C a s s a n d r a
Adrenalin strömte durch meine Adern. Ich versuchte tief durchzuatmen und meinen Herzschlag wieder zu beruhigen. Noch vor 2 Minuten hatte mir mein Bruder die derzeitige Lage an den Grenzen erklärt und sich dafür ausgesprochen, dass ich eine Weile hierblieb. Er meinte, dass ich Glück gehabt hatte, dass ich nicht angegriffen wurde. Dann war auf einmal die Tür aufgegangen und ein großer, muskelbepackter Mann war in das Zimmer getreten. Seine dominante Ausstrahlung, gepaart mit der Autorität, die von ihm ausgeht, bekam ich eine Gänsehaut. Niemand hätte mir sagen müssen, dass er ein Alpha ist, denn das konnte jeder in seinem Umfeld spüren. Sofort erfasste mich wieder die Panik, die ich in der Anwesenheit eines Rudelführers seit dem Angriff spürte. Ich war auch schon früher aufgrund meiner Gene nicht viel Wert gewesen in den Augen eines Alphas, aber nach dem Angriff trug ich die Grausamkeit, die ihre Herzen kontrollierten auf der Haut. Deswegen war ich auch aus reinem Überlebensinstinkt zurückgewichen, als er auf mich zukam. Mein Bruder kannte meine Angst, weshalb er keine Sekunde zögerte sich zwischen uns zu stellen, wobei er ziemlich grob angepackt wurde. Und nun hatte er mich Mate genannt. Mate.
Mein Kopf versuchte diese Tatsache noch zu verarbeiten, während mein Körper schon die passende Reaktion auf ihn zeigte. Gänsehaut, verschwitze Handflächen und ein rasender Herzschlag, von dem ich bis vor wenigen Sekunden noch dachte, dass er durch meine Panik ausgelöst wurde. Nun formte sich dafür auch noch eine andere Erklärung in meinen Gedanken, die noch viel furchteinflößender war. Meine Augen klebten an seiner Brust, die sich mit all ihren Muskeln deutlich unter seinem schwarzen Shirt abzeichnete. Seine Haut erinnerte mich an einen heißen Kakao mit einem Schuss Sahne und die Gedanken, die bei diesem Vergleich durch meinen Kopf gingen, trieben mir die Röte ins Gesicht. Auf die Entfernung konnte ich seine Augenfarbe nicht ganz ausmachen, doch sie schienen mir eine Mischung aus grün und braun zu sein. Seine dunklen Haare lagen in kleinen Locken auf seinem Kopf, eine von ihnen hing ihm widerspenstig in die Stirn.
„Deine Mate?" Mein Bruder war es schließlich, der die aufkommende Stille unterbrach. Vorsichtig trat ich neben ihn, darauf bedacht dem Alpha nicht zu nahe zu kommen. Ein Blick hoch zu meinem Bruder zeigte mir, dass er seinen Anführer fassungslos anstarrte und dieselbe Fassungslosigkeit spürte auch ich. Ich sollte die Mate von diesem Alpha Wolf sein? Ich war doch nicht mal ein richtiger Wolf, sondern nur eine Genträgerin. Konnte mich nicht beschützen, nicht verwandeln und hatte Angst. Niemals würde ich auch nur annähernd gut genug sein, um an seiner Seite zu stehen. Zudem wollte ich keinen Mate, sie bedeuteten nur Schmerz, an dem ich letztendlich sterben würde. Ich hatte immer selbst über mein Leben, mein Schicksal entscheiden wollen und jetzt stand er einfach so vor mir und nahm mir diese Möglichkeit.
„Ja sie ist meine Mate. Hast du etwa ein Problem damit?" Ein gefährliches Knurren schwang in seiner Stimme mit, als er meinen Bruder böse ansah. Dieser jedoch hob abwehrend die Hände und machte einen Schritt auf den Alpha zu. „Nein, niemals. Ich war nur überrascht." Da war er nicht der Einzige. Die Schultern des dunkelhäutigen entspannten sich und er schien lockerer zu werden, was auch daran zu liegen schien, dass mein Bruder sich weiter von mir entfernte.
„Okay, dann... ähmm... Also Cassie, dass ist der Alpha des Oak River Rudels und mein bester Freund Tyron Davies. Tyron, dass ist meine kleine Schwester Cassandra Downfield." Diese Situation war mir mehr als nur unangenehm, weswegen ich nur hilflos die Hand hob, um ihm kurz zu winken. Ein breites Lächeln legte sich bei dieser Geste auf sein Gesicht und er machte wieder einen Schritt auf mich zu. Und dann noch einen. Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, wie er schon bei mir war und mich in seine Arme zog. Mein Kopf reichte ihm gerade mal bis unters Kinn, obwohl ich mit meinen 1,70m nicht gerade die Kleinste war. Überfordert ließ ich mich einfach von ihm umarmen, wusste nicht recht wohin mit meinen Händen. Sie kribbelten, weil ich meine Finger am liebsten in seinem Shirt vergruben und mich an ihn gekuschelt hätte, doch ich war auch erstarrt vor Angst. Also stand ich einfach nur da, während er mich weiter an sich zog und seine Nase in meinem Haar vergrub. Seine Hand wanderte von meinem Rücken hoch zu meinem Nacken und in dem Moment verdrängte die Panik alle positiven Gefühle und ich drückte ihn mit aller Kraft von mir weg.
„Tut mir leid, habe ich dir wehgetan?" Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass er knurren und sauer werden würde, bevor er mich wieder in seine Arme zog. Doch er überraschte mich mit seinem besorgten Blick und der tiefen Ehrlichkeit in seinen Augen. Ich sah an ihm vorbei und wollte meinen Bruder um Hilfe bitten, doch er war nicht mehr da. Scheinbar hatte er während der Umarmung den Raum verlassen, um uns nicht zu stören. So ein Verräter. Nervös sah ich wieder zu dem Mann vor mir, der mich immer noch intensiv musterte.
„Nein. Nein, du hast mir nicht wehgetan. Ich war nur überrascht und das alles kommt so plötzlich." Zu mindestens einen Teil der Wahrheit konnte ich ihm anvertrauen. Bei dem Gedanken ihm zu gestehen, dass mir die Verbindung zwischen uns Angst machte und ich noch nie geliebt hatte, wurde mir übel. Ich wusste, dass unsere Verbindung mit jedem Moment, den wir zusammen verbringen wachsen würde, mit jeder Berührung an Intensität gewinnen und ich mit jedem Blick in seine Augen einen Teil meiner Unabhängigkeit an ihn verlieren würde. Mein Herz an ihn verlieren würde. Das alles hatte ich nie gewollt, hatte ihn nicht finden wollen und doch wäre ich in diesem Moment am liebsten in seine Arme gelaufen. Der Abstand fühlte sich komisch an, doch ich wusste, dass ich ihm nur so widerstehen konnte.
„Kein Problem. Wir können es so langsam angehen, wie du es brauchst. Ich würde nie etwas tun, was dich verletzt oder etwas verlangen, zu dem du noch nicht bereit bist." Seine Worte ließen mein Herz rasen. Wieso war er nur so verständnisvoll? Sollte ein Alpha nicht furchteinflößend und gewalttätig sein? Vielleicht versuchte er diese Seite auch nur so lange vor mir zu verstecken, bis ich ihm verfallen war. Und sobald die erste Freude über das Finden seiner Gefährtin verflogen war, würde er auch erkennen, dass ich ihm nicht würdig war.
„Ist gut. Ich wollte Sie ... oder dich?" Ich stockte, da ich mir nicht sicher war, welche Anrede passend war. Würde er verlangen, dass ich ihn bei seinem Titel nannte? Sein entwaffnendes Lächeln erschien erneut auf seinen Lippen und er bot mir sofort das Du an. Nickend sprach ich also weiter: „Ich wollte dich noch um Entschuldigung bitten. Ich wollte nicht einfach in Ihr, ich meine dein Revier eindringen. Mein Bruder meinte auch, dass es momentan zu gefährlich wäre auszureisen, weshalb ich eine Aufenthaltsgenehmigung brauche. Ich weiß, dass ist viel verlangt, aber ich würde gerne etwas Zeit mit meinem Bruder hier verbringen, wenn das in Ordnung geht?"
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A Love stronger than Death
Hombres LoboCassandra Downfield ist eine Genträgerin. Sie kann sich nicht verwandeln, trägt das Gen jedoch in sich und wächst in einem Rudel auf. Ihr Leben scheint genauso normal, wie das jedes anderen, doch dann verändert ein Angriff auf ihr Rudel ihr Leben gr...