Ausreden

230 23 2
                                    

"Was willst du denn hier?", fragte ich Oikawa angenervt, der lässig an der Hauswand lehnt und gelangweilt den Blick von seinem Handy auf mich wechselte. 

"Bleib mal geschmeidig. Ich habe extra darauf geachtet, dass deine Eltern nicht zuhause sind.", sagte er und die Art, wie er es genoss, mein Haus von einem Busch aus zu beobachten, bis meine Mutter und mein Vater ahnungslos verschwunden waren, sollte mich wohl beruhigen aber mir schoss vor Wut nur so die Röte ins Gesicht.

"Du hast meine Frage nicht beantwortet.", sagte ich und drängelte mich zur Tür vor, steckte den Schlüssel ins Loch, drehte ihn um und hatte eigentlich geplant Oikawa die Tür vor der Nase zuzuknallen, aber er stellte sich mir mit einem Fuß in den Weg und verhinderte somit, dass ich diese schließen konnte.

Mir war es eigentlich total egal, warum er hier war, denn was konnte er sagen oder tun, um alles schlechte in der Vergangenheit wieder gut zu machen?

"Bitte hör mir zu.", flehte er schon fast und die Art, wie lieb er plötzlich mit mir sprach, beschwerte mir ein schlechtes Gewissen, ohne zu wissen, ob dies nicht von vornherein sein Ziel war. 

"Was?", fragte ich ihn kurz und bündig. 

"Darf ich bitte reinkommen? Ich habe nachgedacht.", sagte er sanft und wenn ich nicht wüsste, dass er das größte Arschloch war, dass auf Erden wandelte, wäre ich auch fast auf diese Masche hereingefallen, aber ich entschloss mich dazu, ihm eine letzte Chance zu geben, denn aus irgendwelchen Gründen, wurde ich neugierig. 

Bringen wir es hinter uns.

Ich öffnete die Tür einen Spalt weiter, schloss sie wieder hinter Oikawa und erlaubte ihm somit, einen Einblick in mein Zuhause zu erhaschen.

Ich drehte mich zu ihm um, sah ihn nur unbeeindruckt an und sagte nichts, denn ich gab ihm nun die Möglichkeit, den Unsinn loszuwerden, der ihm wohl auf dem Herzen lag.

"Ich habe nachgedacht. Das ist alles echt unglücklich gelaufen.", fing er an und ich sagte noch immer nichts und wunderte mich, ob dies nun alles war, was er mir zu sagen hatte, doch da sollte ich mich irren.

"Ich will mich entschuldigen. Für alles. Das waren doch alles nur blöde Scherze.", sagte er, kicherte peinlich berührt und kratze sich am Hinterkopf.

Blöde Scherze? Er hat mich terrorisiert und einen Teil meines Lebens zerstört und das ist seine beste Entschuldigung? Ehrlich gesagt wurde ich gar nicht, ob ich überhaupt noch eine von ihm haben wollte. Jeder Ton aus seinem Mund machte mich krank. 

"Erster Strike.", erwiderte ich und wusste, dass er als Sportler, diese Anspielung verstehen musste. 

"Okay, wie du willst. Ich habe mich in dir geirrt. Ich bin nochmal all unsere Nachrichten durchgegangen, hatte viele schlaflose Nächte und bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich...", stockte er kurz und ich wusste genau, welche Worte er nicht über die Lippen bekam.

Er wollte bestimmt sagen, dass ich es endlich wert war, eine von seinen tausenden Freundinnen zu werden. Er wollte mir klar machen, dass ich anders war. All diese Floskeln, die ich jetzt nicht ertragen konnte, denn ich wusste, dass jedes Wort von ihm gelogen war. 

Oikawa war ein schrecklicher Mensch, der jeden nur für seine Zwecke ausnutzte und diese Tatsache wusste jeder - man konnte es einen offensichtlichen Fakt nennen, den sich niemand traute auszusprechen.

Aber was war, wenn sich hinter dieser respektlosen, und doch so wunderschönen, Fassade, jemand versteckte, der sich genauso missverstanden fühlte wie ich? Vielleicht war es doch Schicksal, dass wir uns online getroffen hatten und so schlecht haben wir uns auch nicht verstanden - aber das war Akio und nicht Oikawa. Für mich waren beide zwei verschiedene Menschen.

"Weißt du was? Ich möchte deine Ausreden nicht hören.", setzte ich an und atmete schwer ein und aus. "Du hast mir gedroht und mein Leben zur Hölle gemacht. Ist dir das eigentlich klar?", sagte ich und kam einen Schritt auf ihn zu. 

"Ja, ich weiß. Ich bereue jedes Wort, glaub mir doch.", bettelte er leicht, doch ich schüttelte nur mit dem Kopf.

Lüge. 

"Eine letzte Chance gebe ich dir noch. Sag mir, warum ich dir glauben sollte. Gib mir einen guten Grund.", bat ich ihn und gab mir selber einen Ruck, alles wieder in Ordnung zu bringen, obwohl dies ganz klar seine Aufgabe war. 

Ich wusste nicht, welcher Teufel mich in diesem Moment geritten hat, aber irgendwas in mir wollte ihm verzeihen. Etwas in mir wollte ihn mögen. Etwas in mir wollte ihn noch nicht aufgeben, denn ich dachte an die Nachrichten, die er mir schrieb, wenn meine Eltern sich wieder stritten oder ich mich wieder in den Schlaf weinen wollte.

Er konnte kein schlechter Mensch sein. Eine Seite an ihm war echt: die gemeine oder die lustige und liebevolle. 

Ich musste herausfinden, welche von beiden die Wahrheit war.

"Weil ich dich kenne. Ich sehe dich.", antwortete er. 

Mir stockte für eine kurze Sekunde der Atem, denn diese Antwort kam unerwartet. Er hatte mich schon lange um den Finger gewickelt und mit meiner automatischen Reaktion war mir alles klar.

Als ich mich wieder gefangen hatte und seine vier kleinen Worte verarbeitet hatte, räusperte ich mich, kam wieder in der Realität an und fragte mich, inwieweit er mich kennen sollte. 

Er wusste nichts über mich. Ich habe ihn nur das wissen lassen, was ich wollte und habe online versucht, ihn dazu zu bringen, mich zu mögen. 

Er kannte meine Situation zuhause nicht und er wusste nicht, dass ich mich schon lange selber aufgegeben hatte. Jedoch war er der einzige Mensch, der mich in den letzten Wochen wahrgenommen hat - wenn auch gelogen und wenn auch nur virtuell, doch es stimmte.

"Wie willst du all das wieder gut machen, was du mir angetan hast?", stellte ich meine nächste Frage.

"Ich muss es dir wohl beweisen.", sagte er und kam mir einen weiteren Schritt näher, berührte für eine Sekunde meinen Arm, den ich aber wieder wegzog, denn ich konnte seine Hände auf mir gerade nicht ertragen.

All dies ergab keinen Sinn für mich. Was zur Hölle ging hier ab?

"Hier. Nimm das.", sagte er und drückte mir einen Zettel in die Hand, als er sich an mir vorbei drängelte und wieder das Haus verlassen wollte. Ich hätte schwören können, dass ich eine Vibration von seinem Handy vernehmen konnte. Ich war in meinem Leben noch nie so verwirrt.

"Wo willst du denn jetzt so plötzlich hin?", fragte ich ihn perplex. 

"Vertrau mir. Ich muss gehen.", sagte er gehetzt und drehte sich ein letztes Mal zu mir um, bevor er leicht die Türklinke nach unten drückte und mir in die Augen sah. Diese braunen Augen waren so leer. 

Er konnte doch nicht gehen, obwohl ich noch so viele Fragen hatte.

"Dir vertrauen? Der war gut.", lachte ich wieder spöttisch, war aber doch froh, dass er mir wieder Luft zum atmen gab. Ich sah im Augenwinkel, dass er genervt mit den Augen rollte, doch ich dachte mir nichts dabei, denn es war schließlich Oikawa.

Er ging aus der Haustür, war fast verschwunden, doch ich stellte ihm eine letzte Frage.

"Hey, warte. Warum der falsche Name?", fragte ich ihn neugierig, doch er gab mir keine Antwort, sondern drehte sich leicht in meine Richtung, erzwang sich ein Lächeln und zwinkerte mir zu, bis er endgültig von unserem Grundstück verschwand. 

In meiner Hand hielt ich seine Handynummer.





Liar | Oikawa x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt