XVIII - Apothekarius

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Jahr 350 nach dem Götterkrieg, Spätherbst

Fort Carraig an Iarainn, Kaiserreich


Die Unruhe außerhalb seiner Zuflucht war schrecklich. So viele waren angekommen. Wie viel? 300? 400? 400 neue Stimmen. Durcheinander. Es war schwer, sich zu konzentrieren. Die Unruhe von draußen sickerte durch die Mauern, kroch über den steinernen Boden zu ihm. Sie wuchs an ihm nach oben und bohrte sich in seinen Geist. Schon zum dritten Mal las er den Abschnitt.

"[...] Hlūde wǣran hȳ lā hlūde ðā hȳ ofer þone hlǣw ridan
wǣran ānmōde ðā hȳ ofer land ridan
scyld ðū ðē nū þū ðysne nīð genesan mōte
ūt lȳtel spere gif hēr inne sīe
stōd under linde under lēohtum scylde
þǣr ðā mihtigan wīf hyra mægen berǣddon
⁊ hȳ gyllende gāras sændan
ic him ōðerne eft wille sændan
flēogende flāne forane tōgēanes
ūt lȳtel spere gif hit hēr inne sȳ ·
sæt smið slōh seax
lȳtel īserna wund swīðe
ūt lȳtel spere gif hēr inne sȳ
syx smiðas sǣtan wælspera worhtan
ūt spere næs in spere
gif hēr inne sȳ īsenes dǣl
hægtessan geweorc hit sceal gemyltan
gif ðū wǣre on fell scoten oððe wǣre on flǣsc scoten
oððe wǣre on blōd scoten
oððe wǣre on lið scoten nǣfre ne sȳ ðīn līf ātǣsed
gif hit wǣre ēsa gescot oððe hit wǣre ylfa gescot
oððe hit wǣre hægtessan gescot nū ic wille ðīn helpan
þis ðē tō bōte ēsa gescotes ðis ðē tō bōte ylfa gescotes
ðis ðē tō bōte hægtessan gescotes ic ðīn wille helpan
flēo þǣr on fyrgenhǣfde
hāl westū helpe ðīn drihten
nim þonne þæt seax ādō on wǣtan [...]"

Diese Manuskripte waren an sich schon schwer genug zu verstehen, ganz zu schweigen davon, ihren Sinn zu erfassen. Und diese Unruhe machte es nur schwieriger. So würde er zu nichts kommen.

Er schloss das Buch vor sich und wandte seinen Blick zur Decke, schloss die Augen und nahm einen tiefen Atemzug.

Allium ursinum, ocimum basilicum, urtica, coriandrum sativum.

Der Raum war erfüllt von dem Duft der Kräuter. Getrocknet hingen sie von der niedrigen Decke; andere frisch gesammelt in einem Korb neben der Tür; in einem Mörser war auch noch ein Rest zu finden. Schon gestern hatte er ihn säubern wollen. Doch bisher hatte einfach nicht die Dringlichkeit dazu bestanden.

Er stand auf und besah sich die Beete, die er an der Wand gegenüber der Tür angelegt hatte.

Auf einem dünnen Bett aus Erde wuchsen sie. Für jeden an seine Bedürfnisse angepasst.

Hericium erinaceus an einem Scheit eines Baumes, der vor nicht allzu langer Zeit gefällt worden war. Er beträufelte ihn mit ein wenig Wasser aus einer Schüssel, die auf dem Tisch stand.

Zwischen alten Stücken Rinde und Moos: Armillaria ostoyae. Auch deren Durst stillte er. Sie machten sich hier besser als er gedacht hatte. Schade, dass er beim Kauf der Sporen übers Ohr gehauen wurde und wie er später erfahren hatte, dieser Pilz keinerlei medizinische Wirkung besaß. Höchstens könnte er jemandem eine leichte Grippe verpassen. Sicher war er sich nicht, ob er dies einmal benötigen würde, doch es kostete ihn nichts und so zog er auch sie in diesem Beet groß.

Auricularia auricula-judae auf einem weiteren Scheit Totholz. Der mochte einfach nicht so recht. Leider gab es um seine Hütte keine Bäume und wenn er nicht gerade den nächsten Wald absuchen wollte, war dies immer noch seine beste Möglichkeit. Doch er hatte sich bessere Resultate erhofft. Doch insgesamt betrachtete er diesen Versuch der Pilzbeete las Erfolg. Zusammen mit den Kräuterbeeten, die er vor seinen Fenstern anlegen konnte, könnte er in Zukunft vielleicht bald für fast alle Beschwerden eine Salbe anrühren oder einen Trank brauen.

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