Es war ein leiser Sonntagmorgen, als ich die Haustür aufschloss und meine müden Beine in meinem Hausflur verschwinden ließ und die Tür hinter mir schloss.
Niemand da, der mich begrüßte. Niemand da, der sich Sorgen um mich gemacht hat. Niemand, der froh darüber ist, dass es mir gut geht. Niemand da, der sich für mich interessierte.
Ich seufzte leise und entschloss mich nicht mehr darüber zu wundern. Ich zog meine dreckigen Schuhe aus, die ich schon seit Jahren an meinen Füßen trug und noch nie ausgewechselt hatte, obwohl es definitiv längst überfällig war. Ich versteckte sie in unserem Schuhschrank, der mit Lederschuhen meines Vaters und High Heels meiner Mutter gefüllt war – genau wie in diesem Haus, war auch in diesem Schrank kein Platz für mich.
Würde mich nicht wundern, wenn sie innerhalb der letzten zwei Tage mein Zimmer zu einem Fitnessraum umgebaut hatten und dieser Gedanke ließ mich schmunzeln, denn diese Reaktion würde zu ihnen passen, wie die Faust aufs Auge.
Ich schnappte meine Taschen, die ich kurz auf dem Boden der Eingangshalle abgelegt hatte und schlich mich leise nach oben in mein Zimmer.
Ich will nur noch in mein Bett.
In diesem blöden Hotelzimmer bekam ich kein Auge mehr zu und sowieso war die Luft dort ganz stickig und das machte alles nur noch schlimmer.
Ich war noch nie glücklicher meine Zimmertür zu sehen, doch es war mal wieder alles zu schön um wahr zu sein.
"Gerade wo ich mich daran gewöhnt hatte, dass du endlich weg bist.", hörte ich die Stimme meiner Mutter ein Stück weiter von mir aus dem Bad kommen. Ich schluckte schwer.
"Du bist ja schon wach.", antwortete ich und drehte meinen Kopf leicht in ihre Richtung, aber traute mich nicht, ihr in die Augen zu sehen.
"Was geht dich das an?", antwortete sie und den Hass in ihrer Stimme konnte ich schlecht ignorieren, doch sie hatte recht. Es ist mir vollkommen egal, warum sie schon wach war – eine ehrliche und warmherzige Antwort hätte ich auch nicht bekommen.
"Wo ist Dad?", fragte ich sie mit zittriger Stimme. Dies war die einzige Information, die ich jetzt wirklich brauchte, denn wenn er mir als nächstes eine Lektion erteilen wollte und sich im Nebenzimmer aufhielt, nur darauf wartend am Zug zu sein, wollte ich lieber direkt wieder verschwinden.
"Vögelt wahrscheinlich gerade seine Sekretärin.", antwortete sie ehrlich und ich merkte, dass sogar ihr diese Antwort wehtat, denn die beiden mussten mal glücklich gewesen sein.
Irgendwann haben sie sich auch getroffen, verliebt und Träume gehabt. Bestimmt wollten sie zusammen die Welt erobern und mit ihrer Liebe den Welthunger besiegen, weswegen sie schließlich miteinander durchbrannten. Ich habe früher die Hochzeitsbilder gesehen – sie waren glücklich. Ich habe meinen Dad seitdem nie wieder so glücklich gesehen. Mit jedem Tag, der ins Land strich, zogen auch seine Mundwinkel nach unten und erholten sich nie wieder. Ich konnte es verstehen, warum er Trost in einer anderen Frau suchte, die all das repräsentierte, was er sich in seiner Jugend ausgemalt hatte. Er dachte sich bestimmt, dass meine Mutter einfach die falsche Person dafür war und es sich um einen Fehler gehandelt haben musste. Klar war er mein Vater und ich hatte seine unerbittliche Liebe verdient, doch wenn ich für eine Sekunde ignorierte, dass es sich um meinen Dad handelte, konnte ich seinen Hass verstehen, den er für mich empfand. Er war ein gebrochener Mann – meine Mutter und ich standen ihm eben im Weg.
Die Frau vor mir tat mir leid, denn der Fakt, dass sie sich noch nicht von ihm getrennt hatte und ihm es jeden Tag aufs Neue erlaubte, sich in ihr Bett zu legen und sie zu berühren, musste ihr unendliche Schmerzen zufügen. Er gehörte nicht mehr ihr alleine. Sie musste ihn sich teilen. Sie empfand noch so viel Liebe und Hoffnung für ihn – Hoffnung, dass er sich eines Tages wieder in sie verlieben würde und alles wieder so war wie vorher.
Stand mir auch so ein Schicksal bevor?
"Ich verstehe.", antwortete ich und nickte leicht. Ich nahm die Klinke in die Hand und wollte sie gerade nach unten drücken, als mir ein kalter Schauer über den Rücken lief. Es lag plötzlich eine ganz komische Atmosphäre in der Luft, die ich nicht ganz deuten konnte.
"Wie es aussieht, hast du ihn dir als Vorbild genommen. Du hast dieses Wochenende bestimmt das selbe getan.", sagte sie mit einer Verachtung, welche mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Genervt kramte sie in ihrem pinken Bademantel umher, bis ich meinen Blick zu ihren Händen gleiten ließ, die wie aus Zauberhand eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug hielt. Sie steckte sich eine in den Mund und steckte diese an.
Sie raucht?
"Tut mir leid, ich habe keine Sekretärin.", sagte ich und versuchte durch einen Witz von mir abzulenken.
"Schlagfertigkeit war noch nie deine Stärke. Wenn ich es mir so recht überlege, hast du von denen ja echt nicht so viele.", sagte sie und von dem Rauchgeruch wurde mir leicht übel.
Genug. Genug. Genug.
"Weißt du was? Ja, ich habe mich mit jemandem getroffen! Ich will ja nicht so einsam und verbittert enden wie du!", schoss es aus mir raus und keine Sekunde später spürte ich eine bekannte Wärme und ein leichtes Brennen an meiner Wange. Nein, nicht nur an meiner Wange, sondern auch an meinem Arm.
Alles um mich herum wurde still. Mein Mund bewegte sich und ich glaube, dass ich geschrien habe. Ich vernahm diesen penetranten Geruch von Zigaretten und er kam immer näher. Es kam mir so vor, als sei ich zusammengesackt. Ich spürte meine linke Hand, die sich auf meinen rechten Unterarm legte und eine Wunde bedeckte.
Wunde? Welche Wunde?
Ich hörte Schritte, die sich von mir entfernten und eine Tür, die ins Schloss fiel.
Was geschah hier?
Ich musste schnell handeln. Ich musste meinen Atem regulieren und aufhören zu schreien. Es fiel mir schwerer als gedacht. Die Hand, die gerade noch auf meiner Wunde lag, platzierte ich nun auf meinen Mund und plötzlich war ich stumm.
Müde, verletzt und verwirrt versuchte ich den Boden unter meinen Füßen zu finden, doch meine Beine waren vor Angst und Panik aus Gummi.
Ich hörte auf zu schreien, jedoch konnte ich plötzlich nicht mehr atmen. Es kam mir so vor, als würde ich ersticken.
Beruhige dich! Beruhigen! Ruhe.
Ich schaffte es mit all meiner Kraft die Tür zu meinem Zimmer zu öffnen, sie zu schließen, den Schlüssel umzudrehen, damit ich in Sicherheit war und mich an hier heruntergleiten zu lassen.
Plötzlich sah ich so klar wie noch nie zuvor.
Meine eigene Mutter hasste mich, schön und gut, doch jetzt hatte sie ihr wahres Gesicht gezeigt.
Meine eigene Mutter hatte mich bewusst verletzt.
Meine eigene Mutter hat ihr eigenes Kind bewusst mit ihrer Zigarette verbrannt.
Kein fremdes Mädchen aus der Schule, nein. Sondern meine eigene Mutter.
Meine eigene Mutter hat das getan.
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Liar | Oikawa x OC
FanfictionRan scheint keine strahlende Zukunft zu haben, da sie tagtäglich gemobbt und ausgegrenzt wird - warum, das weiß sie selber nicht. Als sie eines Tages dem beliebtesten Jungen, und gleichzeitig ihrem schlimmsten Feind, begegnet, scheint dieser Interes...