Kapitel 6

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T y r o n

Erleichtert ließ ich meinen Kopf auf das Lenkrad sinken und atmetet tief durch. Ares hatte mich gerade angerufen, um mir mitzuteilen das Emily wieder aufgetaucht war. Seine Schwester arbeitet wohl in dem Krankenhaus, in welches man den kleinen Wirbelwind gebracht hatte und sie konnte Emily entlassen und mitnehmen. Die Last, die nun von meinen Schultern fiel, war so groß, dass ich in dem Sitz zusammensank. Ich war gerade bei dem letzten Rudel gewesen, die mir auch keine Auskunft über mein vermisstes Rudelmitglied geben konnten, jedoch selbst über Angriffe klagten. Mit dem hiesigen Alpha hatte ich deswegen ein Treffen ausgehandelt, bei dem es um das weitere Vorgehen gegen die Bedrohung gehen sollte und wir hatten einander Unterstützung zugesichert. Viele der anderen umliegenden Rudelführer würden ebenfalls bei der Sitzung anwesend sein, da wir alle mit denselben Angriffen zu kämpfen hatten. Andere hatte es schon weitaus schlimmer getroffen als unser Rudel, weswegen ich nun auch froh war, Emily in Sicherheit zu wissen.

Mein Rücken war ganz steif und meine Gelenke knackten, als ich nach der langen Rückfahrt endlich wieder zurück in meinem Rudel war und aus dem Auto stieg. Die kühle Abendluft wehte mir um die Nase und verbreitete einen herrlich frischen Geruch nach Wald, doch darunter mischte sich auch noch eine andere, süßlichere Note. In der offenen Autotür blieb ich stehen und versuchte die Quelle des Geruchs auszumachen, doch ich konnte weit und breit keine Blumen sehen, die diesen herrlichen Geruch ausstrahlten. Mein innerer Wolf wurde unruhig, knurrte in meinem Kopf und wollte nur noch diesem Geruch hinterherjagen. Mit zusammengezogenen Augenbrauen schloss ich mein Auto ab und lief zum Rudelhaus, wo der Geruch stärker wurde. Desto näher ich kam, desto intensiver schien er zu werden. Eine wunderbare Mischung aus erblühenden Rosen mit einem Hauch Minze füllte meine Lungen bei jedem Atemzug und mein Herz begann zu rasen. Liebe, Leidenschaft und grenzenlose Zuneigung durchfluteten meine Venen und ich wusste das sie da drinnen auf mich warten würde. Meine Mate. Bei Luna, wenn ich all diese Zeichen richtig deutete, musste meine Mate hier sein.

Mit Wucht stieß ich die Tür auf, was mir einige überraschte Blicke der umstehenden Wölfe einbrachte, die mich mit einem respektvollen Nicken willkommen hießen. Ich achtete nicht weiter auf sie, sondern rannte die Treppen hoch und der Quelle meines neuen Lieblingsduftes entgegen. Bevor ich sie sah, hörte ich schon ihre samtweiche Stimme aus meinem Büro. Eine Gänsehaut machte sich auf meinen Armen breit und mein Nacken kribbelte. Schnell öffnete ich auch noch die Tür und schon stand sie vor mir. Sieben verdammte Jahre hatte ich auf diesen Moment gewartet, ihm entgegengefiebert und schon fast alle Hoffnungen daran verloren, dass ich ihr überhaupt noch begegnen würde, doch jetzt stand sie einfach in meinem Büro. Als würde sie nur auf meine Rückkehr warten. Bei diesem Gedanken machte mein Herz einen Überschlag und ich schnurrte wohlig auf. Ich war selbst von meiner Reaktion überrascht und denselben Ausdruck entnahm ich auch ihrem Gesicht, als sie sich zu mir umdrehte.

Ihre vollen roten Haare, die nicht dem gewöhnlichen feurigen Ton, sondern einem sanften, leicht bräunlichen orange entsprachen vielen ihr bis kurz unter die vollen Brüste, an denen meine Augen einen Augenblick hängen blieben. Ihre dunkelbraunen Augen funkelten mich an und ihre vollen Lippen bettelten förmlich um einen Kuss, den ich ihr nur zu gerne geben wollte. Ihre kleine Stupsnase passte perfekt in ihr niedliches Gesicht und ich wollte sie einfach nur noch in meinen Armen spüren. Mit dieser Intention löste ich mich aus meiner Starre und lief auf sie zu, doch sie wich mit jedem Schritt, den ich entschlossen auf meine kleine Mate zumachte, einen zurück.

Ich nahm die Stimme und Anwesenheit meines Betas erst wahr, als er sich mir in den Weg stellte und mich an der Brust von ihr wegdrückte. Wütend starrte ich ihn an, der Wolf in mir drängte sich langsam an die Oberfläche und wollte jedes Hindernis, dass sich zwischen ihn und seine Mate stellte, zerfetzen. Entschlossen packte ich ihn und stieß ihn zur Seite, womit der Weg zu meiner Mate wieder frei war.

Kurz bevor ich sie endlich berühren konnte, packte mein Beta mich an den Schultern und riss mich von ihr weg. Wut kochte in mir hoch. Wie konnte er es wagen sich gegen die Verbindung seines Alphas und seiner Luna zu stellen? Hatte er etwa selbst Interesse an ihr und wollte mich deswegen nicht in ihrer Nähe haben? Bei diesem Gedanken rastete mein Wolf aus und wollte mit einem Knurren die Kontrolle übernehmen. „Tyron hör auf verdammt! Sie ist nicht der Feind, sie ist meine Schwester!" Wieso nahm er an, dass ich sie als Feind empfand, wenn sie doch mein Lebenssinn war? Ich warf einen Blick über die Schulter und sah mit Entsetzen, dass sich meine kleine Mate in der hintersten Ecke des Raumes auf dem Boden zusammen gekauert hatte. So weit von mir weg, wie es in diesem Raum möglich war und das schmerzte. Ein Blick in ihre Augen zerriss mir noch weiter das Herz. Tränen schimmerten auf ihrer Wasserlinie, angsterfüllt beobachtete sie die Situation und zitterte. Wieder wollte ich auf sie zugehen und sie in meine Arme ziehen, doch als ich sah, wie sie bei meiner Annäherung zusammenzuckte, verstand ich endlich was hier abging.

Mein Beta versuchte meine Luna zu beschützen, vor mir selbst. Denn wie es schien, hatte sie Angst vor mir. Angst, die mir mehr wehtat als jeder Schlag, den ich in meinem Leben kassiert hatte. Ich fühlte mich mit einem Mal wieder komplett hilflos, da ich nicht wusste was ich ihr getan hatte oder wie ich ihr die Angst nehmen konnte. Also tat ich das Einzige, was mir in diesem Moment richtig erschien und entfernte mich so weit wie möglich von ihr. Alles in mir sträubte sich gegen die vielen Meter, die zwischen uns lagen, doch ich wollte nicht für den Schmerz in ihren wunderschönen Augen verantwortlich sein. Ares beobachtete die Situation genau, so als befürchtete er ich würde jeden Moment auf meine eigene Gefährtin losgehen.

„Es tut mir leid, wenn ich dir Angst gemacht habe kleine Mate. Ich wollte dich nicht verschrecken, aber bitte weine nicht." Meine Stimme war sanfter, als gewöhnlich und hatte auch den gewünschten Effekt, denn sie hörte auf zu zittern und sah mich nun aus großen Augen an. Ihr Starren gefiel mir, denn sie schien mich das erste Mal seit ich den Raum betreten hatte nicht als eine Bedrohung wahrzunehmen. Stattdessen musterte sie mich und stand langsam auf. Sofort stand mein Beta an ihrer Seite, so dass sie sich leicht hinter ihm verstecken konnte. Mein Herz zog sich bei diesem Anblick zusammen und ich konnte meine Eifersucht nur schwer unterdrücken. Wieso darf er ihr so nah sein und ich muss hier am anderen Ende des Raumes stehen?

A Love stronger than DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt