Jahr 350 nach dem Götterkrieg, Winter
Fort Carraig an Iarainn, Kaiserreich
Odhrán war schneller als sie beide. Er stürmte vorwärts. Áed hätte erwartet, dass er schrie, aber er war stumm und konzentriert. Erst im letzten Moment riss der den Krähenschnabel nach oben und ließ ihn schräg von oben gegen den Ellenbogen des Biestes fahren.
Knochen barsten. Der Fomhórach knickte ein. Er gab keinen Laut von sich.
"Komm, wir müssen hier weg", versuchte Áed Sara zum Gehen zu bewegen. Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten und ihr gesamtes Gewicht lag auf Áed.
"Aber..."
"Kein aber. Odhrán hält uns den Rücken frei. Wir können hier nichts tun. Nicht so."
Sie schien es einzusehen und er führte sie in Richtung des Tors. Das Tor, das vor ihren Augen geschlossen wurde.
"Seid ihr wahnsinnig?", schrie Áed nach oben. Das konnte doch nicht sein. Sollten sie alle hier draußen sterben? So würde es nicht enden. Sie waren dem ersten Angriff entkommen und waren dem Tod in der Arena entkommen.
Áed hörte hinter sich einen Einschlag. Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße...
"Bitte stirb mir hier nicht, ich bin gleich wieder da." Er setzte Sara etwas unsanft neben dem Tor an die Wand - sie tat ihren Unmut mit einem Grunzen kund - dann drehte er sich um und suchte nach irgendeiner Möglichkeit, etwas zu tun.
Odhrán stand noch, doch er atmete schwer. Gut. Áed suchte den Boden ab. Er brauchte etwas. Irgendetwas. Ein Schwert. Eine Axt. Eine Armbrust wäre ihm am liebsten gewesen. Doch er bezweifelte, dass er überhaupt zielen könnte. Sein Herz raste und seine Hände zitterten. Das... Das war anders als alles, was er die letzten Monate durchgemacht hatte.
Ein Speer. Ein Speer? Er hatte seit seinen Tagen als Rekrut keinen Speer mehr geführt. Keine Zeit. Er rannte. Riss ihn vom Boden und stellte sich an Odhráns Seite.
"Vorschläge?", schrie ihm der Riese zu und sprang einen Satz zurück und stürzte.
Áed kramte in seinen Erinnerungen. "Der Kopf!" So hatte der Elf es in Cruidín geschafft. Aber das war hier leichter gesagt als getan. Der war eine Mannshöhe über ihm.
Áed stach mit dem Speer in die Seite des Biests. Und damit nahm es nun auch ihn als Bedrohung wahr. Der massige Leib schwenkte zu ihm herüber. Weg von Odhrán. Er stach noch einmal zu. In die Brust. Keine Regung. Aber jetzt sah er deutlich den Schaden, den der Schlag des Riesen angerichtet hatte. Der Arm war noch dran, ja. Aber wenn der Fomhórach ihn belastete, knickte er ein. Ein Stück Knochen hatte sich durch die Haut gebohrt. Es sah widerwärtig aus und Áed spürte es fast.
Das Biest dagegen... Nicht. Er machte ein paar schnelle Schritte rückwärts und es folgte ihm. Und ein jedes Mal, wenn seine linke Schulter unter seinem Gewicht nachgab, schob sich mehr Knochen durch das brennende Fleisch.
Eine Idee.
"Hinten links!" Wenn es so wenig von seiner Verletzung hielt, würde es seine Seite nicht schützen. Áed sprang zur Seite, um den Stoßzähnen auszuweichen. Überall Schnee. Er spürte seine eigene Seite. Der Schnitt war nicht tief, aber er stach bei jeder seiner Akrobatikeinlagen. Er rappelte sich auf und griff sich den Speer vom Boden. Hoffentlich hatte Odhrán verstanden, was er von ihm wollte. Für ausführliche Erklärungen war wirklich nicht die Zeit. Lange würde er keine gute Ablenkung abgeben.
Dann spürte er etwas an seinem Rücken. Der Boden verschwand unter seinen Füßen. Und in diesem Moment war sich Áed sicher, dass das vermutlich sein Ende würde. Er würde aufschlagen. Würde sich zu viele Knochen brechen. Und wenn der Fomhórach ihn dann noch als Ziel sah, würde er sicher nicht ausweichen können, bevor von seinem Körper nicht viel mehr übrig blieb als eine leblose Hülle.
Und dann war der Boden auch schon wieder da. Und so weit er es beurteilen konnte, auch noch alle Knochen an ihrem Platz. Warme, faulige Luft fuhr über ihn hinweg und Áed krabbelte so schnell er konnte weg von der Quelle. Er wollte nicht zerschmettert werden und wollte sicher auch kein Feuer fangen.
Er hörte Bewegung. Dann ein Brüllen. Das erste Mal, dass der Fomhórach einen Laut von sich gab. Áed gab sich keine Mühe, es zu deuten. Als es abebbte, war da etwas anderes. Ein Einschlag. Noch einer. Schmatzen. Brechende Knochen.
Áed atmete schwer und wagte kaum, sich umzudrehen. Das Biest versuchte, sich auf die Beine zu kämpfen und verstand nicht, warum es ihm nicht gelang.
Vom Feuer war nicht mehr viel übrig. Es hinterließ nur verbrannte Haut und freigelegte Muskeln. Und an seiner Seite stand - kniete - Odhrán und schwang seinen Krähenschnabel. Er traf das Becken. Es brach. Dann das zweite Bein. Einmal. Zweimal. Dreimal.
Der Fomhórach versuchte, sich zu seinem Angreifer umzudrehen, doch nur noch eines seiner Gliedmaßen erfüllte seinen Dienst. Die anderen zuckten nur noch oder bewegten sich träge.
Der Riese von Kynvell humpelte zum Kopf der Bestie - machte dabei einen weiten Bogen um den verbleibenden Arm - schwang dann mit beiden Armen den Hammer hoch über seinen Kopf, brüllte und mit einer Bewegung, die durch seinen ganzen Körper ging, senkte er die Spitze in den massigen Kopf seines Opfers. Und in diesem Moment fürchtete Áed den alten Mann.
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Weltentod
FantasyDie Welt liegt im Sterben. Die Bäume verdorren, der Boden wird unfruchtbar und die Toten weigern sich, tot zu bleiben. Wie eine Krankheit breitet es sich vom Westen her aus. Aus dem Eisenwald heraus und über die zentralen Ebenen und die Flusslande. ...