Ich wollte eigentlich nie wieder an diesen Ort zurückkehren, doch nun stand ich an der selben Stelle, wie einige Wochen zuvor, nur war ich dieses Mal entschlossener als letztes Mal - und hatte etwas mehr Gepäck in meiner Hand. Ich hatte schnell frische Wäsche in meinen Beutel gestopft und auch einige Dinge, um mich in der Früh frisch zu machen, denn wenn wir schon ein Zimmer für uns hatten, dann wollte ich diesen Umstand gerne ausnutzen. Egal, ob er gleich wieder ging, nach Hause wollte ich nicht mehr - jedenfalls für einige Tage.
Nur gut, dass heute Freitag ist.
Ich konnte heute Nacht nicht alleine sein und wenn er seine Gesellschaft anbot, wäre ich ein Idiot gewesen, doch einen Rückzieher zu machen.
Der Himmel war klar, nur ein kühler Wind wehte mir um die Ohren und es lief mir deswegen kalt den Rücken runter – ein Zeichen, jetzt dieses Hotel vor mir zu betreten.
Wir haben entschieden, uns im selben Zimmer zu treffen, aber ich wusste noch nicht, ob er schon da war, deshalb ging ich nach vorne zur Rezeption und hatte das Glück, wieder auf den selben Miesepeter zu treffen, der mich schon beim ersten Mal höchst professionell behandelt hatte. So hart wie er, bei meinem Anblick, seine Augen rollte, hätte er eigentlich Höllenqualen erleiden müssen, aber er war wohl dieser Typ, der gerne im Stillen litt.
"Was willst du denn schon wieder hier?", fragte er, noch genervter als damals.
"Ich freue mich auch, dich wiederzusehen.", log ich und kicherte leise, weil mich der Gedanke erfreute, ihn zu nerven und ich empfand die Gesamtsituation als höchst lächerlich, weshalb ich einfach nicht anders konnte.
"Was muss ich tun, damit du, so schnell wie nur möglich, verschwindest?", fragte er mich und flehte mich mit seinem Ton fast schon an, ihn von seinem Leid zu erlösen. Keine Ahnung, was ich ihm eigentlich angetan hatte, aber das fragte ich mich bei jedem anderen Menschen in meinem Leben auch, also nahm ich sein respektloses Verhalten eben hin. Wenn er nur wüsste, dass sein Befinden auf Gegenseitigkeit beruhte.
"Sag mir, ob schon jemand vorbei kam, um den Schlüssel für Zimmer 127 abzuholen.", fragte ich ihn und lehnte mich lässig an die Theke und streckte mich leicht, während er sich umdrehte und alle Schlüssel checkte.
"Nein.", antwortete er. Das war alles?
"Würdest du ihn mir dann bitte geben?", fragte ich ihn ungeduldig, doch er starrte mich wortlos an und ich fragte mich, was in seinem Kopf abging - der Kollege war noch merkwürdiger als ich und aus unerklärlichen Gründen machte er mir Angst.
"Du wirst nicht gehen, bevor ich ihn dir gebe, oder?", fragte er nun und ich schüttelte entschlossen mit dem Kopf, meine Augen geschlossen und einem leichten Lächeln auf meinen Lippen.
Ein lauter Knall ertönte, welcher von dem Schlüssel kam, den er mir lautstark auf die Theke knallte. Dieser Typ schien die heftigsten Aggressionsprobleme und Stimmungsschwankungen zu haben und das schien auch sein Chef zu wissen, der plötzlich um die Ecke kam und ihn zusammenstauchte.
"Sag mal, geht's noch? Was soll das denn werden, wenn es fertig ist?", fragte der ältere Herr im Anzug. Am liebsten hätte ich ihn gefragt, was er für inkompetente Mitarbeiter hat, aber er wusste wohl selber, dass er bei dem Rezeptionisten vor mir einen großen Fehler gemacht hat.
Sie fingen an sich zu streiten und ich nahm einfach still und heimlich den Schlüssel in meine Hand und entfernte mich mit langsamen Schritten, denn mit deren Problemen wollte ich nichts zutun haben.
Ich stieg in den Aufzug, versuchte diese unangenehme Begegnung zu vergessen und stieg auf meiner Etage aus. Nur komisch, dass Oikawa noch nicht da war, doch das gab mir Zeit, noch ein letztes Mal über alles nachzudenken und den Tag Revué passieren zu lassen.
Nein, eigentlich wollte ich all dies von heute hinter mir lassen und mich auf die nächsten Momente konzentrieren, die vor mir lagen. Ich wollte nicht mehr einen Gedanken an all das Trauma verlieren, das ich aufgrund der Nachlässigkeit meiner Eltern bekam.
Ich steckte den Schlüssel in das Loch der Hotelzimmertür und verschwand hinter ihr. Ich schaltete das Licht an und gab mir ein paar Minuten, um mich in Ruhe umzusehen - ich konnte letztes Mal nämlich nicht viel wahrnehmen, da ich so unglaublich wütend und enttäuscht war.
In diesem Zimmer gab es ein Doppelbett und an beiden Seiten befand sich jeweils ein Nachttisch, eine Lampe und ein Telefon, um unten bei der Rezeption anzurufen, um Forderungen zu stellen oder Essen auf das Zimmer bestellen zu lassen - gut zu wissen, dass es da war, denn ich werde es, bei dem Grummeln meines Magens, bald brauchen.
Ich knallte meine Tasche auf einen Stuhl, der neben einem kleinen Tisch stand, auf welchem ein kleines Notizbuch lag, damit sich ein Gast Notizen machen konnte.
Ich fand endlich das Badezimmer, das komplett weiß war und mir durch das grelle Licht fast meine Netzhaut wegbrannte. Mit meinem Kosmetikbeutel im Schlepptau, traute ich mich zum Waschbecken, um mich im Spiegel anzusehen und frisch zu machen, denn dafür hatte ich zuhause keinen Nerv, aber ich habe auf dem Weg realisiert, dass ich tatsächlich dabei war, den beliebtesten Jungen der Schule zu sehen, also musste ich da jetzt wohl oder übel durch.
Ich nahm meinen Concealer, schmierte ihn mir unter meine Augen und versuchte mir den wenigen Angstschweiß von meiner Stirn zu wischen und mit Puder zu überdecken, doch das war schwieriger als ich dachte. Ich seufzte und wollte fast aufgeben, als ich zu meinem Trumpf packte und Lipgloss und etwas Blush auftrug.
Irgendwie sehe ich jetzt fast aus wie ein gesunder Mensch.
Dieses Erfolgserlebnis gab mir etwas Selbstbewusstsein und gerade als ich meine Haare kämmen wollte, klopfte es an der Tür.
"Verdammt.", sagte ich verärgert, weil ich dachte, dass ich noch ein paar Minuten hätte, um das Vogelnest auf meinem Kopf zu bändigen, aber nun musste ich mich beeilen. Ich kämmte schnell einige Knoten heraus, legte die Bürste auf einer Anrichte ab, checkte mich ein letztes Mal im Spiegel ab, nickte und stolperte dann aus dem Bad.
Nebenbei schmiss ich meinen Kulturbeutel zurück in meine Tasche, den ich schnell mit all meinem Krimskrams füllte, den ich gerade noch benutzt hatte.
Ich stand nun vor der Tür, die Klinke in der Hand und ich atmete ein letztes Mal tief durch.
Was zum Teufel mach ich hier nur?!
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Liar | Oikawa x OC
FanfictionRan scheint keine strahlende Zukunft zu haben, da sie tagtäglich gemobbt und ausgegrenzt wird - warum, das weiß sie selber nicht. Als sie eines Tages dem beliebtesten Jungen, und gleichzeitig ihrem schlimmsten Feind, begegnet, scheint dieser Interes...