Purer Hass

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Ich schmiss schockiert mein Handy in meine Tasche und schloss diese mit einer Lichtgeschwindigkeit, bei der andere neidisch geworden wären. 

Er durfte nicht auf meine Schule gehen. Er durfte mich nicht kennen. Er durfte niemals erfahren, wer ich wirklich war. Wie hätte er mich dann angesehen und das was wir hatten? Was hatten wir denn bitte, was wichtig gewesen wäre? Irgendwelche dummen Gespräche und Neckereien. Ich beschloss, für einige Tage die Finger von dieser verfluchten Seite zu lassen. Ich wusste, dass es zu schön war - denn jetzt würde er mich bestimmt sehen wollen und das durfte ich unter keinen Umständen zulassen. 

Er hätte gesehen, was ich für eine hässliche und fette Verliererin war und doch war er die einzige Person, mit der ich wirklich sprechen konnte. 

Ich befand mich in einer Zwickmühle.

Es fiel mir sogar schwer mich auf den Unterricht zu konzentrieren, den ich, hier in der letzten Reihe, sowieso unglaublich schwer verstand aber ich kritzelte irgendwas auf meinen Block und hoffte, dass dadurch die Lehrer dachten, ich sei beschäftigt. 

Der erste Schultag nach zwei Wochen war schwerer als gedacht. Sobald es zur Pause klingelte ging ich erneut nach oben auf das Dach und hoffte, dass ich dieses Mal Ruhe und Frieden fand und dem war auch heute so. 

Natürlich blieben mir die dummen Sprüche im Gedächtnis, die mir, auf dem Weg durch die Hallen, zugerufen wurden. 

"Schade. Wir alle dachten, du hättest dich endlich umgebracht.", rief mir jemand hinterher, der noch nie ein persönliches Wort gewechselt hatte und doch nahm er sich das Recht heraus, mich auf diese Weise in aller Öffentlichkeit zu erniedrigen. Ich habe mich angestrengt meine Tränen zu verstecken, aber wo nichts ist, kann man auch nichts verstecken. 

Wie sehr ich mir in diesem Moment wünschte, ihnen allen einen Gefallen getan zu haben und ihren Wünschen nachgegangen zu sein. 

Jetzt wo ich auf dem Dach die frische Luft einatmete und mich die Wand heruntergleiten ließ, öffnete ich mein Bento, das ich mir heute Morgen selber zusammenstellen musste, starrte nur darauf und mir wurde übel beim Gedanken, dieses Essen jetzt runterschlucken zu müssen. Ich schloss den Deckel und seufzte leicht. Ich legte die Box neben mir ab und kauerte mich zusammen, um meinen Kopf erfolgreich hängen zu lassen. Plötzlich hörte ich Schritte.

"Wer ist jetzt der Stalker?", fragte ich, noch immer meinen Kopf gesenkt. Ich wusste ganz genau, mit wem ich nun wieder das Vergnügen hatte, denn sein stark riechendes Parfüm schoss mir, innerhalb einer Millisekunde, in meine Nase. 

Als würde das Leben alleine mich nicht schon genug nerven. 

"Das ist in den letzten Wochen mein Stammplatz geworden und das weiß eigentlich auch jeder.", sagte er, gewöhnlich überheblich und ich hob meinen Kopf um ihm besser mein sarkastisches Kichern zu präsentieren, doch er ging gar nicht darauf ein. 

"Deshalb wäre es nett, wenn du jetzt verschwinden würdest.", sagte Oikawa und machte eine wedelnde Handbewegung, um mir den Ausgang zu zeigen, doch ich regte mich keinen Millimeter. 

"Hast du mich nicht verstanden?", fragte er und erwartete eine Antwort. "Dir ist schon bewusst, dass dieses Dach der Schule gehört und sie dir bestimmt nicht erlaubt haben, die freien Pausen für irgendwelche ominösen Aktivitäten hier oben zu nutzen, oder etwa doch?", fragte ich und rollte mit den Augen. 

"Roll noch ein Mal mit den Augen und ich schubs dich das Dach herunter, du Miststück.", sagte er kalt und bei seinem Ton bekam ich Gänsehaut. Er meinte es ernst.

Jetzt musste ich mich entscheiden. Gab ich klein bei oder blieb ich standhaft? Er bluffte doch bestimmt nur, oder?

Er kam mir plötzlich näher und noch immer kauerte ich auf dem Boden und doch spürte ich, dass meine Beine aus Wackelpudding waren und ich nicht aufstehen konnte. "Ich gebe dir drei Sekunden, um aus meinem Sichtfeld zu verschwinden. Wenn ich dich das nächste Mal hier oben sehe, werde ich meine Drohung wahr machen.", sagte er ohne Emotion in seiner Stimme und riss mich nach oben und nun stand ich wieder auf meinen zwei Beinen. 

Ich konnte es mir nicht leisten jetzt frech zu werden, denn nun stieg wieder die Angst vor ihm in mir hoch, die ich so lange versucht habe zu verstecken, doch es hatte keinen Zweck. 

So nah wie er mir nun war, und so gut wie er roch, hatte ich gemischte Gefühle. Ich verstand immer mehr, warum so viele Mädels auf ihn standen. Er hatte etwas an sich, das sich nicht leugnen ließ. 

Seine braunen Haare wehten im Wind und schmeichelten seinem Gesicht sehr, wodurch auch seine Gesichtszüge weich wirkten - ich wünschte mir sehr, dass ich das auch über seine Persönlichkeit sagen konnte, aber der Zug war schon lange abgefahren. 

Er hätte ein guter Mensch werden können und vielleicht hätte ich mich eines Tages auch in ihn verlieben können, doch leider entschied er sich dazu, ein totales Arschloch zu sein.

Ich nickte unterwürfig und er nickte selbstgefällig. 

Erneut spürte ich seinen stechenden Blick in meinem Rücken, als ich die Tür öffnete und meinen Rückzug antritt und mich auf den Weg machte, meinen unbeliebten Arsch wieder in den Waschraum zu befördern. Diese Runde hatte er gewonnen. 

"Hey, triffst du dich nicht gleich mit Akio? Du solltest dich beeilen.", hörte ich plötzlich eine weibliche Stimme, als ich langsam durch die Halle streifte und meine Bentobox mit gesenkten Blick bewunderte. 

Wer hatte das gerade gesagt? Ich schaute mich hektisch um und versuchte die Quelle der Stimme auszumachen, aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Mir schwirrte der Kopf und ich hatte plötzlich tausend Fragen in meinem Kopf.

Akio? Der Akio? Mein Akio? War das ein Zufall? Gab es hier mehrere mit diesem Namen? Ich musste versuchen meine Gedanken zu sammeln.

"Oh mein Gott, du hast Recht. Ich sollte mich beeilen. Er wartet bestimmt schon auf mich.", hörte ich eine andere weibliche Stimme aber erneut drohte mir der Kopf zu platzen und vor lauter Schock ließ ich meine Box fallen, weswegen ich mich bückte und währenddessen versuchte wieder auf mein Leben klar zu kommen.

Es wurde realer.

Akio war hier.

Für mein Wohlbefinden und die Panik, die in mir aufstieg, wenn ich mit seinem Namen konfrontiert wurde, hatte ich keine andere Wahl.

Ich musste herausfinden, wer er war.

Liar | Oikawa x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt