Jahr 350 nach dem Götterkrieg, Spätherbst
Flusslande
Sie ritten nahe dem Ende des Trosses. Ein Großteil der Bevölkerung von Dunvegen hatte sich ihnen angeschlossen. Nur ein paar wenige hatten darauf bestanden, ihre Heimat nicht zu verlassen. Vielleicht hatten sie Glück. Sie waren kein bedeutendes Ziel mehr. Doch interessierte das den Feind? Áed wusste nicht, nach welchem Vorgehen er handelte. Bisher hatte er einfach nur große Ansammlungen von Menschen überfallen. Zumindest soweit er wusste.
Es ging nur gemächlich vorwärts. Viele gingen zu Fuß, darunter auch viele alte. Odhrán hatte zweien angeboten, auf seinem Karren mitzufahren. Diese saßen jetzt hinten bei den Vorräten, die er retten konnte. Zofia saß bei ihm vorne auf dem Bock, während Caelan und Peadar gehen mussten.
Es zerrte an seinen Nerven. Er konnte nichts tun, außer mit diesen Leuten Richtung Osten zu ziehen. Es gab nichts, wie sie einen Angriff hätten verhindern können oder wie sie ihn vorhersehen konnten. Es blieb nichts, als der Straße zu folgen und zu hoffen, dass es nicht zu einem kommen würde.
Er musste sich ablenken, die letzten Tage waren zu viel. „Sara?"
„Ja?" Sie starrte weiterhin geradeaus.
„Das Buch, was für eine Bedeutung hat es?" Diese Frage hatte ihn jetzt schon länger beschäftigt. Ihr schien es mittlerweile schon besser zu gehen, aber zumeist wirkte sie immer noch etwas blass. Sie hatte sich trotz der Strapazen erstaunlich schnell erholt.
„Es war Éannas Kodex. Jetzt ist es meiner." Näher schien sie darauf nicht eingehen zu wollen. So viel also dazu. Vielleicht ein anderes Thema. „War sie auch eine Magierin?"
Jetzt sah sie doch zu ihm herüber. Sie sah so erschöpft aus. „Ja. Wir lernten zusammen. In einem früheren Leben. Sie hatte Jahre an Vorsprung, als sie hierherkam. Sie hat mich damals gefunden. Es war das erste Mal, dass ich meine Heimat verlassen habe. Sie wurde schließlich wieder hierher versetzt und ohne sie gab ich die Lehre schnell wieder auf. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, also trat ich dem Heer bei. Meine Ausbildung sicherte mir eine gute Position. Aber wie gesagt, ein früheres Leben."
„Wart ihr in einer Akademie? Ich dachte, es gibt seit dem Götterkrieg keine mehr." Es gab also doch noch Magier, auch wenn das Kaiserreich sein bestes tat, dies zu ändern. Nicht nur das Kaiserreich, auch die Zwergenkönige. Und sogar die Hapitha Dynastie der Felin strebte danach zumindest zu kontrollieren, wer ausgebildet wurde und wie diese die Welt sahen, wie man sagte. „Was ist mit der..."
„Mit der Inquisition? Es ist einfach. Es gibt keine Akademien mehr und so müssen die Inquisitoren auch nicht nach ihnen suchen." Sie holte tief Luft, atmete schwer aus und sprach dann weiter.
„Natürlich gibt es keine Akademie. Wir wurden heimlich unterrichtet. Verschiedene Lehrer, verschiedene Orte. Wir reisten viel." Etwas leiser: "Ich vermisse es." Áed meinte, ein bitteres Lächeln auf ihren Lippen zu erkennen. „Aber eine Geschichte für eine Geschichte. Was ist deine?"
Das erschien ihm nur gerecht. Besonders, da seine wohl weniger schmerzhaft war.
„Weitaus weniger spannend. Wir lebten vor Hara. Ich bin Sohn eines Köhlers. Und was macht ein Sohn, wenn er dem Beruf seines Vaters nicht folgen will? Er zieht in die Welt und schlägt sich so durch. Bis er am eigenen Leib erfährt, dass das nicht funktioniert und er dem Heer beitritt."
„Dann bist du aber ganz schön fern der Heimat", kommentierte sie.
„Meine Heimat ist es schon lange nicht mehr. Aber ich schätze, du hast recht."
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Weltentod
FantasyDie Welt liegt im Sterben. Die Bäume verdorren, der Boden wird unfruchtbar und die Toten weigern sich, tot zu bleiben. Wie eine Krankheit breitet es sich vom Westen her aus. Aus dem Eisenwald heraus und über die zentralen Ebenen und die Flusslande. ...