Telefonat am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen

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Als ich meine Augen wieder öffnete, schossen mir einige Lichtstrahlen in mein Gesicht und ich wusste, dass der Morgen angebrochen sein muss. Ich stützte meine Arme in die weiche Matratze, um meinen erschöpften Körper in die senkrechte zu befördern und mich im Raum umzusehen. 

Ich versuchte mich angestrengt an den vergangenen Abend zu erinnern, aber ich muss innerlich so müde gewesen sein, weswegen es mich einige Momente kostete. 

Wo ist Oikawa geblieben? Wie lange war er noch da, nachdem ich einschlief? 

Diese Fragen sollten mir von einem Zettel beantwortet werden, den ich auf meinem Nachttisch fand. Ich rieb mir die Augen, zog die Bettdecke etwas höher, gähnte und griff gleichzeitig nach der Notiz.

"Befehl ausgeführt. Ich ruf dich an.", schrieb er und er sagte so wenig, aber zur selben Zeit auch so viel. Er hat mir zuliebe meinen Wunsch erfüllt und wollte in Zukunft wieder mit mir sprechen. Er sagte, dass er sich bei mir melden wollte und irgendein warmes Gefühl machte sich in meinem Inneren breit, denn ich wusste nicht, was das in der Jungensprache zu bedeuten hatte, deshalb nahm ich beim Wort und legte die Notiz dorthin, wo ich sie gefunden hatte. 

Später habe ich herausgefunden, dass solche Floskeln bedeuteten, dass der Mann sich keineswegs bei der Frau melden wird und dieser Spruch nur benutzt wird, um dieser Hoffnungen zu machen. Ein toxischeres Verhalten gab es in einer Beziehung gar nicht und mir war unklar, warum man nicht einfach die Wahrheit sprach und sagte, was eben Sache war. Wenn du jemanden nicht mehr wiedersehen willst, dann sag das doch einfach, anstatt dieses Theater weiter zu spielen.

Nachdem ich das Zettelchen weglegte, spielte ich mit dem Gedanken, mich wieder in die Laken zu kuscheln, doch ich wollte endlich mal den Tag nutzen. Keine nervigen Eltern um mich herum, die mich nervös machten, weil sie mir solch eine Angst einjagten. Keine blöden Zicken, die mich mit ihren Blicken töteten und kein Lärm, der meinen Kopf zum explodieren brachte. 

Nur ich, dieser Raum und die Freiheit - zumindest für dieses Wochenende.

Ich stand auf, zog die Gardinen zur Seite - die Oikawa zugezogen haben musste, bevor er letzte Nacht ging - und betrachtete die von strahlendem Sonnenschein bedeckte Stadt unter mir. 

Mir war gar nicht klar, wie schön die Gegend war, die Oikawa für unser Treffen aussuchte, denn auch in der Dunkelheit sah eine Perle unbedeutend und wertlos aus.

Er hatte diese Aussicht bestimmt schon oft gesehen, aber ein weiteres Mal konnte ja nicht schaden, weswegen ich mir mein Handy schnappte, das Fenster öffnete und einige Bilder von den hohen Gebäuden und dem bewölkten Himmel schoss, der keine Chance gegen die Sonnenstrahlen hatte. 

Ich suchte seine Nummer angestrengt in meinen Kontakten, die ich jenen Abend sofort einspeicherte, um sie immer bei mir zu tragen.

Es fühlte sich plötzlich alles so einfach an. Ich konnte ihm schreiben und ihn sogar anrufen - wann immer ich wollte, denn er wollte wirklich alle seine Fehler bei mir gut machen, doch mich ließen diese blöden Zweifel einfach nicht los.

Ich habe ihm zu schnell vergeben und es schien mir, als hätte er mich schon lange um seinen kleinen Finger gewickelt und doch habe ich es mit aller Kraft versucht, zu verhindern.

Doch wie er zu mir kam, mit seiner tiefen, rauchigen Stimme zu mir sprach, mich berührte und mir die Erlaubnis gab, seinen Geruch komplett aufzunehmen und in meinen Erinnerungen zu speichern - das musste ihm eine Ehre gewesen sein.

Ich wollte ihn hassen für das, was er mir antat, doch ein klitzekleiner Teil von mir, wollte mehr. Ich musste ihn kennenlernen und ihm näherkommen. 

Mir ging an diesem Morgen eine Frage nicht aus dem Kopf - er wollte eine Freundschaft probieren, doch war das auch genug von mir? Wollte ich mehr?

Ich kannte ihn zwar zu diesem Zeitpunkt nicht so, wie ich ihn später kannte, doch wusste ich nicht, dass all dies was gerade ablief, mein größter Fehler war. 

Es schien nicht nur alles zu perfekt zu sein, denn das war es auch. 

Ich fand seinen Kontakt schlussendlich, öffnete meinen Messenger, tippte einen kurzen Emoji ein und fügte dann das Foto hinzu, das ich am besten fand und ließ dem Schicksal seinen freien Lauf.

Ich schmiss mein Handy zurück auf's Bett - nachdem ich die Nachricht verschickte - und entschied mich dazu, mich im Bad frisch zu machen, doch sogar dabei machte er mir einen Strich durch die Rechnung, denn nur eine Minute später klingelte mein Handy.

Ich hasste mich dafür, doch ich sprintete aufgeregt zurück ins Zimmer, zögerte nicht und nahm ab.

"H-hey.", kam mir krumm raus, denn ich hatte diesen Morgen ja noch gar nicht gesprochen, weswegen meine Kehle staubtrocken war. 

"Gut geschlafen?", fragte Oikawa auf der anderen Leitung und bevor ich ihm antwortete, schnappte ich mir das Glas neben dem Waschbecken, füllte es mit kaltem Wasser und spülte in sekundenschnelle meinen gesamten Körper mit diesem.

"Ja. Danke nochmal.", bedankte ich mich bei ihm und stellte das nun leere Glas zur Seite und setzte mich auf das Bett, um ihm meine vollkommene Aufmerksamkeit zu schenken. 

"Ich habe deine Nachricht gefunden.", fuhr ich fort.

"Ich habe doch gesagt, dass ich dich anrufe.", sagte er und ich wusste, dass er gerade lächelte, denn das war ganz einfach an dem Klang seiner Stimme zu erkennen.

"Stimmt. Aber so schnell habe ich damit nicht gerechnet.", sagte ich locker und nun konnte auch ich mir kein nervöses Grinsen verkneifen.

"Wie auch immer. Was hast du heute vor? Willst du die Stadt unsicher machen, Partys crashen und fremde Typen auf dein Zimmer einladen?", scherzte er weiter.

"Wow, immer ruhig mit den jungen Pferden. Ich weiß noch nicht einmal was ich frühstücken soll.", sagte ich und wie auf's Stichwort fing mein Magen an zu knurren.

"Ich würde ja sagen, dass ich da den perfekten Ort kenne, doch...", setzte er an und ich wusste genau, warum dies nicht möglich war. 

Wir habe eine Vereinbarung getroffen und die mussten wir respektieren.

"Ja, klar. Ich verstehe schon. Keine Sorge. Ich wohne ja auch schon eine Weile hier. Ich werde schon was finden.", sagte ich und wollte ihn beruhigen, was mir auch gelang.

"Tut mir leid.", fing er an, sich unterwürfig zu entschuldigen, aber ich empfand die Situation als nicht so große Sache, deshalb verstand ich seine Entschuldigung nicht so ganz. 

"Schon in Ordnung, wirklich. Aber wo wir von Frühstück reden, ich sollte los.", wollte ich das Telefonat schnell beenden, bevor mein Appetit in der nächsten Sekunde wieder verschwand.

"Hey, warte kurz.", sagte er und hielt mich davon ab, den roten Knopf auf meinem Handy zu betätigen.

"Was denn?", fragte ich neugierig.

"Möchtest du, dass ich heute Abend wieder vorbeikomme?", fragte er mich zögerlich und ich wunderte mich über diese Frage.

Es war schließlich Samstag und der beste Tag in der Woche - zumindest für jemanden wie ihn.

"Was ist mit deinen Freunden? Hast du keine Verabredung?", fragte ich mit einer Verwirrung in meiner Stimme.

"Doch, schon. Aber technisch gesehen habe ich für das Zimmer gezahlt, also gehört es mir und deswegen kann ich kommen und gehen wann ich will. Verstehst du, worauf ich hinaus will?", versuchte er es mir zu erklären und wo er recht hatte, hatte er eben recht.

"Ja, ich verstehe. Dann sehe ich dich später.", sagte ich, wartete nicht auf seine Antwort, sondern legte einfach auf.



Liar | Oikawa x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt