Ich wusste nicht wie ich mich fühlte, jetzt wo ich wusste, dass ich Oikawa später wieder sah und ich anscheinend keine Wahl hatte.
Wir durften dieses Zimmer nicht verlassen, denn das hatten wir schließlich so ausgemacht und nun blieb mir nichts anderes übrig, als darauf zu warten, dass er wieder durch diese Tür spazierte und mich mit seiner Gegenwart vollkommen um den Verstand brachte.
Ich hatte aber an diesem Morgen keine Motivation, mir darüber unnötige Gedanken zu machen und kümmerte mich eher um mein Frühstück, das schon lange fällig war.
Ich hatte die Wahl zwischen dem Zimmerservice, den ich aber wahrscheinlich selber bezahlen musste und mit den Preisen in diesem Hotel, würde ich mich noch vor der Volljährigkeit in die Schulden stürzen und das hätte mir gerade noch gefehlt. Ich beschloss deswegen, mich schnell umzuziehen und mich unter die Menschen zu wagen.
Als ich unten in der Lobby ankam, sah ich, dass der nette Rezeptionist noch immer dort sein Unwesen trieb und ich spielte mit dem Gedanken, seinen Tag jetzt schon kaputt zu machen, doch so gemein wollte ich nun doch nicht sein.
Ich verließ entschlossen das Hotel und merkte erst jetzt, dass etwas in meiner Handtasche klimperte – der Zimmerschlüssel.
Natürlich muss ich ihn vorne am Empfang abgeben, verdammt. Das hatte ich ja ganz vergessen.
Nun kam ich nicht drum herum, dem gestörten Typen im Eingang doch einen Besuch abzustatten.
Ich seufzte und drehte mich genervt um, ging durch die automatischen Schiebetüren, direkt nach vorne.
Er erblickte mich sofort und ich konnte schon von weitem sehen, dass ihm eine Ader im Gehirn geplatzt war, denn er musste sich auch darüber gefreut haben, dass wir an diesem Morgen noch keinen Kontakt hatten, doch er war ja schließlich hier, um zu arbeiten und seine eigenen Brötchen zu verdienen.
"Na, wer hat denn da am frühen Morgen so gute Laune?", ärgerte ich ihn, sah ihn mit einem falschen Lächeln an und kramte kurz darauf in meiner Tasche herum, um den Schlüssel zu finden und es für uns beide angenehmer zu machen.
"Verschwinde.", sagte er. "Wegen dir habe ich gestern unglaublichen Ärger bekommen.", fuhr er fort und begann damit, mir die Schuld in die Schuhe zu schieben, aber das ließ ich nicht zu.
"Wegen mir? Ist das jetzt dein Ernst?", fragte ich ihn und zwar nicht auf rhetorische Art, denn ich erwartete wirklich eine Antwort auf diese Frage und die sollte er mir nun schön liefern.
"Hat es nicht vielleicht etwas damit zu tun, dass du für diesen Beruf nicht geeignet bist? Dich sollte man echt nicht mit Kunden alleine lassen.", sagte ich und rollte mit den Augen, als ich schließlich den Schlüssel in meiner Tasche fand und in die rechte Hand nahm.
"Wie kannst du es wagen? In meinen fünfzehn Jahren als Rezeptionist...", begann er, doch ich hatte für diesen Unsinn keine Zeit.
"Ja, ganz toll. Wir sehen uns später. Bereite bis dahin bessere Sprüche vor.", sagte ich genervt und legte den Zimmerschlüssel auf dem Tresen ab. Ohne auf seine Reaktion zu warten, drehte ich ihm einfach den Rücken zu und begab mich in die frische Luft, die ich genüsslich aufsog.
Für einen kurzen Moment machten mich die Menschenmassen und die Gespräche, die auf mich eindonnerten, nervös, doch ich musste was essen – da kam ich nicht drum herum.
In dieser Ecke von Miyagi gab es kleine Läden, in denen kaum zehn Leute Platz nehmen konnten und es offensichtlich war, dass diese Lokale schon seit hunderten von Jahren existierten, doch es war allgemein bekannt, dass es in diesen Restaurants am besten schmeckte und dort noch mit Liebe gekocht wurde. Jedoch gab es auch an der Hauptstraße eine kleine Auswahl an Essensständen, die japanische Klassiker direkt vor Ort, innerhalb von Minuten, zubereiteten und dir to go in die Hand drückten – diese waren sehr verlockend, da es dort am günstigsten war, doch ich wollte meinem depressiven Ich auch mal etwas gutes tun, deshalb suchte ich nach einem kleinen Café, das ein leckeres Frühstück anbot.
Ich ging durch eine kleine Gasse, die richtig schön hergerichtet wurde und vor Blumen nur so wimmelte. Rechts und links waren kleine Geschäfte und mir stach direkt ein Schaufenster ins Auge, das alleine von außen schon unglaublich gemütlich aussah. Ich konnte den Kaffee schon förmlich riechen.
Mein Bauch knurrte wie auf Kommando und wollte mich dazu bringen, rein zu gehen und ich stimmte ihm zu und ging auf die Eingangstür zu, zögerte kurz und öffnete sie schließlich.
Wie erwartet schoss mir Geruch von Kaffeebohnen und frischen Brötchen in die Nase.
"Guten Morgen! Ein Tisch für eine Person?", begrüßte mich eine Kellnerin und wartete auf eine Antwort.
"Hey, j-ja. Ähm...", setzte ich an, ließ aber auch gleichzeitig meinen Blick durch den Raum schleifen und bemerkte, dass es kaum noch freie Plätze gab, doch das machte mir nichts aus, denn ich war mir sicher, dass irgendwo noch ein Plätzchen für mich frei war und der Hunger brachte mich langsam um.
"Genau. Nur einen. Danke.", antwortete ich und mir wies die nette Frau vor mir den Weg und ich nickte zustimmend, was bedeutete, dass ich ihr folgen sollte.
Als ich mich umdrehte, weil die Kellnerin schneller war als ich und in eine andere Ecke des Cafés ging, realisierte ich erst gar nicht, in wessen Gesicht ich für eine Sekunde blickte.
Es waren die selben braunen Augen – die, die ich sah, bevor ich gestern neben ihm einschlief.
Er saß in einer Nische und schien mich – dem Herrn sei Dank – nicht zu bemerken, denn sein Blick war auf die blonde Maus vor ihm gerichtet, die er wahrscheinlich vor fünf Minuten erst aufgerissen hatte, nachdem er sich, nach einer schlaflosen Nacht, von einem seiner zahlreichen Freundinnen, verabschiedet hatte und ihr versprach, sie anzurufen – was er niemals getan hätte, denn es war mehr als offensichtlich, dass ihm niemand mehr bedeutet, als er sich selbst.
Irgendwie bekam ich bei diesem Gedanken ein schlechtes Gefühl im Bauch und ein Teil von mir wäre gerne zu ihm rüber gegangen und hätte sich mit ihm unterhalten, wenigstens Hallo gesagt und doch bekam der andere Teil eine unglaubliche Wut auf ihn. Mir schossen die Gedanken in den Kopf, warum gerade er so beliebt bei anderen war, dabei die Antwort mehr als offensichtlich, doch was war falsch daran, auch so geliebt zu werden wie er? Er hatte ein Talent dafür, andere Mädchen zu manipulieren und ihnen ein gutes Gefühl zu geben, doch ich redete mir ein, dass das nicht stimmte und sich Menschen ändern konnten. Ich wollte, dass er all seine Worte ernst meinte und er hatte mich fast so weit – ich war fast bereit, ihm zu glauben, doch ich konnte es jetzt noch nicht, denn dafür war ich zu nachtragend.
Ich wollte nicht in einem Raum mit ihm sein – denn mich machte der Anblick krank, ihn hier mit einer anderen zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt war mir nicht klar, wieso. Ich hatte auf diese Reaktion von mir keine Antwort und ich fühlte mich so dämlich, denn mir wurde klar, dass ich eh später wieder mit ihm alleine war – ich war ihm wieder ausgeliefert.
In mir schoss die altbekannte Panik auf. Ihn in freier Wildbahn, unter Menschen, zu sehen, versetzte mich zurück in die Schule und ich hatte Angst davor, dass er mich entdeckte und dann in aller Öffentlichkeit bloßstellte und mich vor seiner Freundin und der ganzen Menschheit in den Dreck zog.
Klar, er hatte versprochen, dass er sich zügelte, wenn es um mich ging, doch wie konnte ich ihm glauben? Am Ende des Tages war er unberechenbar, denn wer sagte mir, dass er sein Versprechen wirklich hielt? Seine tollen Freunde? Wohl kaum.
Die Angestellte ging immer weiter in Richtung meines Platzes, doch ich wollte sie nicht ansprechen und ihr sagen, dass ich es mir anders überlegt hatte, denn ich hatte die Befürchtung, dass Oikawa mich sonst gehört hätte und solange er dies noch nicht tat, wollte ich keine schlafenden Hunde wecken.
Panisch ging ich einen Schritt zurück, drehte mich um und ließ die Tür hinter mir ins Schloss fallen.
Zimmerservice klang plötzlich doch gar nicht mehr so schlecht.
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Liar | Oikawa x OC
FanfictionRan scheint keine strahlende Zukunft zu haben, da sie tagtäglich gemobbt und ausgegrenzt wird - warum, das weiß sie selber nicht. Als sie eines Tages dem beliebtesten Jungen, und gleichzeitig ihrem schlimmsten Feind, begegnet, scheint dieser Interes...