Ich wollte mich für den Rest des Tages verabschieden und so schnell es nur ging diese verfluchte Schule verlassen. Es war ein Wunder, dass ich die erste Stunde unbeschadet überstanden habe. Eigentlich war ich ja nur hier, um Oikawa endlich sein Geldbeutel wieder in seine Hand zu drücken, meine Gefühle zu ignorieren und mein Loserleben weiter auszuleben, doch mit ihm in meinem Leben sollte das schwerer werden als gedacht.
Ich quetschte mich durch den vollen Gang mit Leuten, die hoffentlich nicht meine Mobber waren, und wollte schnell meine Schuhe wechseln und verschwinden.
Als ich es unbeschadet zu den Schränken geschafft habe, zog ich erst den einen Schuh aus und dann den anderen. Mit meinen Blicken verglich ich meine eigenen Treter, mit denen die uns die Schule gab. Meine sahen aus als hätten sie einem Obdachlosen angehört und ich spielte kurz mit der Versuchung, sie einfach auszutauschen, doch ich war mir sehr sicher, dass das gegen die Schulvorschriften war und ich wollte nicht noch mehr Aufmerksamkeit erregen.
Ich schmunzelte leicht und dachte daran wie leicht alles sein könnte, wenn Menschen mich nicht wie Dreck behandelt hätten oder wenigstens meine Eltern mir einen Funken Liebe geschenkt hätten.
Ich schloss meinen Schrank, schnappte meine Tasche, Körper Richtung Ausgang, als ich plötzlich stolperte.
Es war schon oft vorkommen, dass man mich auf den Boden gestoßen hat oder man mir ein Bein gestellt hat, doch dieses Mal war es ernst.
Ich stand auf, strich meine Klamotten so gut es ging zurecht und wollte so tun, als wäre das gerade nicht passiert, als ich eine bekannte Stimme hinter mir hörte.
"Nicht so schnell, meine Liebe.", vernahm ich Ayumi, die mir kurz mein Herz zum Stillstand brachte.
Ich wollte mit alles und jedem abschließen, doch es fiel mir noch immer schwer keine Angst vor ihr zu haben, denn sie hatte diese Aura, die sogar den schlimmsten Kriminellen auf dieser Welt in die Flucht schlagen sollte.
Gesagt, getan – die Halle war plötzlich wie leer gefegt.
Es gab nur mich und Ayumi. Niemanden sonst.
Plötzlich war es, als würden nur noch wir beide auf dieser Welt existieren.
"Was willst du?", fragte ich und drehte mich zu ihr um und sah in ihr wütendes Gesicht.
"Oh, wenn ich du wäre würde ich jetzt lieber nicht frech werden.", warnte sie mich.
"Was geht bei dir und Oikawa ab?", kam sie einen Schritt auf mich zu und ich war erstarrt. Ich wollte mich bewegen und weglaufen, doch es ging nicht. Meine Beine wollten sich nicht bewegen. Es wirkte so, als würde mein Verstand wissen, dass ich verdiente, was gleich geschehen sollte.
"Ich weiß nicht was du meinst.", sagte ich, denn es war die Wahrheit. Worauf wollte sich hinaus?
"Stell dich nicht dümmer, als du bist.", sagte sie. War das etwa gerade ein Kompliment? Nein, das musste ich mir eingebildet haben. Sie hätte niemals ein gutes Wort über mich verloren.
"Ich schwöre es dir, ich weiß nicht wovon du sprichst.", antwortete ich und sie kam wieder einen Schritt auf mich zu. Ich konnte nicht aufhören in ihre Augen zu sehen, um vielleicht durch Gedankenübertragung auf die Lösung zu kommen.
Ich stand mit dem Fenster zur Scheibe der Tür, konnte aber Regentropfen hören, die an ihr herunterprasselten. Es fing an zu regnen. Es wurde immer dunkler um uns herum.
"Okay, jetzt hör mal zu.", sie nahm ihren letzten Schritt, denn näher kam sie nicht an mich ran, auch wenn sie es versucht hätte. Ich konnte ihren Atem auf meiner Haut spüren und sofort stellten sich mir die Haare auf und ich hatte das Gefühl zu ersticken.
"Ich hab euch gerade gesehen und ich will, dass du weißt, dass du dir gar nichts einbilden musst. Er hasst dich. Genauso wie jeder andere hier.", sagte sie, doch das war schon lange klar. "Ich bin wenigstens noch so nett und sage es dir in dein hässliches Gesicht. Keine Ahnung, wer du denkst zu sein, doch am besten verschwindest du einfach und kommst nie wieder. Das sage ich dir nicht, weil ich dich hasse, was ich tue, aber mein Kopf tut weh, wenn ich nur deine Gegenwart wahrnehme.", sagte sie und damit hatte sie einen Nerv getroffen, doch ich wollte nicht, dass sie es weiß. Ich wollte ihr nicht die Genugtuung geben und ihr zeigen, dass es stimmte.
Jedes. Einzelne. Wort.
Ich stand wie angewurzelt da, meinen Blick nun auf den Boden gerichtet und das schien ihr nicht zu gefallen, denn sie gab mir eine Backpfeife, die mir automatisch Tränen in die Augen schoss. Es war mir peinlich, dass sie nun sah, wie verletzt ich von ihren Worten war, denn nun hatte sie ihr Ziel erreicht.
"Schau mich an, wenn ich mit dir rede.", sagte sie wütend und wurde lauter, sie schrie fast.
"Hast du nichts dazu zu sagen, du Schlampe? Rede!", befahl sie mir.
"Ich habe nichts zu sagen.", erwiderte ich und sie schaute überrascht, so als hätte sie mit etwas komplett anderem gerechnet.
"Denn du hast recht.", gestand ich.
"Weißt du, wenn ich könnte würde ich verschwinden. Du müsstest mich nie mehr wiedersehen, doch aus irgendeinem Grund werde ich an diesen Ort gebunden. Ich kenne den Grund nicht, doch vielleicht bist es du.", begann ich ihr es zu erklären, ohne auf ihre Reaktion einzugehen. Ich redete ganz ruhig. Ich dachte laut und es war mir egal. "Es ist mehr als offensichtlich, dass ich hier keinen einzigen Freund habe. Niemand kann mich leiden. Es ist eigentlich ziemlich lustig, denn du ähnelst meiner Mutter. Siehst du das?", fragte ich und hob meinen Ärmel, um ihr meine Verletzung von letzter Nacht zu zeigen. Ayumi schien zu lächeln und gleichzeitig angewidert zu sein. "Das hat mir meine Mutter angetan. Und siehst du die blauen Flecken hier an meinem Körper? Das warst du.", sagte ich, hob mein Shirt, damit sie meine Rippen sehen konnte, doch sie war stolz darauf, was sie mir angetan hatte. Man konnte es ihr ansehen.
"Ich sollte sauer sein, doch das schaffe ich einfach nicht, egal wie sehr ich es versuchte. Ich bin dir dankbar, denn ich verdiene all das hier. Wofür? Keine Ahnung, aber muss wirklich alles auf dieser Erde einen Grund haben? Ich wurde ausgewählt und das von dir. Das alleine zählt.", sagte ich und nachdem ich fertig war, drehte ich mich um, betrachtete die Regentropfen an der Scheibe und wusste, dass wenn ich mir jetzt sagte, dass ich sie nie mehr wiedersehen will, ich doch am nächsten Morgen wieder ihr falsches Lächeln sah und das wusste sie auch.
"Ich fall darauf nicht rein. Keine Ahnung, was du hier für eine Freakshow abziehst und wenn du nun hoffst, dass ich Mitleid mit dir habe, dann hast du dich geschnitten.", sagte sie und wirkte plötzlich wie in die Ecke gedrängt und nun hatte ich ihre Schwachstelle gefunden – die Wahrheit.
"Wag es ja nicht, jetzt zu verschwinden! Wir sind noch nicht fertig!", schrie sie nun und wollte mich aufhalten, indem sie nach meinem Handgelenk griff, doch so weit kam sie gar nicht.
"Oh, doch und ob ihr das seid.", hörte ich eine mir bekannte Stimme direkt hinter mir.
Wo zur Hölle kam denn jetzt Oikawa her? Hatte er etwa alles aus einer Ecke mitangesehen?
"Was willst du denn jetzt? Du störst!", sagte sie und erhob sogar nun gegenüber ihrem Liebling das Wort. Sie war wie in Rage und konnte sich nicht beruhigen. Er schubste sie leicht, wodurch sie ein paar Schritte nach hinten stolperte und sich mir nicht mehr nähern konnte.
"Ach, halt doch endlich mal deine Klappe, Ayumi! Niemanden interessiert es, was du sagst.", sagte er und sie kicherte, als würde sie ihm seine Nummer, die er hier gerade abzog, nicht abkaufen und damit war sie nicht alleine.
Warum in aller Welt setzte er sich für mich ein? Ganz besonders gegenüber seinem größten Fan? Das war alles so lächerlich, weswegen ich es Ayumi gleich tat und innerlich kicherte.
"Ich bring dich nach Hause.". sagte er sanft, drehte sich zu mir um und ignorierte Ayumi komplett, als würde sie gerade nicht existieren.
Er zückte seinen Schirm, schob mich vorsichtig raus, öffnete seinen Schirm und hielt ihn über uns beide, während sich langsam die Tür hinter uns schloss.
"Er verarscht dich nur! Merk dir meine Worte!", rief uns Ayumi hinterher, doch das einzige, was ich jetzt nur noch hören konnte, waren Regentropfen, die auf seinen Schirm tropften und das Herzklopfen, das mir zu Kopf stieg.
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Liar | Oikawa x OC
FanfictionRan scheint keine strahlende Zukunft zu haben, da sie tagtäglich gemobbt und ausgegrenzt wird - warum, das weiß sie selber nicht. Als sie eines Tages dem beliebtesten Jungen, und gleichzeitig ihrem schlimmsten Feind, begegnet, scheint dieser Interes...