Kapitel 5

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C a s s a n d r a

Die blonden Locken der kleinen Wölfin lugten unter meiner Bettdecke hervor, während diese sich immer gleichmäßig mit ihren Atemzügen hob. Ich hatte gestern noch den ganzen Tag damit verbracht den Arzt in der Notaufnahme davon zu überzeugen, dass ich mit Emily verwandt war und nachdem auch Emily bei diesem Plan mitgespielt hatte, durfte ich sie endlich mitnehmen. Wir hatten uns einen schönen Abend mit ganz viel chinesischem Essen auf meinem Bett gemacht und einen Disneyfilm geguckt. Die Kleine wollte gar nicht mehr aufhören zu essen, so ausgehungert war sie von ihrer Flucht. Heute wollte ich mich auf den Weg machen und hatte schon die Route nach Oak River auf meinem Handy geöffnet und staunte nicht schlecht, da das Gebiet fast 5 Stunden mit dem Auto entfernt lag. Sie musste ziemlich lange gelaufen sein und immer quer Feld ein durch die Wälder.

Zu der Lüge, dass Emily zu meiner Familie gehörte, hatte ich auch von einem Notfall erzählt und wurde nach langer Diskussion für 4 Wochen freigestellt. Schließlich hatte ich in den letzten Jahren nie Urlaub genommen, wodurch er mir nun zustand. Angst und Sorge legten sich wie eine eisige Hand um mein Herz und die Narben auf meinem Brustkorb brannten unangenehm, als ich daran dachte meinen Urlaub in dem Rudel zu verbringen. Zudem hatte ich meinen Bruder nicht erreichen können und machte mir nun umso mehr Gedanken, ob ich das Richtige tat. Vielleicht herrschte dort gerade eine Schlacht und ich würde Emily in noch größere Gefahr bringen. Doch gestand ich mir ein, dass ich selbst einfach nur Angst hatte in die Vergangenheit zurückzukehren. Zögerlich warf ich einen Blick auf meine Reisetasche, die ich eben fertig gepackt hatte und vor Nervosität begann mein Herz schneller zu klopfen. Ich wollte wirklich nicht zurück, aber die Sorge um meinen Bruder und das Pflichtgefühl gegenüber der kleinen Wölfin, die in meinem Bett lag, siegten schließlich über meine Dämonen und sanft weckte ich die Kleine. Verschlafen fuhr sie sich über die Augen und blinzelte ein paarmal, bevor sich ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht bildete.

Keine Stunde später saßen wir zusammen in meinem alten Jeep, Emily sicher verpackt in einem Kindersitz, der auch für die 5-Jährige geeignet schien. Auf dem Schoß hielt sie eine Tüte von der Bäckerei, aus der der köstliche Geruch von frischen Brötchen drang. „Darf ich schon eins essen Cassie?" Mit riesigen Welpen Augen beobachtete sie mich beim Fahren. Ein rascher Blick zu ihr genügte und ich nickte ihr lächelnd zu. Konzentriert richtete ich meine Augen wieder auf die Straße vor mir, bis Emily mich wieder ansprach.

„Wieso lebst du nicht bei uns im Rudel, wenn dein Bruder der Beta ist? Du wärst eine tolle Luna." Ich hätte vor Schock fast das Lenkrad herumgerissen, doch sie schien ihre Aussage ernst zu meinen. Im ersten Moment wusste ich nicht, wie ich damit umgehen oder wie ich reagieren sollte, doch ich antwortete ihr nach kurzem überlegen gefasst: „Naja, ich habe mich damals nicht wohl in meinem alten Rudel gefühlt und eine Luna bin ich auch nicht. Das kann man ja auch nicht einfach so beschließen, dafür müsste der Alpha mein Mate sein, weißt du was das ist?" Damit schien ich sie von der gefährlichen Idee mich in ihr Rudel aufzunehmen abgelenkt zu haben, da sie nun fröhlich vor sich hinplapperte und mir alles über die Mate Bindung erzählte, was sie wusste. Allgemein schien sie eine ganze Menge zu wissen, weshalb ich ihr auch gespannt zuhörte. Die Sicht eines Kindes auf diese Dinge war immer noch so rein und nicht getrübt von eigenen Erfahrungen. Laut ihren Worten war die Mate Bindung eines der schönsten Gefühle auf der Welt, besser als ein riesiger Becher Schokoladeneis, was ich mit einem Lachen kommentierte. Mitten in ihrer Erzählung hielt sie mir dann auch eines der Franzbrötchen hin, damit ich auch etwas essen konnte und ich wunderte mich einmal mehr darüber, wie einfühlsam und aufgeschlossen sie mir gegenüber war. Noch nie hatte mir ein Mensch in so kurzer Zeit so bedingungslos vertraut und ich hoffte einfach, dass ich sie mit der Ankunft in ihrem Rudel nicht enttäuschen würde. Kurz fiel mein Blick auf mein Handschuhfach in der meine silberne Magnum immer bereit lag, um uns im Ernstfall zu verteidigen. Zuletzt hatte ich sie während des Angriffs auf unser Rudel verwendet und danach nie wieder.

A Love stronger than DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt