LIII - Wende

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Jahr 351 nach dem Götterkrieg, Sommer

Merun, Kaiserreich


"Wir erzählen Thorgest nichts davon?" - "Wir erzählen ihm nichts davon." Der Zwerg hatte genug, worüber er sich Sorgen machte - ob er nun musste oder nicht - und das mussten sie nun wirklich nicht mit auf die Liste setzen.

Giræsea schaffte es den ganzen Weg zurück zur Herberge nicht, sich zu entspannen. All die Last, die sie an diesem Morgen im Wasser zurückgelassen hatte... Und jetzt wusste jemand, dass Iora hier war. Sie redete sich ein, dass es egal war. Sie würden Merun bei der nächsten Gelegenheit verlassen und dann hatte sich das ganze Thema erledigt. Sie könnten ja zurück nach Dayaph. Oder jede andere Stadt in Iaprea. Sie würde sogar mit nach Merya kommen, wenn Iora es sich wünschte.

Ich hätte mehr erwartet von dir. Du willst einfach verschwinden? Die Welt brennen lassen?

Verfluchte SCHEIßE!

Giræsea blieb stehen. In einer schmalen Gasse zwischen zwei Hauswänden. Im Dunkeln von Meruns Unterstadt. Iora war ein gutes Stück weiter, bis sie bemerkte, dass sie alleine war.

Ich dachte, ich gebe dir einen Tag Zeit, darüber nachzudenken, aber wie ich sehe, ist das der falsche Ansatz.

Ich dachte, ich bin dich los.

Giræsea schloss zu Iora auf. "Entschuldigung. Weiter."

Mich loswerden? Ich bin dein. Du hast einen Eid geschworen.

Sie folgten weiter den schmalen und dunklen Gassen. Mieden die breiteren Straßen. Es gab eine gute Chance, dass sich das Gerücht über die Anwesenheit einer Elfe schnell verbreitete.

Es war wirklich nicht der beste Zeitpunkt für Iirinye, sich wieder zu Wort zu melden. Giræsea war nicht in der Stimmung.

Was willst du von mir?

Dass du mich bitte wieder einsammelst. Dass du mich führst.

Nein.

Du stellst dich gegen den Willen deiner Göttin.

Und weiter? Was habe ich all die Jahre für sie getan und was hat sie für mich getan?

Mehr als du ihr zugestehst, wenn sie noch die gleiche ist. Und ich bin ihr Geschenk für das, was vor dir liegt. Wenn du ihre Hand bist, bin ich das Schwert, das du führen wirst.

Gegen Iirinye anzureden brachte nichts. Giræsea schwieg. In ihrem Geist. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen. Was um alles in der Welt war die bedeutende Rolle, die sie spielen sollte? Soll sich die Nachtmutter jemand anderen suchen.

Ich möchte außerdem anmerken, dass du mich von einem Berg geworfen hast. In den Dreck.

Giræsea lurte um eine Hausecke, sah niemanden und gab Iora ein Zeichen, dass sie weiter konnte. Mittlerweile hatten sie ihre Herberge fast erreicht.

Ich halte das für sehr unhöflich.

"Bei Tarnaths Eiern, möchtest du bitte endlich still sein?"

Iora starrte sie an. "Ich hab doch gar nichts..."

"Nicht du. Entschuldigung."

"Was?"

"Gleich. Drinnen." Gleiches gilt für dich. Drinnen.

"Gira, Wovon redest du?"

Giræsea seufzte. Nicht jetzt. Sie wollte nur von der Straße sein. Wer wusste, wie schnell es sich herumsprechen würde.

"Okay. Drinnen."


Iora schloss die Tür hinter ihnen. Der Schankraum war leer. Nicht einmal der Felin stand hinter der Theke. Giræsea war sich sicher, sie hätte sich nach all der Zeit, die sie hier waren, endlich seinen Namen merken müssen.

"Also?"

"Ja, ist gut." Giræsea ging hinter die Theke. "Wein", gab ihr Iora hinterher.

"Ich hab dir doch von dem Griff erzählt." - "Ja." - "Nun... Der Griff ist ziemlich nervig." He!

Giræsea ignorierte Iirinye und nahm eine Flasche aus dem Regal und zwei Becher von unter der Theke.

"Sie ist in meinem Kopf."

"In deinem Kopf?" Iora klang wenig überzeugt, aber zumindest interessiert.

"In meinem Kopf. Ich dachte, ich wäre sie los, wenn ich den Griff los bin, aber nein. Sie ist noch hier." Und unzufrieden. "Und unzufrieden."

"Und was will sie von dir?"

Dass du mich wieder einsammelst. Das ist einfach unwürdig.

Giræsea stellte die Becher auf den Tischen und schenkte ihnen beiden ein.

"Mich unglaublich nerven." Ha ha. Sehr witzig. Ein Augenrollen, wenn denn ein Gedanke ein Augenrollen sein konnte. "Sie möchte, dass ich sie wieder einsammle. Den Griff suche."

"Du hast also eine Stimme in deinem Kopf, die dir sagt, dass du den Griff, nach dem wir die letzten Monate gejagt haben und den du von einem Berg geworfen hast, jetzt doch wieder suchen sollst."

"So ziemlich." Wenn du verstehen würdest, dass ich mehr bin, als nur eine Stimme in deinem Kopf. - Das musst du mir erst einmal beweisen.

"Zu meinem Glück habe ich schon ganz andere Dinge gesehen, sonst müsste ich mich damit abfinden, dass meine Liebe wahnsinnig ist."

"Noch würde ich das nicht ausschließen. Und außerdem will ich den Griff trotzdem nicht suchen." Ein genervtes Seufzen in ihren Gedanken. "Was soll ich denn mit diesem scheiß Griff ausrichten? Und warum soll überhaupt ich etwas ausrichten?"

Es war so viel. So viel mehr. Wie hatte sie den Glauben so lange aufrecht erhalten können, dass sie etwas tun konnte? "Warum ist sie nie klar in ihren Aufgaben?" Sie nahm einen tiefen Schluck.

"Gira, ich weiß nicht, was sie von dir erwartet, aber es ist nicht deine Pflicht, ihr zu gehorchen." Iora klang so verständnisvoll, doch sie verstand nicht.

"Leider doch. Es ist kompliziert..."

"Scheiße Gira!" Und in nur einem Lidschlag wandelte sich Iora. "Dann erzähl. Wir haben Zeit. Ich will wissen, was hier los ist. Warum meinst du, dass du das alles alleine machen musst? Dass wir nichts davon wissen sollen? Ich kann dir nicht helfen, wenn du nicht mit mir sprichst. Du bist nicht alleine mit dieser Scheiße!"

Giræsea wollte weinen. Wollte schreien. Wollte alleine sein. Wollte dieses Gespräch nicht führen. Wollte gehalten werden. Wollte alles, was Iora ihr anbot.

"Wenn es so einfach wäre... Ich habe einen Eid geschworen." Konnte sie es sagen? "Meine Seele gehört ihr noch nicht, aber viel fehlt nicht dazu."

"Und als Gegenleistung?"

"Genug." Mehr als sie selbst je vermochte. So viel mehr. "Alles, was ich mir wünschen könnte."

"Nichts ist genug, dass du dafür zerbrichst! Hast du darüber nachgedacht, was mit den Leuten in deinem Leben ist?"

"Für euch wollte ich das tun!" Wie konnte es Iora begreifbar machen? "Die Welt kann vor die Hunde gehen, wenn es nach mir geht! Für euch habe ich versucht, Hoffnung zu haben."

"Gira... Du bist so verdammt stur..." Iora legte ihr eine Hand an die Wange. Es war kein Vorwurf. "Und so verdammt blind dafür, was die Leute um dich für dich tun können. Wir sind hier. Sag uns, was du brauchst. Ich bin für dich da. Thorgest ist für dich da."

"Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht einmal, was ich selbst tun kann."

"Dann fangen wir da an."

WeltentodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt