Kapitel 5. Nächtlicher Ruf

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Federpfote schlief in dieser Nacht schlecht. Nach dem Jagdtraining, das den gesamten Nachmittag lang gedauert hatte, hatten ihre Beinmuskeln vom vielen Kauern und Springen geschmerzt. Erschöpft hatte sie sich bloß noch etwas vom Frischbeutehaufen genommen und war dann direkt in ihr Nest im Schülerbau geplumpst. Sie hatte sich nicht einmal erkundigt, ob Graufell wieder zurück war und ob es Neuigkeiten über Windsturms Traum gab. Stattdessen war sie einfach schlafen gegangen. Es fühlte sich so seltsam an, nicht mehr Glanzfell neben sich zu haben, sondern von den fremden Pelzen der anderen Schüler umringt zu sein. 

Der Bau war sehr voll, ganz anders als in der geräumigen Kinderstube musste man hier aufpassen, nicht jemandem versehentlich auf den Schwanz zu treten. Die Kater und die Kätzinnen lagen leicht getrennt. Während Flammenpfote und Silberpfote sich ganz hinten in die dunkelste Ecke der ehemaligen Dachshöhle schmiegten, hatten die Kätzinnen weiter vorne an den Höhlenwänden und Haselsträuchern errichtet. Waldpfote und Lachpfote hatten sich an der einen Wand aneinander gekuschelt, während Sanftpfote und Federpfote ihre Nester gegenüber an der bröckeligen Höhlenwand hatten. So blieb in der Mitte ein schmaler Gang frei, den die Schüler zum Laufen nutzen konnten, um den Bau zu verlassen oder durch die dichten Haselsträucher hineinzuschlüpfen. 

Federpfote lag mit dem Kopf direkt an einem Haselstrauch, wenn sie die Augen öffnen würde, könnte sie den hellen Mond durch die schmalen Äste scheinen sehen. Doch sie hatte die Augen geschlossen, hinter sich hörte sie Sanftpfotes leises Atmen. Die sandfarbene Schülerin war wirklich lieb zu allen im Clan. Sie war sehr geduldig und immer freundlich zu Federpfote. Außerdem war Sanftpfote eine ruhige Katze während des Schlafens, Lachpfote neckte Waldpfote immer damit, das sich diese in der Nacht so oft herumwälzen würde. Und Silberpfote schnarchte manchmal ganz leicht, da seine Nase oft verstopft war. 

Die junge Schülerin seufzte leise, dann kuschelte sie sich tiefer in die Gräser und das Moos, aus dem ihr Nest bestand. Dann stutzte sie. Ihre Ohren stellten sich auf, als sie ein fremdes Geräusch wahrnahm. Eine Stimme, wie ein Ruf. Komm, Federpfote. Komm zu mir. 

Sie hob den Kopf, öffnete die blauen Augen und blinzelte verwundert in die Dunkelheit. Federpfote war unsicher, träumte sie? Wem gehörte die Stimme? Sie kannte keine Katze, der sie die Stimme zuordnen könnte. Auch konnte sie nicht bestimmen, ob der Ruf von einer weiblichen oder männlichen Stimme kam. Wieder erklang die Stimme, dieses Mal schien sie direkt neben ihrem Ohr zu sein. Nun komm schon, sei nicht so schüchtern! Die Stimme schien belustigt, schon fast heiter. 

Neugierig erhob sich die Schülerin mit dem hellgrauen Pelz vorsichtig, darauf bedacht, keinen der anderen Schüler aufzuwecken. Dabei bemerkte sie, das der Platz neben Waldpfote leer war. Wo ist Lachpfote?, sorgte sie sich. Dann dachte sie, in dem Versuch, sich selbst zu beruhigen: Sicher nur am Schmutzplatz, die Maus vom Vortag muss schließlich auch wieder aus dem Körper raus. Federpfote schlüpfte also behutsam und wachsam aus dem Schülerbau, sie passte auf, keine Äste des Haselstrauchs zu berühren, um keine Geräusche zu verursachen. Wenn Lachpfote am Schmutzplatz war, musste Federpfote sich beeilen, bevor die orangefarbene Kätzin mit den außergewöhnlichen weißen Flecken zurückkehren würde. 

Sie hob die Nase und spitzte die Ohren, um mit all ihren Sinnen die Umgebung wahrnehmen zu können. Auf der Lichtung war es ruhig, kein Wind ging und die sonst in der Brise raschelnden Blätter der umstehenden Bäume waren still. Aus dem Bau der Ältesten drang gedämpft das Schnarchen von Krähenpelz. Der Älteste hatte Probleme mit der Atmung und bekam von Graufell jeden Morgen eine Ration Huflattich, um ihm das Atmen zu erleichtern. Das hatte Federpfote während ihrer vielen Besuche im Ältestenbau mitbekommen, als sie den Geschichten der erfahrenen Katzen gelauscht hatte. 

Sandschatten war noch eine relativ junge Älteste. Sie war erst vor wenigen Monden, nach der Geburt ihres letzten Wurfs, in den Ältestenbau gezogen. Zwar sprach die sandfarbene Kätzin nicht oft über ihren letzten Wurf, doch Federpfote wusste, das der Verlust der drei Junge ihr sehr schmerzten. Sie hatte sie während einer Blattleere bekommen, in der eine schwere Krankheit im Clan gewütet hatte. Nur eines von Sandschattens vier Jungen hatte überlebt; Sanftpfote. 

𝐄𝐢𝐧 𝐇𝐚𝐮𝐜𝐡 𝐯𝐨𝐧 𝐒𝐜𝐡𝐢𝐜𝐤𝐬𝐚𝐥 I WaCa FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt