IV - Initiation

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Jahr 349 nach dem Götterkrieg, Sommer

Titanengrab, nördlich von Ardport


Gemächlich trottete der Esel hinter Meister und Schülerin her. Schon seit Stunden trug er ihre Last. Als sie aufgebrochen waren, wollte die Sonne gerade untergehen und nun stand der Mond schon hoch am Himmel und tauchte die drei in weißes Licht.

"Wie weit denn noch?", fragte Iora ihren Meister, der die ganze Zeit über nicht ein einziges Wort gesprochen hatte. Es hatte sie zunehmend nervöser gemacht, da er sonst nur sehr selten zum Schweigen neigte. Was hätte sie jetzt für eine Lektion gegeben. Die Stille nagte an ihr.

"Siehst du die Säule da vorne, die aus dem Titanengrab wächst? Dort müssen wir hin. Dort habe ich vor Jahren die Runen in den Stein gemeißelt. Dort werden die Alten dich in ihre Jünger aufnehmen." Der alternde Magier sah sich nicht zu ihr um. Die Augen immer starr auf ihr Ziel gerichtet. Diese Erklärung tat nichts, um Ioras Gemüt zu beruhigen.

Den Rest des Weges bis zur Brücke, die sie auf die steinerne Plattform bringen würde, sprach er kein weiteres Wort und ließ sie mit ihren Gedanken alleine. Oft hatte er ihr gesagt, sie solle die Zeit nutzen, in der er ihr nichts beibrachte, um selbst über die Dinge nachzudenken. Aber in dieser Stille war keine Zeit, um über die Natur des Lebens oder die Entwicklung verschiedener Arten zu sinnieren. Sie war zu angespannt.

Sie hatte für Stärke gebetet und für Klarheit. Sie wusste nicht, ob es etwas gebracht hatte. Hatten ihre Ahnen sie überhaupt gehört? Sie wusste ja nicht einmal, wer sie waren. Es fühlte sich auf jeden Fall nicht so an, als würden sie ihr in dieser Prüfung beistehen. Vielleicht lag es an den Gebeten selbst.

Theologie war zwar eines der Gebiete, in denen er sie unterrichtet hatte, doch es war nichts weiter als Theorie. Stammbäume. Die Natur der Göttlichkeit. Wie sich Riten über die Jahrhunderte verändert hatten. Aber wie man richtig betete? Nicht die geringste Ahnung. Brachte ihr das Wissen etwas, dass Irdorath Mutter und Vater aller Elfen war? Jäger auf dem Wind? Nicht wirklich. Sie hatte versucht, sie anzusprechen. Bat sie, ihr beizustehen, sollte etwas geschehen, wie sie vermutete, dass man es tat. Antwort hatte sie keine erhalten.


Endlich erreichten sie die steinerne Säule. In der Mitte gab der Magier ein Zeichen, dass sie hier halten würden. Den Esel band Iora an dem vertrockneten Baum fest, der sich trotz aller Widerstände diesen kargen Ort als seine Heimat auserkoren hatte. Sie sah etwas poetisches darin, wie er hier um sein Überleben kämpfte. Sie wusste nicht, was genau.

Während der Meister den Sand und Staub über den Rand des Plateaus fegte, entzündete die Schülerin die Feuerschalen, die der arme Esel die letzten Stunden hatte tragen müssen. Und wann immer der Lehrer wieder eine Rune entdeckt hatte, eilte sie an seine Seite und goss je nach seiner Anweisung Wasser oder Öl darüber. Ein Kreis. Eine Sichel. Ein Blitz. Ein... Baum?

Schließlich waren sie fertig und platzierten eine letzte, verzierte Schale in der Mitte des Kreises. Der Meister schien zufrieden. Hier stand er als Magier und Herr über Naturgewalten. Das Licht der Feuerschalen gab ihm den Schein des Übermenschlichen. Seine Züge verhüllt. Die Schatten tiefer und immer in Bewegung. Hier war er nicht einfach ein alter Mann.

Das Flackern der Flammen im Wind hatte das ruhige Licht des Mondes vertrieben. Die kalte Nervosität wich nun einer brennenden Anspannung. Iora hatte ihre Zweifel, sicher, doch hatte sie nicht ihr ganzes Leben auf diesen Moment gewartet? Hatte nicht jeder Moment ihres Studiums sie hierauf vorbereitet? Acht Jahre in der Lehre ihres Meisters... Dies wäre die Krönung all ihrer Geduld.

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