Reichtum

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Ich konnte die gesamte Nacht nicht schlafen. Ich habe kein Auge zu bekommen. 

Er hatte mich geküsst.

Vielleicht nicht direkt auf die Lippen, aber trotzdem hatten wir Körperkontakt. Er berührte mich, drückte mir einen Kuss auf die Stirn, entschuldigte sich und verschwand dann einfach? Es fühlte sich an, als würde die Welt für eine kurze Zeit still stehen. 

Mir wurde ganz warm, mein Kopf drehte sich und ich wollte am liebsten die Tür zuschließen und den Schlüssel aus dem Fenster schmeißen, damit dieser Moment niemals endete. 

Wie seine Lippen sich wohl auf meinen anfühlten? 

Oh mein Gott, was war denn nur in mich gefahren? Wo kamen denn jetzt plötzlich diese ekelhaften Gedanken her?

Es benötigte höchste Anstrengungen, um endlich die Schmetterlinge in meinem Bauch zu vertreiben, die dort herumschwirrten und mir das Leben noch schwerer machten, als es ohnehin schon war. 

Mir war klar, dass dieses Gefühl bedeutete, dass ich mich in ihn verliebte aber ich wollte das nicht. Oder doch? Verdammt, ich wusste es nicht. 

Ich drehte mich im Bett hin und her, starrte jede Sekunde auf die Uhr und doch schien die Zeit noch immer nicht auf meiner Seite zu sein.

In dem Moment als ich die ersten Sonnenstrahlen sah, die einen Kampf mit der Gardine führte, die sie zu gewinnen schien, stand ich auf und beschloss dieses Hotelzimmer ein für alle Mal zu verlassen. 

Es war sechs Uhr morgens an einem Sonntag und wenn es nach Oikawa ging, hätte ich bestimmt bleiben können, bis er mich höchstpersönlich rausgeschmissen hatte aber ich das käme ihm bestimmt gerade recht und diese Blöße wollte ich mir nicht geben. 

Ich bin dumm genug gewesen, darauf hereinzufallen und seine Gutmütigkeit ausnutzen, damit er hinter meinem Rücken bei seinen Freunden darüber lachen konnte - zumindest redete ich mir das ein, denn es war der einzige Grund, der mir plausibel erschien. 

Ich konnte ihm nicht trauen, denn er gab mir nie einen Grund, ihm vollkommen zu vertrauen. Niemals war es möglich, dass er sich von heute auf morgen änderte. Ich wollte das glauben, doch er hasste mich. Ganz egal ob er mich nun küsste, sich bei mir entschuldigte oder so tat, als wäre all das niemals passiert. 

Ihm tat alles leid? Ich glaubte ihm kein Wort. 

Er war dafür verantwortlich.

Er sagte das nur, um sein Gewissen rein zu waschen.

Apropos, waschen. Als ich in das Bad stolperte, um all meine Dinge zu suchen, die mir gehörten, warf ich einen letzten Blick in den Spiegel.

Meine schwarzen Haare waren ein einziger verwuschelter Albtraum und ich fuhr mit meinen schlanken Fingern durch diese und bemerkte den ein oder anderen Knoten, den ich aber ignorierte und meine Haare einfach zusammenband und das Problem auf ein anderes Mal aufschob. Ich putze ein letztes Mal meine Zähne und verzichtete auf eine Dusche, denn dafür blieb jetzt keine Zeit mehr - ich wollte hier einfach nur noch weg. 

Ich ignorierte mein Aussehen und packte einfach alles zusammen in meinen kleinen Kulturbeutel, welchen ich in meiner Tasche verstaute. 

Ich schaute mich im Bad um, fand nichts mehr, löschte das Licht und schloss die Tür hinter mir. 

Nun war es Zeit all das Chaos im Hotelzimmer zu beseitigen, doch ich verlor langsam die Geduld und verzichtete sogar darauf, mich schnell umzuziehen, weswegen ich nun hier stand - graue Jogginghose und ein etwas zu großes T-Shirt, das ich unachtsam in meine Hose gesteckt hatte, damit ich mich besser bewegen konnte.

Wie eine Verrückte ging ich von einer Ecke zur anderen, um alles zu nehmen, was mir in die Hände fiel. Mein Handy, mein Ladekabel, die letzten Snacks, die Oikawa für mich übrig ließ - all dies verschwand in meiner Tasche, bis es nichts mehr zu finden gab.

Weil ich dem Zimmerservice nicht noch mehr Arbeit machen wollte, wenn dieses später das Zimmer unbewohnt vorfand, entschied ich mich dazu das Bett zu machen. Ich schüttelte die Laken durch, bis ich einen leichten Aufprall auf dem Boden vernahm. Verwundert hockte ich mich hin und fand einen schwarzen Geldbeutel vor. Es war das Label einer teuren Modemarke zu entdecken. Mir gehörte er nicht, weil bei mir keiner einen Sinn machen würde, bei den drei Yen, die ich mit mir herumschleppte - es konnte nur Oikawas sein. Er musste ihn hier letzte Nacht vergessen haben. Ich wusste ja nicht, dass er so wohlhabend war. Dieses Hotelzimmer für ein gesamtes Wochenende zu buchen, war für ihn wohl wie ein Tropfen auf dem heißen Stein - in etwa so, als würde er sich gerade eine Packung Ramen kaufen. 

Egal, zurück zu den wichtigeren Dingen - was sollte ich jetzt nur tun?

Ich öffnete ihn neugierig und mir kamen zwei Kreditkarten entgegen und hunderttausend Yen in bar - etwas anderes hätte mich auch gewundert. Ich rollte genervt meine Augen, denn mir war bewusst, was nun auf mich zukam. Er musste ihn zurückhaben und es gab nur einen Weg - persönlich. Jedoch hatte ich keine Ahnung wo er wohnte, deshalb blieb mir nur eine Möglichkeit und bei dem Gedanken daran wurde mir ganz anders - die Schule. 

Genervt stand ich auf und schmiss ihn in meinen Beutel, den ich verärgert um meine rechte Schulter warf und im letzten Schritt nach dem Hotelzimmerschlüssel griff.

Ich war nicht wirklich scharf darauf, wieder nach Hause zurück zu kehren, aber mir blieb nichts anderes übrig, denn hier wollte ich nicht bleiben. Ich fühlte mich, als würde ich ersticken und nur die frische Luft Miyagis konnte mich jetzt noch retten. 

Ich schloss die Tür hinter mir ab und atmete tief durch. Es funktionierte. Mir ging es etwas besser.

Ich ging den stillen Flur entlang, der deutlich kühler wirkte, als das Zimmer, in welchem ich die letzten Tage meine Zeit verschwendet habe. Ich fühlte mich erfrischt und wohler in meiner Haut - wenn auch nur für einen kurzen Moment.

Denn als ich unten dem Rezeptionisten begegnete, der mich glücklich anlächelte, ging ich mehrere Theorien in meinem Kopf durch, warum er plötzlich so fröhlich wirkte - seine Medikamente haben wohl angefangen zu wirken. Gut für ihn.

"Na, wohin des Wegs?", fragte er mich und langsam machte ich mir Sorgen, denn seine gute Laune war schon fast ansteckend. Nur wenige Sekunden benötigte ich, bis es mir dämmerte - er musste froh sein, mich endlich los zu sein.

"Hör auf. Du kannst deinem Chef vielleicht etwas vormachen, aber da musst du dich bei mir schon etwas mehr anstrengen.", entlarvte ich ihn und wie auf Knopfdruck verwandelte sich sein Gesicht wieder in den Miesepeter, den ich am Freitagabend kennengelernt habe. Komischerweise war ich erleichtert, denn seine gespielt freundliche Art hat mir Angst gemacht.

"Ja, ja, was auch immer. Gib mir den Schlüssel und verschwinde endlich.", streckte er seine Hand aus und verlangte das silberne Ding, das sich in meiner rechten Hand befand. 

Da ich nicht in Streitlaune war, überreichte ich ihm diesen wortlos und warf ihm einen letzten verachteten Blick zu, denn nicht nur er war froh, dass wir uns nicht mehr sehen mussten.

"So schnell bist du mich nicht los.", gab ich ihm ein Versprechen, doch er rollte nur mit den Augen, drehte sich um und entschloss sich dazu, mich zu ignorieren und das war mir mehr als recht, denn ich tat es ihm gleich.

Ich wollte ihm mit diesem Spruch nur Angst machen, aber ich denke, dass die Realität ganz anders aussah - ich würde schneller an diesen Ort zurückkehren, als mir lieb war. 



Liar | Oikawa x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt