Kapitel 12. Die fremde Katze

156 21 53
                                    

Warum hasst du mich so? Warum kannst du mich nicht einfach lieb haben?

Jagdkralle starrte auf die junge Schülerin herab, sie sah so ängstlich und verwirrt aus. Sie verstand nicht, warum sich in Jagdkralle bei ihrem Anblick jedes Mal eine Welle an Gefühlen aufbäumte und sein Innerstes sich in einen chaotischen, stürmischen Ozean verwandelte. Ein Konflikt, der aus einer brüllenden Seite bestand, einer Seite die geprägt war von Wut, Hass und Schmerz. Und vermischt mit dieser Aggressivität erhob sich eine ebenso starke Welle in ihm, die jedoch weniger bedrohlich erschien. Sie beinhaltete quälende Schuldgefühle, eine innere Verletzlichkeit, Angst und ein verwundetes Herz, das jedes Mal aufs Neue zum Bluten gebracht wurde, wenn Jagdkralle in die so vertraut scheinenden Augen von Federpfote blickte.

Vor nicht allzu langer Zeit wurde sein Herz von Krallen zerfetzt, und nun, als er dachte es würde endlich beginnen zu heilen, bekam er ausgerechnet die Schülerin mit diesen Augen. Er wusste, dass er sich täuschen musste, Federpfote konnte nichts für ihre Augen. Sie war bloß Federpfote, niemand sonst. Und doch war Jagdkralle nicht stark genug, es dabei zu belassen. Er merkte selbst, dass seine Methoden brutal und ungerechtfertigt waren, Federpfote hatte diese Behandlung nicht verdient. Wenn er jedoch einen Blick in ihre blauen Augen warf, vergaß er all das und wollte sie nur noch leiden sehen.

Noch immer starrte sie ihn an, ohne zu verstehen, welchen Qualen sie ihm nur durch ihr Aussehen aussetzte. Abrupt trat Jagdkralle einige Schritte nach hinten, er konnte das nicht. Sie wollte eine Antwort auf ihre Frage, doch die konnte er ihr nicht geben.

"Wir teilen uns auf, so jagen wir vielleicht besser", miaute er steif, er ließ keine seiner in ihm wütenden Emotionen nach außen dringen. Jagdkralle beobachtete, wie sich Federpfote vorsichtig aufsetzte. In ihrem Blick lag Unverständnis. Eines Tages würde sie vermutlich erfahren, was damals, noch vor ihrer Geburt, passiert war. Sie trägt keine Schuld, versuchte er sich immer wieder einzureden. Du kannst die Vergangenheit nicht ungeschehen machen. Doch es wirkte nicht, er brauchte Abstand. Zeit für sich, allein. Weg von den blauen Augen. Er nickte seiner Schülerin noch zu, als Ermahnung, nicht ohne ein Stück Beute ins Lager zurückzukehren, dann drehte er sich fort und trabte davon. 

Federpfote sah ihrem Mentor mit gemischten Gefühlen hinterher. Sie verstand nicht, was in ihm vorging, doch sie spürte, dass auch er keine leichte Zeit zu haben schien. Und doch wollte sie wissen, wollte verstehen, warum er ihr all das antat. Warum er ihre Schülerzeit in diese Hölle verwandelte, ihr nichts erklärte und nur noch mehr, und immer mehr, Druck ausübte.

Als auch das letzte Rascheln seiner Pfotenschritte im Unterholz verklungen waren, machte sich Federpfote gedankenverloren und mit schmerzender Wange auf die Suche nach Beute, die sie jagen könnte. Es half ja auch nichts, ohne Informationen oder irgendeiner Form von Klarheit sinnlos herumzugrübeln, davon wurde weder der Clan satt noch Jagdkralle stolz auf sie. Ihre Aufgabe war es, ein Tier zu erbeuten.

Sie lief auf leisen Pfoten durch den Wald und konzentrierte sich mit all ihren Sinnen auf die bevorstehende Jagd. Dabei blendete sie ihre Grübeleien aus und mit der Zeit wurde ihr Kopf immer leerer und leichter. Nicht mehr von schweren Gedanken gefüllt, sondern von Instinkten und Achtsamkeit.

Und nach einiger Zeit hörte sie das leise Tippeln der Mäusepfötchen auf dem Boden. Federpfote blieb sofort stehen und spitzte die Ohren, darauf bedacht, kein Geräusch zu machen das die Maus verscheuchen konnte. Erst einmal musste sie die Position der Maus ausmachen, bevor sie sich anschleichen konnte. Aufgeregte Freude machte sich in ihr breit, dies könnte ihre erste Beute sein! Doch Federpfote schob die störende Aufregung beiseite, konzentrierte sich ganz auf ihre Zielbeute. Sie lokalisierte das Nagetier unter einem kleinen Gebüsch, dort suchte die Maus nach Nahrung und durchwühlte geschäftig die herumliegenden Blätter. 

𝐄𝐢𝐧 𝐇𝐚𝐮𝐜𝐡 𝐯𝐨𝐧 𝐒𝐜𝐡𝐢𝐜𝐤𝐬𝐚𝐥 I WaCa FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt