Einfach nur weg von hier

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Ich kam mir so dumm vor, als ich nach der Schule in Lichtgeschwindigkeit nach Hause lief, meine gestörten Eltern ignorierte und in meinem Zimmer wie besessen seine Handynummer suchte, die ich gut versteckt unter meinem Mauspad hatte, doch wo war sie abgeblieben?

"Ich hatte sie doch hier hingelegt. Was ist los?", flüsterte ich mir selber zu und merkte nicht, wie sich meine Schlafzimmertür wieder öffnete.

"Suchst du das hier?", fragte mich mein Vater und wedelte mit dem kleinen Zettel leicht hin und her und wirkte verärgert.

"Was ist das?", fragte ich ihn und stand langsam vom Boden auf, weil ich sogar zuvor unter meinem Schreibtisch nachgesehen hatte und jeden kleinen Fleck im Umkreis untersuchte. Ich spielte die Ahnungslose, denn ich hatte in seiner Gegenwart keine Wahl. Er durfte mir das nicht auch noch versauen.

Verdammt, er hat mein Zimmer durchsucht, als ich nicht da war. Wie konnte ich nur so leichtsinnig sein?

Ich brauchte einen Freund - auch wenn es sich für den Anfang um den unausstehlichen Oikawa handelte.

"Da steht eine Handynummer drauf und ein männlicher Name. Schämst du dich nicht?", fragte er und seine Stimme klang kalt.

Warum kümmerte es ihn überhaupt, was in meinem Leben los war? Er schien gelangweilt mit seinem eigenen zu sein, wenn er sich plötzlich Gedanken über mein sinnloses machte.

Ich ging wütend auf ihn zu, unwissend was nun in mich gefahren war, und versuchte ihm den Zettel aus der Hand zu reißen, doch er zog ihn weg, wodurch ich ihn nicht ergreifen konnte.

"Gib ihn sofort her!", forderte ich auf und schien außer Kontrolle zu sein, mich meinem Vater mit so einem Mut zu stellen. Ich versuchte mit aller Gewalt seine Hand zu erreichen, das Stück Papier zu ergreifen und ihn dann aus meinem Zimmer zu drängen, doch leider hatte ich vergessen, dass ich schwach war und gegen seine fast zwei Meter nichts ausrichten konnte.

"Wer ist dieser Oikawa? Ist er etwa dein Freund?", fragte er zynisch und ich hörte auf zu springen und mein Ziel zu erreichen, schaute ihn verwirrt an und ging einen Schritt zurück.

"Erst bist du als Tochter eine Enttäuschung, dann schwänzt du die Schule und was dann, huh? Willst du uns etwa schon zu Großeltern machen, du billiges Flittchen?", fragte er und ließ seinem Ärger freien Lauf.

Was war denn nun in ihn gefahren? Ich konnte nichts sagen, denn nun war er endgültig für mich gestorben.

Er hatte keine Liebe, geschweige denn Respekt, für mich übrig. Er hasste mich schlicht und ergreifend einfach. Ob ich, vor meiner Geburt, seine Karriere zerstört hatte und er mich deshalb verabscheute? Wollte er sich von meiner Mutter trennen, doch wurde wegen ihrer Schwangerschaft dazu gedrängt, bei ihr zu bleiben? Was zur Hölle war der Grund für seinen Hass? Macht es Sinn, darüber nachzudenken oder ihn um eine Antwort anzubetteln, damit ich endlich weiterleben konnte?

Hatte ich eine Chance gehabt, einen Vater zu haben, der sich gefreut hätte, wenn die Tochter sich endlich verliebt hatte? Nicht, dass es bei Oikawa und mir der Fall war, es ging mir ums Prinzip.

Oder noch schlimmer - hatte er mit allem Recht? War ich eine Enttäuschung und konnte die Wahrheit selber nicht erkennen? Spielte ich mir selber etwas vor, indem ich dachte, dass ich nicht so behandelt werden musste?

Ich fasste mir an die Stirn und musste mich erstmal sammeln, bis ich meine wirren Gedanken bei Seite schob und mich auf das Monster vor mir konzentrierte.

"Gib sie her.", bat ich ihn ein letztes Mal und streckte die Hand aus, wagte es jedoch nicht, in sein Gesicht zu schauen.

Er seufzte, kam auf mich zu, legte den Zettel nach kurzem Zögern in meine Hand und umklammerte sie mit beiden Händen, während er mir etwas näher kam und ich fast schon seinen kalten Atem auf meiner Haut spüren konnte, was mir vor Angst Gänsehaut bescherte.

Liar | Oikawa x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt