Es waren Stunden, doch es kamen mir vor wie Sekunden, als ich aufwachte, bemerkte, dass ich alleine zu Hause war und meine Eltern mich wieder meinem Schicksal überließen.
Ich war noch nicht ganz wach, als ich mich in die hinteren Reihen meines Klassenzimmers saß und hoffte, dass mich niemand ansprach, geschweige denn ansah. Meine Mutter hatte noch nicht einmal eine Bentobox für mich vorbereitet, wie es sich für eine fürsorgliche Mutter gehörte, sondern ließ mich mich knurrendem Magen zurück. Ich machte mir klar, dass ich kein Essen verdiente und checkte meinen schmalen Körper im Spiegel, als ich mich für die Schule umzog.
Ich strich mir durch meine Haare, die ich vergaß zu kämmen, und hoffte, dass dies niemandem auffiel – besonders nicht einem Lehrer, denn sonst stünde ich wieder im Mittelpunkt.
Während ich einfach nur so da saß, betraten meine übrigen Klassenkameraden den Raum und behandelten mich wie Luft. Niemand sah mich an und wenn ich es nicht besser wusste, hätte ich locker als Geist durchgehen können.
Die Stunden des Unterrichts zogen sich wie Minuten und die Pause war der Moment, vor dem ich am meisten Angst hatte. Glücklicherweise begegnete mir Ayumi diesen Morgen noch nicht, aber ich war mir sicher, dass, jetzt wo ich daran dachte, mein Wunsch erfüllt wurde.
Die Klingel zog mich aus meinen Gedanken und schon lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Ich hörte das aufgeregte Getuschel der anderen, die nacheinander den Raum verließen und glücklich zu sein schienen – nur ich konnte mich nicht vom Fleck bewegen.
"Viel Spaß in der Pause und geht bitte auch an die frische Luft!", rief unser Mathelehrer den anderen hinterher, während er sein Unterrichtsmaterial in seine Tasche packte und mich im Augenwinkel entdeckte. Ich zitterte leicht und hielt mich unbemerkt an meinem Tisch fest, damit ich nicht auffiel.
"Das gilt auch für dich, Ran. Los jetzt!", befahl er mir mit einem lockeren Lächeln auf den Lippen.
"Aber könnte ich nicht...", stammelte ich vor mich hin und versuchte ihn zu überreden, den restlichen Tag in der Klasse bleiben zu dürfen, aber das wäre das erste Mal, dass ich Glück im Leben hatte. Der Lehrer schien meine indirekten Hilfeschreie nicht zu bemerken und ging daraufhin einen Schritt auf mich zu, während er sich seine Tasche über die Schulter warf und leise seufzte. Ich war ihm eine Last.
"Nun mach schon!", sagte er und wurde immer ungeduldiger. Ich versuchte ihm durch meine Augen meine Angst mitzuteilen, weil mein Mund gerade versagte, aber es musste sein. Ich stand mit weichen Knien auf und ging auf den Lehrer zu, der zufrieden lächelte.
"Na, siehst du. Jetzt geh und genieße deine Pause!", sagte er freundlich. Er hatte keine Ahnung was in meinem Leben abging – das war die einzige Erklärung, denn sonst hätte er sich nicht so gleichgültig verhalten. Ob er wusste, dass ich Todesangst hatte, weil ich hinter jeder Ecke Ayumi vermutete, die mich nicht aus den Augen lassen wollte?
Ich ging zusammen mit meinem Lehrer auf den Flur, der sich aber wortlos verabschiedete und mich alleine ließ. Gut, denn das war ich nicht anders gewohnt.
Wo sollte ich nun hin? Meine Blicke schweiften durch die Menge an Schülern, die sich über das Mittagessen unterhielten, über den ein oder anderen ablästerten und gegenseitig die Hausaufgaben besprachen.
Es ist alles okay. Keine Angst., versuchte ich mir einzureden und überlegte mir einen Platz, an dem ich die nächsten fünfzehn Minuten überlebt hätte.
Der Waschraum? Nein, das hätte noch schlecht für mich ausgehen können, weil Ayumi bestimmt, nach gestern, dort auf mich lauerte. Hatte sie denn wirklich nichts Besseres zu tun?
Mir fiel nur das Dach ein, da sich dort die wenigsten in der Pause aufhielten. Dieses Gebiet war für Schüler eigentlich streng verboten, aber ich hatte eh nichts mehr zu verlieren, weswegen ich mich unbemerkt durch die Menge schleuste, oft umsah und ehe ich mich versah, das Dach betrat.
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Liar | Oikawa x OC
FanfictionRan scheint keine strahlende Zukunft zu haben, da sie tagtäglich gemobbt und ausgegrenzt wird - warum, das weiß sie selber nicht. Als sie eines Tages dem beliebtesten Jungen, und gleichzeitig ihrem schlimmsten Feind, begegnet, scheint dieser Interes...