen? Was hatte ich noch zu verlieren?

Man hätte es mit einem Tagebuch vergleichen können, das nur er lesen konnte. Er musste noch nicht einmal antworten, denn ich wollte einen letzten Versuch wagen – ich brauchte doch so dringend jemanden zum Reden. Ich war einsam und verzweifelt.

Ich ignorierte seinen Status, in dem nur Vertraue niemandem stand und ließ den Mauszeiger weiterhin über dem Nachrichtenfeld schweben. Irgendetwas an ihm interessierte mich und ich wollte mehr erfahren.

Dieses Profil kam mir wie eines vor, das mir vom Himmel geschickt wurde. Es war anders. Ich hatte das Gefühl, dass ich mit einem Geist sprechen würde oder mit einer Person, die nicht wirklich existierte. Kein Gesicht, das ich zuordnen konnte. Keinen Körper, den ich anfassen konnte.

Ich studierte ein letztes Mal ganz genau seinen Account, der mit kleinen Hinweisen versehen war, die mir ganz offensichtlich zeigten, dass ich die falsche Entscheidung traf und schlussendlich auf Nachricht schreiben klickte. Er hatte diese typischen Hobbys – Sport, seine Freunde und einige andere Leidenschaften, die er privat verfolgte.

Woher nahm ich plötzlich diesen Mut, den ich mir selber nicht erklären konnte? Vielleicht war es ja die Erkenntnis, dass ich nichts mehr zu verlieren hatte und ich es wagen konnte, denn auch er sah nicht mein Gesicht, meinen Körper oder hörte meine Stimme. Wir waren nichts als Fremde. Ich wollte ihn nicht ausnutzen, indem ich ihm meine Sorgen auflud, doch ich wollte diese Person finden, die so fühlte wie ich. Ich wollte nicht mehr einsam sein.

Ich merkte wie meine Augenlider schwerer wurden und sich meine Sinne langsam verabschiedeten. Ich wurde müde, so müde. Ich wollte aber später nichts bereuen und drückte endlich diesen bekloppten Knopf, den ich schon seit mehreren Minuten anstarrte.

Ich wusste überhaupt nicht, wie man online eine Konversation startete, also versuchte ich lustig zu sein, denn ich hörte, dass dies freundlich und witzig auf den Anderen wirken sollte – ob das stimmte, wollte ich nun selber herausfinden.

Mika: Hi! Das ist ja witzig. Ich dachte, ich wäre die einzige, die sich nicht dem Willen der Gesellschaft beugt und ein Selfie als Profilbild erstellt.

Mein ganzer Körper zitterte vor Nervosität und ich war wieder kurz davor mich zu übergeben, doch ich schluckte meine Angst runter und klickte auf Senden.

Ich saß nun dort auf meinem Schreibtischstuhl und ignorierte die unangenehme Stille um mich herum und tippte mit meinen Fingern auf meinem Tisch, in der Hoffnung, dass ich sofort eine Antwort bekam, doch dem war nicht so.

Ich konnte ein Seufzen nicht unterdrücken, während ich den Browser schloss und meinen Computer schließlich herunterfuhr. Ein weiteres Geräusch von meinem Rechner hätte mich wahrscheinlich umgebracht und ich wollte diesen verfluchten Tag einfach hinter mich bringen.

Ich hielt meine Brust mit beiden Händen fest und wollte verhindern, dass mir die Luft wegblieb, als ich von meinem Stuhl aufstand und wieder mein Bett ansteuerte, das noch nie so attraktiv aussah, wie in diesem Moment.

Ich legte mich auf die Seite, damit ich die Wand anstarrte und mit dem Rücken zu dem Fenster lag, das mir mit warmen Sonnenstrahlen half, meine Schmerzen für einen kurzen Moment vergessen. Ich atmete ein letztes Mal schwer, schlief sofort ein und hoffte, dass ich vielleicht nicht mehr aufgewacht wäre.

All dies, was nun passiert, hast du dir selber zuzuschreiben, Ran. Es ist deine Schuld.

Liar | Oikawa x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt