VI - Deserteure

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Jahr 350 nach dem Götterkrieg, Spätherbst

Lager des Kaiserlichen Militärs nahe Andras, Flusslande


Zwei Tage. Zwei Tage ohne Nahrung oder Wasser, aber endlich hatte er Andras erreicht. Anfangs war er gerannt. Er wollte nur weg von Cruidín. Er hatte es schnell bereut. Verbissen war er länger gerannt, als er konnte. Mit jedem Schritt hatte er diese Monster hinter sich gespürt. Bald war er erschöpft. Doch er kämpfte sich weiter voran; erst den einfachen Weg, dann die Straße entlang.

Die Nacht war furchtbar kalt und trotz seiner Erschöpfung schlief er kaum. Jeden Moment rechnete er damit, dass ihn der Tod aus der Dunkelheit holen würde.

Am zweiten Tag haderte er damit, ob er seine schwere Armbrust nicht einfach liegen lassen sollte. Er würde schneller vorankommen. Nein. Er klammerte sich an sie wie an das Seil, das ihn vor dem Ertrinken rettete. Er würde sie nicht aufgeben.

Gegen Mittag begannen ihn seine Sinne zu verlassen und er verließ sich nur stur auf einen Gedanken: Weiter. Einfach weiter. Immer weiter. Einen Fuß vor den anderen. Er würde Andras erreichen, dort würden ihn die Mauern schützen.

Und so stolperte er gegen Abend des zweiten Tages in das Lager der Kaiserlichen Schwerter. Die Banner hatten ihn schon von weitem gegrüßt. Das schwarze Schwert auf dem blau-weißen Untergrund mit dem goldenen Kranz darum. Heilige, war er froh, als er es sah.

Nachschub war schon auf dem Weg gewesen. Nur leider zu spät. Zu spät für Róise oder Caolán. Zu spät für Cruidín.


Auf die Armbrust gestützt schleppte er sich an den Zelten vorbei. Die Soldaten saßen viel zu ruhig und gingen ihren Aufgaben nach. Schliffen ihre Schwerter, polierten ihre Rüstungen, kochten. Sie wussten noch nicht, dass die Verteidigungslinie gefallen war; dass die Elfen nur flohen; was wirklich auf dem Weg hierher war.

Erst nach dem dritten Zeltring hielt ihn jemand auf.

"Soldat! Rang und Namen!"

Langsam hob er den Kopf, um zu sehen, wer ihn da anschrie. Vor ihm stand eine Frau in der Montur eines Vizefeldwebels, aber etwas schien nicht zu stimmen. Die Details waren anders.

"Áed Cahill. Gefreiter beim sechsten Schützentrupp, des dritten Zuges vom westlichen Grenzschutz." Mehr brachte er nicht heraus, bevor er sich in einem Hustenanfall vornüber beugte. Seine Kehle schmerzte mit jedem Wort.

"Warum hast du deinen Posten verlassen, Cahill?" Von oben sah sie auf ihn herab. Der blutbeschmierte, schwere Bolzenwerfer ächzte unter seinem Gewicht. In ihrer Stimme lag kein Mitleid für seinen Zustand.

"Wir wurden überrannt. Nicht von den Elfen. Es war etwas anderes." Er war sich nicht sicher, wie er es beschreiben sollte. Hatte er es überhaupt gesehen? Wie seine Kameraden gefressen wurden? Oder hatte er sich das nur eingebildet?

"Und was wäre das, Soldat?" In ihrer Stimme lag jetzt schon, dass sie ihm nicht glauben würde.

"Es sah aus wie Elfen, aber ... mit Geschwüren und... Panzern wie von Käfern. Als würden sie direkt aus den Höllen kommen."

"Dann führ uns zu ihnen," meinte sie mit einem bösen Lächeln. "Dann wollen wir doch mal sehen, ob der achzehnte Zug damit nicht fertig wird."

"Schickt Späher, irgendwas. Die können euch sagen, was dort vor sich geht. Evakuiert Andras! Stockt..." Weiter kam er nicht.

"Gefreiter, führe uns zu ihnen!" Sie glaubte ihm nicht. Natürlich nicht. Warum auch? Außer ihm gab es niemanden mehr, der gesehen hatte, was er gesehen hatte. Und die, die es gesehen hatten, waren tot.

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